Nachdem bereits mein letzter Blogbeitrag eine hochschulstrukturelle Thematik hatte (Dekane im Hauptamt?), hat erneut ein Beitrag aus der Zeitschrift Forschung & Lehre meine Aufmerksamkeit auf die Hochschule als Organisation gelenkt. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich im Amt der Studiendekanin, ob ich will oder nicht, dauernd über mehr oder weniger skurrile organisationale Eigenheiten stolpere, bei denen ich mich frage, ob das eigentlich schon immer so war. Nein, so wie es jetzt ist, war es nicht schon immer, und man kann sich auch schwer vorstellen, dass es so bleiben wird. Und genau das macht der Beitrag „Überlebenskritische Fragen zur Struktur von Universitäten. Eine organisationstheoretische Analyse“ sehr schön deutlich. Erfreulicherweise findet man ihn auch online, nämlich hier.
Der Beitrag skizziert organisationstheoretische Erkenntnisse dazu, welches Modell „gestern“ die Unis kennzeichnete, welches wir heute haben und was die Zukunft bringen könnte. Auf den Punkt gebracht kann man sagen: Gestern hatten wir den fakultären Föderalismus, bei dem der Präsident die Rolle des Moderators hatte, die Professoren gleichberechtigte Akteure waren und die Verwaltung als Serviceeinheit diente (oder dienen sollte – wie auch immer). Heute haben wir in der Regel den präsidialen Feudalismus, bei dem der Präsident uneingeschränkter Inhaber der Verfügungsrechte über bestehende Ressourcen ist, die Professoren zwar noch handeln, aber als Untergebene und die Verwaltung vorzugsweise der Unileitung dient. Neben dieses Modell beginnt sich aber bereits ein drittes zu schieben – langsam, aber sicher: der individuumszentrierte Verhandlungsdschungel. Auch Professoren lernen aus Erfahrung und beginnen, sich an die veränderten Wertesysteme anzupassen und Strategien aufzubauen, um sich innerhalb der Feudalherrschaft irgendwie zu behaupten. Der Präsident wird in einer solchen Situation zum Verteidiger der Verfügungsrechte und irgendwann zum Abhängigen vom Engagement der Professoren. Im Ergebnis – so dieses Modell – zerschießt sich dieses Systems selbst, weil die entstehende Komplexität keiner mehr bewältigen kann. Die Zukunft sehen die Autoren im universitären Korporatismus, bei dem der Präsident weder Moderator noch Letztentscheider, sondern Projektpartner ist. In aller Kürze fasst eine Tabelle die Aussagen zusammen.
Also, ob sich dieses letzte Modell wirklich realisieren lässt, kann ich nicht so recht beurteilen. Die anderen drei Modelle aber beschreiben aus meiner Sicht sehr treffend die Entwicklung der Universitäten, so wie ich sie in meinem kleinen persönlichen Ausschnitt der Uni-Landschaft auch erlebe: Insbesondere die Anpassung an die neue Situation seitens der Professoren, die sich die Rolle als abhängige und steuerbare Untergebene nicht mehr gefallen lassen und zu „Unternehmern in eigener Sache“ werden, ist aus meiner Sicht nicht nur zu beobachten, sondern auch eine logische Folge: Immerhin ist die Autonomie der eigenen Arbeit (und genau keine Steuerung von außen oder oben) ein sehr wichtiger Grund für die Entscheidung, Wissenschaftler/Hochschullehrer zu werden. Und dass das auf Dauer in dieser Form nicht gutgehen kann, liegt auch auf der Hand.
Also ich kann den Artikel nur zum Lesen empfehlen: Er ist sehr erhellend. Wollen wir hoffen, dass sich alle Beteiligten ihr „Erwachsenen-Ich“, wie es im Beitrag formuliert ist, wieder zurückerobern. Nebenbei bemerkt war mir gar nicht bewusst, dass die BWL einen solchen Hang zur metaphorischen Sprache hat. 😉