Bildungsoffensive 2006

Da muss ich mich doch kurz mal aus dem Urlaub zu Wort melden, wenn von der Bildungsoffensive 2006 (bzw. dem zweiten Projekt dieser Initiative) die Rede ist. Zumindest eine Medienoffensive findet sich bei Checkpoint E-Learning zum Thema Notebooks in der Schule: leider eine sehr techniklastige – trotz alle Beteuerungen, wie wichtig doch pädagogisch-didaktische Konzepte und Lehrerfortbildung bei diesem Thema sind. Im Vordergrund steht nämlich ein Notebooks: das Edubook II. Dass die Technik primär ist, wird noch dadurch (aus meiner Sicht) unterstrichen, dass Informatiker die wissenschaftliche Begleitung an Schulen übernommen haben, die Edubooks im Unterricht einsetzen.

Nein, ich bin kein Gegner von technischem und wirtschaftlichem Engagement in der Schule; ein solches Engagement werden wir künftig wohl noch mehr brauchen. Ich habe auch Verständnis dafür, dass Firmen in den heute harten Zeiten ein solches Engagement zu Marketingzwecken nutzen. Unsere Welt ist nun einmal auch eine ökonomische. Dass die Technik ein K.-o.-Kriterium ist, weshalb gut gewartete und sinnvoll ausgestattete Notebooks gerade in den Händen von Schülerinnen und Schülern wichtig sind, auch das wird niemand bestreiten, der nicht nur am Schreitisch sitzt, sondern sich der Bildungspraxis widmet.

Nicht nachvollziehbar ist für mich trotzdem die starke Fixierung auf ein Gerät bei gleichzeitiger Beanspruchung des Bildungsbegriffs (als Bildungsoffensive), denn: Wenn es um Bildung und Lernen, wenn es neben Fachwissen um überfachliche Kompetenzen wie die sog. Medien- und Informationskompetenz oder soziale und Problemlösefähigkeiten u. a. geht, spielt das Gerät letztlich keine Rolle. Da spielen die Lehrenden und ihr pädagogisch-didaktisches Wissen und Können mit und ohne neue Medien die wesentliche Rolle. Da kommt es darauf an, ob und wie ein Lehrender eigentlich selbst Zugang zu Technik und Software, zu virtuellen Informations- und Kommunikationswelten und deren enormen Chancen wie auch Grenzen hat.

Aber genau da sieht es düsterer aus als im Bereich der technischen Ausstattung von Schulen, Lehrern und Schülern (wobei die Schüler wohl ohnehin am besten ausgestattet sein dürften). Deshalb würde ich sehr dafür plädieren, dass engagierte Firmen genau hier – nämlich in die Lehreraus- und -fortbildung, also in Personen statt in Technik investieren – zumal wenn sie sich so etwas wie „social responsibility“ auf die Fahne schreiben. Universitäten werden auch dank Studiengebühren noch in den nächsten Jahrzehnten an Ressourcenmangel leiden; es fehlen vor allem Hochschullehrer – auch in der Lehrerbildung. Es fehlen genau da Hochschullehrer, die angehenden Lehrern beibringen könnten, wann und warum und in welcher Form neue Medien eine Hilfe sein können, um unsere Schulen zu verbessern – eine Hilfe wohl gemerkt!!

Also: Ich schließe mich den Initiatoren der Bildungsoffensive 2006 durchaus an, dass noch viel zu tun ist – aber warum nicht mal mit einem anderen Akzent: mit der Förderung von menschlichen Potenzialen an Schulen und Hochschulen – zugunsten unserer Kinder!

Anbei: Schön ist, dass Checkpoint E-Learning bei dem Thema auch auf unsere Notebook-Studie an der Hauptschule verwiesen hat – leider fehlt der Link zum Abschlussbericht.

Zu eigenen „Marketingzwecken“ dann auch gleich ein Hinweis auf unser „Intel-Projekt“ – und in der Tat: Auch da wäre es mir lieber, der Firmenname würde sich bescheidener im Hintergrund halten. Aber wie gesagt: Wenn wir das Engagement der Wirtschaft auch im Bereich der Bildung brauchen und wollen, müssen wir eben vernünftige Formen der Kooperation finden, was wohl auf ein Geben und Nehmen hinauslaufen wird – so lange es unseren Schulen, Lehrern und Schülern nützt!

7 Gedanken zu „Bildungsoffensive 2006“

  1. Danke für dieses Statement. Leider ist es schon recht lange so, dass Projekte im Bildungsbereich möglichst nur aus technologischer Warte betrachtet werden. Ende der 90-er Jahre haben Unternehmen eine „Lernplattform“ teuer eingekauft, den Leuten hingestellt und sich dann gewundert, dass niemand damit lernt bzw. lernen konnte.
    Nachdem im Unternehmensumfeld viel Geld mit E-Learning verbrannt worden ist, scheint man hier seine Lektion gelernt zu haben. Der Markt für Lernplattformanbieter ist eng geworden, die IT-Abteilungen haben in diesem Bereich glücklicher Weise nicht mehr das Gewicht, dass sie früher einmal hatten. Umso ärgerlicher finde ich es, dass man nun im öffentlichen Bereich daran geht, die gleichen Fehler nochmal zu machen, obwohl man es besser weiß.
    Aber es ist sicherlich auch leichter, sich über die Ziele eines IT- oder Beschaffungsprojekts im Klaren zu werden als über die Ziele einer neuen Lehr- und Lernkultur…

  2. Ich kann mich Tim nur anschließen. Und leider befürchte ich auch, dass es im öffentlichen/staatlichen Bereich nochmal einen Haufen gleicher Fehler geben wird. Derzeit wird alles „Kommerzielle“ verteufelt und „Open Source“ heilig gesprochen während Free Software gar nicht in Betracht gezogen wird. Das man für alles ein stringentes Management benötigt, um es zum Erfolg zu führen, halte ich allerdings für wichtiger, als die Entscheidung für das eine und gegen das andere.
    Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz verloren, dass sich sinnvolle Lösungen ergeben werden. Die virtuelle Hochschule Bayern z.B. existiert immerhin noch, während andere Vorhaben schon die Segel gestrichen haben, oder erst gar nicht über ihren Erfolg/Mißerfolg berichten (wie z.B. der Baltic Sea Virtual Campus).
    Da wurden ebenfalls ein paar Mio Euro umgesetzt, bloß in was(?), das kann man nicht genau sagen, denn die Projektseite gibt dazu nicht viel her. Ähnlich sehe ich die Sache mit Investition in Hardware in Schulen. Ohne dass in gleichem Umfang in die Lehrer investiert wird, wird sich da wohl kaum etwas nachhaltig verändern. Und solange Investition in Maschinen als wichtiger angesehen wird, als Investition in „Professional Teaching Competence“ sehe ich da auch keine großen Veränderungen am Horizont.
    Da stellt sich auch ganz schnell die Frage wen will man zu Rate ziehen? Wer hat in Deutschland die Kompetenz in Sachen Lehrerausbildung für den sinnvollen Einsatz Neuer Medien? Und vor allem wer hat die Kompetenz unbestrittene Educational Leadership für sich in Anspruch nehmen zu können in diesem Bereich? Wer ist das Leuchtturm-Beispiel?
    Ich werde zumindest versuchen einen kleinen Teil zum weiteren Fortschritt beizutragen und hoffe nicht, dass es ein Fortschreiten von der Menschheit weg ist. Zum Beispiel auf der kommenden DeLFI 2006. Dort werden Marc Egloffstein und ich einem Beitrag zum Thema
    Didaktisch fokussierte Umsetzung des Wiki-Konzepts in einem virtuellen Seminar zum Selbstorganisierten Lernen“
    im Workshop „Wikis im eLearning“ vorstellen, was man mit der Technik didaktisch, von den Abläufen her veranstalten kann. Die Technik werden wir als selbstverständlcih voraussetzen.
    Zwei Tage darauf werde ich ein Kurzstatement zu einem Verfahren vorstellen, wie man z.B. im E-Learning sozial grundlegende Aspekte verbessern könnte durch ein Konzept, dass ich „Virtuelle Proxemik“ nenne.
    Kostet leider keine Millionen. 😉
    Gruss,
    Helge

  3. Ich kann die Skepsis und geäußerten Verwunderungen aller Vorredner durchaus teilen. Mein Einblick innerhalb des RAFT-Projektes den ich in die Schulen gewinnen konnte zeigte viele andere Stellen auf, wo es noch mehr Not hat, als hier nur von der Hardware zu reden. und auch auf unserem Symposium kam in den vielen kleinen Seitengesprächen immer und immer wieder die Frage nach Konzepten und Ideen eines Einsatzes und nicht der Wunsch nach vorgefertigten Paketen. Genau in diesem Kontext gibt es m. E. noch viel zu tun.
    Und doch habe ich zunehmend den Eindruck gewonnen, dass nicht die Konzept-Suche nach dem Profunden Einsatz im Schulwesen ein Manko darstellt, sondern auch die „dritte“ Seite des didaktischen Dreiecks, nämlich die ständige rechtfertigung gegenüber der Organisation aber auch den Eltern, wenn wirklich innovative Dinge erprobt und exploriert werden. Das kann für Lehrer wie beteiligte Schüler wirklich Nervenaufreibend sein. Und genau diese Kerbe wird von der Prof(essionell) skeptischen Öffentlichkeit immer wieder bedient.
    Und wenn ich den alten Kontext des eLearning (eLearning 1.0) an Schulen betrachte, und die Mutlosigkeit und Hilflosigkeit der Kollegen in den Schulen mir vor Augen rufe, dann kann ich nachvollziehen, weshalb man in „unseren“ Schulen sehr wenig sinnvoll implementierte E-Learning Maßnahmen findet.
    Aber eines sollten doch alle „gelernt“ haben: Nicht nur Hardware Offensiven alleine bleiben blinde Schuhe. Sie sind vielleicht eine Zeit lang erfolgreich, doch kranken Sie an dem Alleinelassen der Verantwortlichen in der Schule. Was nicht zuletzt zu einem verkümmern der Gerätschaften führt. Auch da könnte man aus dem Ausland lernen. In Österreich finden sich ganz andere Strukturen, die ein professionelles Supporting für Lehrer beinhaltet. Es gibt zentrale und an der lokalen Aufsichts- und Dienstleistungsorganisation angegliederte Supportstrukturen, die echte CoPs darstellen, die kostenlose Hotlines einrichten für technische Fragen etc. Damit hat man den Schuladministrator, der für seine Arbeit wenn überhaupt wenige Freistunden bekommt, derart entlastet dass er frei ist für das Entwickeln neuer Szenarien und Ideen, sowie der Möglichkeit seine Kollegen in das Boot zu holen.
    Soweit von mir. Und trotzdem bin ich der Meinung dass die Bildungsoffensive 2006 gut gemeint ist. Aber eben „gut gemeint“ und in der Titulierung etwas zu hoch greifend.
    Grüße und bis denne
    Andreas

  4. Da ich mich gerade in meiner Examensarbeit mit dem Thema Blended Learning beschäftige aber selber auch Informatik studiere, sehr ich das „Problem“ Hardware aus zwei Richtungen. Die technische Ausstattung ist nunmal eine notwendige Bedingung für E-Learning – aber nicht unbedingt eine hinreichende Bedingung für (gutes) E-Learning. Das Schwierige ist sicher, dass viele diese Notwendigkeit als Maß der Dinge ansehen, damit aber vielleicht die Notwendigkeit für ERFOLGREICHES E-Learning, die Didaktik, vernachlässigen. Nach den eher ernüchternden E-Learning-Ergebnissen der jetzten Jahre (Jahrzehnte) sollte es eigentlich so langsam ein Umdenken geben. Meiner Meinung nach, wird es das vielleicht erst wenn, wie Helge oben sagte, die Technik als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Man könnte es mit meiner Generation der Lehramtsstudierenden erwarten, die meist mit der Technik bereits aufgewachsen sind, wie die Schüler ja mittlerweile auch. Doch auch in meinen Jahrgängen ist für viele der Computer oder das Internet noch ein Buch mit sieben Siegeln. Ich habe in meinen Schulpraktika (ältere) Lehrer erlebt, die regelrecht Angst vor Computern hatten, wie sollen sie didaktisch sinnvolles E-Learning vermitteln wenn die notwendige Sicherheit im Umgang mit der Technik fehlt? Womit sich der Kreis zur Lehrerbildung schließt, in der das Thema E-Learning noch viel zu stiefmütterlich behandelt wird – so jedenfalls meine Erfahrung.
    Bin zwar sicher gerade ein wenig vom Thema abgekommen aber hoffe, es ist noch halbwegs im Rahmen geblieben … E-Learning ist halt „ein weites Feld“ 😉
    Grüße
    Maria

  5. Endlich mal meinerseits ein Dankeschön für die interessanten Kommentare und Beiträge zu „Bildungsoffensive“. Der Urlaub wirft noch seine Schatten mit liegn gebliebenen Dingen. Dauert noch ein wenig, bis ich mich wieder online richtig „zurückmelde“ 😉
    Gabi

  6. Man sollte die Kenntnisse und das Interesse der Lehrer nicht immer unterschätzen und die Kenntnisse und Ausrüstung der Schüler nicht überschätzen. Es tut sich einiges und von Mutlosigkeit und genereller Hilflosigkeit möchte ich schon gar nicht sprechen.

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