Jetzt wird es Zeit, dass ich endlich mal über den Herausgeberband von Markus Weil mit dem Titel „Zukunftslabor Lehrentwicklung. Perspektiven auf Hochschuldidaktik und darüber hinaus“ berichte. Schon zum Jahresende lag es auf meinem Schreibtisch. Tobias Schmohl und ich haben einen Beitrag zur Reform bzw. Neuentwicklung des Masterstudiengangs Higher Education beigesteuert. Der eher schmale Band enthält insgesamt elf Texte. Ich möchte exemplarisch ein paar herausgreifen – ohne dass damit eine Wertung verbunden wäre. Auswahlkriterium für diesen Blog-Beitrag sind ganz persönliche „Hängen-Bleiber“, was immer auch mit aktuellen Beobachtungen und Erlebnissen zu tun hat. Ich begrenze mich mal auf vier (sonst wird das hier auch zu lang ;-)).
Autor: Gabi Reinmann
Aus Überzeugung
Forschendes Lernen gibt es in vielen Spielarten. Eine davon rückt die Kooperation (hier von Sozialwissenschaften) mit externen Partnern ins Zentrum – und zwar keineswegs nur aus der Wirtschaft, sondern auch aus Sport, Kultur, Bildung usw. Das „Projektbüro Angewandte Sozialforschung“ (kurz Projektbüro) unterstützt seit 2010 an der Universität Hamburg angewandte Forschungsprojekte von Studierenden im Rahmen der Lehre. En aktueller Beitrag von Kai-Uwe Schnapp in der Zeitschrift für Politikwissenschaft (hier das Abstract) fasst nun das Vorgehen, die bisherigen Erfahrungen und die nach wie vor bestehenden Schwierigkeiten kompakt zusammen (leider gibt es den Artikel nicht online, aber über Bibliotheken kommt man an eine digitale Fassung).
Mut zur Geduld gegen die unaufhörliche Leistungsschau
Und noch eine Rede (online hier) – mit der gleichen Stoßrichtung wie die Rede von Peter Strohschneider (siehe hier), gehalten von Peter-André Alt, Präsident der FU Berlin am 30. November 2017 (im Allianz-Forum Berlin). Auch in dieser Rede geht es um die Wissenschaft und ihre gesellschaftliche Verantwortung, um die aktuelle Wissenschaftsfeindlichkeit, um Populismus und Vereinfachung, aber auch um Fehlentwicklungen im Wissenschaftsbetrieb. Ich finde, noch mehr als Strohschneider bringt Alt auf den Punkt, was uns verloren zu gehen droht, wenn er schreibt:
„Mut zur Geduld gegen die unaufhörliche Leistungsschau“ weiterlesen
Mit Selbstbegrenzung und Selbstdistanz gegen die Überproduktionskrise
Über den Newsletter des Deutschen Hochschulverbands bin ich auf einen Vortrag von Peter Strohschneider vom Juli 2017 (online hier abzurufen) aufmerksam geworden. Dieser wurde kürzlich vom Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen zur „Rede des Jahres 2017“ gekürt (siehe hier). Unter dem Titel „Über Wissenschaft in Zeiten des Populismus“ spricht sich der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft in dieser Rede gegen populistische Vereinfachungen und alternative Fakten aus, wirft aber auch einen kritischen Blick auf die aktuelle Wissenschaftspraxis – lesenswert, wie ich finde. Ein paar Passagen möchte ich hervorheben und zitieren, weil ich sie für besonders wichtig und überzeugend halte: „Mit Selbstbegrenzung und Selbstdistanz gegen die Überproduktionskrise“ weiterlesen
Die Kraft der Beispiele
Ein neuer Text von Taiga Brahm in der Zeitschrift Educational Design Research (EDeR) – online hier abzurufen – beschreibt anschaulich den Forschungsprozess zur Entwicklung von Interventionen, die Jugendlichen auf einer überfachlichen Ebene (Stichwort Resilienz) im Übergang zwischen Schule und Beruf helfen sollen. Im Fokus steht der Aufbau von Wissen und Können zum Umgang mit Konflikten, zur Zuschreibung von Ursachen und zur Selbstwirksamkeit. Die Autorin beschreibt ihr Vorgehen entlang des Design-Based Research-Ansatzes (mit drei Zyklen) und liefert auf diesem Wege ein instruktives Beispiel für den Einsatz von DBR im Bildungskontext.
Wissenschaftlich sein und praktisch werden
Langsam gewöhne ich mich an die Blocklehre. Mit Beginn meiner Lehrtätigkeit an der Uni Hamburg im Masterstudiengang Higher Education (MHE), der sich an Personen richtet, die schon eine akademische Bildung und in der Regel auch Berufserfahrung haben (weitere Infos hier), sieht meine Lehrtätigkeit doch sehr viel anders aus als früher:
An Trivialität kaum zu überbieten
Nach dem Konzept des Student Engagement „lernen Studierende umso mehr […], je mehr sie sich während ihres Studiums mit sinnvollen Lernaktivitäten beschäftigen“. Wie bitte? Ja, besser nochmal lesen, das ist nämlich ernst gemeint und steht so in einem aktuellen Beitrag (2017) der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft von Lars Müller und Edith Braun. Unter dem Titel „Student Engagement. Ein Konzept für ein evidenzbasiertes Qualitätsmanagement an Hochschulen“ (online hier abzurufen) berichten die Autoren, wie sie das US-amerikanische Konzept des Student Engagement an deutsche Verhältnisse anpassen und als Befragungsinstrument an Hochschulen einsetzen.
Der Hans, der sagts jetzt auch
Der Behaviorismus ist zurück – im neuen Gewand der sogenannten Learning Outcomes, die uns seit Beginn des Bologna Prozesses die Modernisierung der verstaubten Hochschulbildung anpreisen. Geschickt verpackt mit dem Ruf nach Kompetenzorientierung und im Einklang mit dem Prinzip des Constructive Alignment haben uns die Learning Outcomes, und mit ihnen die auf neu getrimmten alten Lehrzieltaxonomien, an den Universitäten fest im Griff. Das ist nicht unwidersprochen geblieben:
Nichtstun?
Das Schöne an Weihnachtsmärkten ist, dass sie an Weihnachten schließen. Das haben sie mit dem Oktoberfest gemein, das auch immer dann (fast) vorüber ist, wenn es Oktober wird. Die Ruhe, die dann einkehrt, lässt sich durch den Kontrast besonders spüren, und vielleicht ist das sogar der tiefere Sinn? Mein Herkunftswörterbuch führt „Ruhe“ auf „ruhen“ zurück und definiert es als „sich durch Nichtstun erholen“. Nun, ich werde es in den nächsten zwei Wochen wohl nicht schaffen, nichts zu tun, aber Ruhe suche ich allemal und ruhiger wird es daher auch in diesem Blog. Ich wünsche allen geruhsame Tage – auch über den Jahreswechsel – und melde mich im Januar wieder: ausgeruht.
Verbotene Wörter
Das ist so eine Sache mit der Evidenzbasierung in den Bildungswissenschaften. Gerne ist man da ausgesprochen dualistisch unterwegs: Bist du für oder gegen Evidenzbasierung? Aber das ist freilich Unsinn. Als mit dem Regierungswechsel in den USA die Wissenschaft plötzlich bangen musste, ob ihre Erkenntnisse noch ernst genommen werden und Relevanz haben (auch für praktische, das heißt ebenfalls: politische Entscheidungen), war das auf den ersten Blick ein starkes Argument für eine „evidenzbasierte Bildungspraxis“, denn: Wer mag sich als Wissenschaftler schon in einen Topf geworfen sehen mit denen, die „gegen Fakten sind“, die wider besseres (wissenschaftliches) Wissen lieber einer „gefühlten Wahrheit“ folgen?