Selber etwas bewirken

Seit Dezember 2014 gibt es das Themenheft zum Übergang von der Schule zur Hochschule bei der Zeitschrift für Hochschulentwicklung (hier). Die Inhalte der Beiträge reichen u. a. von fachspezifischen Fragen studentischer Erwartungen über Maßnahmen für einen besseren Einstieg in ein wissenschaftliches Studium bis zu psychologischen Voraussetzungen zu Studienbeginn. Auf einen Beitrag möchte ich an der Stelle besonders hinweisen – den von Brahm, Jenert und Wagner zur „subjektiven Wahrnehmung des Übergangs Schule – Hochschule“. Der Text (hier online) berichtet über die Ergebnisse einer empirischen Studie an der Universität St. Gallen und damit (so die eigene Bezeichnung) an einer Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen, was bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten ist.

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Trend-Tücken

Aktuell wird im Netz wieder vermehrt auf den seit 2006 vom MBB (Institut für Medien- und Kompetenzforschung) veröffentlichten „Trendmonitor“ zum E-Learning hingewiesen (online verfügbar hier). Dabei handelt es sich um eine Expertenbefragung, die leider etwas irreführend als „Learning Delphi“ bezeichnet wird, obschon die gleichnamige Delphi-Methode genau nicht in einer einfachen Befragung besteht (nähere Infos zur Delphi-Methode z.B. hier). Ziel der Studie bzw. der Studienreihe ist es, Prognosen über den „E-Learning-Markt“ etwa in Bezug auf favorisierte Methoden und technische Werkzeuge, aber auch in Bezug auf E-Learning als Arbeitsmarkt zu erstellen, also Trends ausfindig zu machen. Ich bin der Meinung, dass die Suche nach solchen Trends einige Tücken hat und das gilt auf jeden Fall auch für diese Studie.

Aber von vorne: Wer sind die befragten 54 Experten? Zur Hälfte (also 26 Personen) handelt es sich um Dienstleister/Produzenten; die nächst größte Gruppe (13 Personen) kommen aus „Wissenschaft/Forschung/Beratung“, wobei ich mich frage, ob man Berater und Wissenschaftler wirklich in einen Topf werfen sollte. Auch 2% Anwender sind dabei: Das macht also EINEN Anwender (sollte man da nicht besser auf Prozentangaben verzichten?). Die anderen Gruppen sind mit zwei bis vier Personen besetzt; acht Personen konnten gar nicht zugeordnet werden. Hm – sind das wirklich die Experten, die uns die E-Learning-Zukunft voraussagen können?

Neben der Zielgruppe stimmen mich auch einige Fragen skeptisch: Wenn nach dem Nutzen sowie nach dem kommerziellen Erfolg von „E-Learning“ gefragt wird, finden wir in den Items eine recht wilde Mischung von (a) Sammelbezeichnungen wie „Blended Learning“ und Open Educational Resources“, (b) Methoden und Aktivitäten (z.B. Simulationen und „Content Sharing“, (c) technische Werkzeuge (wie Weblogs, Wikis, Twitter) und noch einiges mehr. Ist es wirklich sinnvoll, all dies bei einer Frage gemeinsam einschätzen zu lassen? Wenn doch die meisten der Meinung sind, dass Blended Learning-Angebote einen hohen Nutzen haben, müssten dann nicht potenziell alle Methoden und Werkzeuge ähnlich eingeschätzt werden? Es ist doch zu vermuten, dass eher der Bekanntheitsgrad und/oder der aktuelle Verbreitungsgrad von Werkzeugen bei solchen Fragen eingeschätzt werden und sonst nichts. Dafür spricht, dass der Blick in die vergangenen Befragungen genau das zeigt: Dass die „Experten“ immer diejenigen Anwendungen als „nützlich“ einstuften, die gerade viel diskutiert und en vogue waren. Von den Kommunikationswissenschaftlern ahbe ich gelernt, dass es da das Agenda Setting gibt: Die Expertenmeinungen könnten mit diesem Ansatz aus meiner Sicht ganz gut gedeutet werden.

Sätze wie „Insgesamt belegen die Prognosen den Trend, dass Unternehmen auch zukünftig nicht gänzlich auf traditionelle Lernformen verzichten werden“ (S. 3) haben das Glück, dass sie wohl immer stimmen werden. Hilft uns das weiter? Sinnvoller ist da schon der ebenfalls gemachte Versuch, verschiedene „Szenarien“ einschätzen zu lassen, wie es in diesem Trendmonitor auch versucht wird. Allerdings sollten diese meiner Ansicht nach auch konkreter sein als z.B. „Deutschland wird seine Position als Bildungsexporteur ausbauen“ – ein Satz, bei dem es jedem Erziehungswissenschaftler ohnehin die Haare aufstellen wird.

An manchen Stellen hat man ja geradezu die Hoffnung, dass es mit den Seherfähigkeiten der befragten Experten nicht so weit her ist, z.B. wenn es heißt: „Deutlich weniger Experten glauben an eine steigende Wichtigkeit der Zielgruppen ´Mitarbeiter mit Migrationshintergrund´ (43%) und ´ungelernte Hilfskräfte´ (24%). Für letztere prognostizieren 19 Prozent der Befragten sogar ein sinkendes Interesse“ (S. 7). Prognostiziert man das jetzt oder wünscht man es sich eher oder nimmt man es als unweigerlich an, wenn die Wirtschaft kränkelt? Wer wird mit diesen Prognosen denn jetzt genau was machen? Sich als Depp fühlen, wenn man sich doch für diese „wenig interessanten“ Zielgruppen stark macht? Ich weiß nicht: Ist das sinnvoll – solche Prognosen anzustellen?