Die Universität als Lernfabrik

Ist gerade ein Nachrichtenloch? An sich doch nicht: Israel führt Krieg, die Staatsverschuldung wächst, weil man den Banken helfen und die Konjunktur ankurbeln muss, und die ersten Grippefälle gibt es auch schon. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Presse dem Thema Lehre und Universität einiges an Platz widmet:

In der FAZ berichtet (hier) ein Theologieprofessor, warum er seinen Lehrstuhl räumt: Weil der Umwandlung der Universität in eine Lernfabrik nicht mehr ertragen kann (siehe hierzu auch Franks Beitrag). Ich kann den Mann verstehen, viele seiner Sätze kann ich unterstreichen (habe ja auch in diesem Blog schon öfter mal über die Bologna-Probleme berichtet). Gegenstand des Anstoßes ist allem voran die Lehre, die einem Kontroll- und Effizienzdiktat unterworfen wird, die den „Geist“ ersticke.

Auch die SZ beklagt heute (hier), dass es für Studierende nicht gerade einfacher wird, „selbst zu denken“. Nicht von ungefähr (Stichwort iTunes U) hat man die Vorlesung zum Gegenstand eines längeren Artikels gemacht, deren Virtualisierung nicht eben sehr positiv wegkommt.  Statt dessen wird die „persönliche Begegnung“ gefordert und gelobt, die – auch da kann man ja wirklich nur zustimmen – für Lernen und Studierende eben essenziell seien.

Ja …  schön, dass man sich in der Presse für Universität und Lehre interessiert, dass die Öffentlichkeit ein bisschen mehr davon erfährt, was an Universitäten geschieht.  Ich finde es auch gut, dass Professoren selbst zu Wort kommen, wie im Fall des oben genannten Theologieprofessors, denn diese Beiträge sind ohne Zweifel besonders gehaltvoll – das sollte öfter geschehen, dass man Betroffene (also auch die Studierenden) zu Wort kommen lässt! Denn diese Beiträge zeichnen ein viel besseres Bild von den Schwierigkeiten, die eine zeitgemäße Universitätsbildung mit sich bringt. So bleibt der SZ-Bericht in hohem Maße an der Oberfläche und jeder, der ein bisschen Ahnung von E-Learning hat, wundert sich, warum man immer und immer wieder dieselben Vorurteile und falschen Erwartungen wie auch kulturpessimistischen Befürchtungen von Neuem aufwärmt. Der FAZ-Bericht dagegen macht das Dilemma, in der sich z.B. Professoren in letzter Zeit oft befinden, viel besser deutlich. Dem sollte man jetzt noch eine Darstellung aus Studierendensicht gegenüberstellen.

Von der Reflexion zur Selbstreflexion

Gerade noch rechtzeitig zum Jahresausklang ist die von Thomas Häcker, Wolf Hilzensauer und mir herausgegebene Ausgabe der Online-Zeitschrift Bildungsforschung zum Thema „reflexives Lernen“ online gegangen. Ich hatte mich dazu bereit erklärt, weil ich (a) auf diese Weise Thomas Häcker und seine Position näher kennenlernen konnte (der mir auf dem Papier bzw. digital mehrmals schon beim Thema E-Portfolios „begegnet“ war) und weil ich selbst eher Schwierigkeiten mit dem Begriff des „reflexiven Lernens“ habe. Ja, ist das denn die rechte Voraussetzung für die Mitherausgeberschaft eines Themenhefts? Nun, die intensivere Auseinandersetzung mit einem Thema in Verbindung mit Lehrveranstaltungen und Publikationen anzugehen, ist im Wissenschaftsbetrieb sicher nicht ungewöhnlich und ein durchaus interessantes Prozedere (das meines Wissens wissenschaftssoziologisch oder -psychologisch noch nie ernsthaft untersucht wurde – warum eigentlich nicht?). Oft ist es ja so, dass diejenigen Lehrveranstaltungen (auch Publikationen?) am besten zu verstehen sind, bei denen man selbst als Novize gestartet ist ;-).

Dass es im Editorial heißt: „Reflexives Lernen als Grundlage Lebenslangen Lernens ist nicht nur aus pädagogischer Sicht interessant, sondern auch aus historischer, philosophischer, psychologischer und praktischer Perspektive“, steht da nicht von ungefähr: Ziel war es, verschiedene wissenschaftliche Zugänge zum „reflexiven Lernen“ zusammenzustellen, wobei von vornherein klar war, dass damit auch verschiedene Auffassungen dazu verbunden sind, was unter „reflexivem Lernen“ denn nun eigentlich zu verstehen ist. Meine anfängliche und nach wie vor bestehende Position dazu ist die, dass mit Ausnahme des „Reiz-Reaktion-Lernens“ behavioristischer Manier jedes Lernen auch Reflexionsmomente bedarf – sonst würde man wohl nicht von Lernen sprechen können, das diesen Namen auch verdient. Wohl aber gibt es sehr unterschiedliche Grade, vielleicht auch Qualitäten von Reflexion – und das, so meine ich, zeigen auch die in diesem „Heft“ versammelten Aufsätze.

Gefreut hat mich, dass auch Tobias einen Beitrag geliefert hat („Ganzheiltiche Reflexion auf dem Weg zu Selbstorganisiertem Lernen„): In diesem Beitrag führt er auch unser Begleitstudium und die darauf gerichteten (qualitativen) Studien an, die dazu bereits durchgeführt wurden. Die damit verbundenen kritischen Einschätzungen unserer Versuche, Studierende auch im knappen Bachelor-Studium zu projektorientiertem Arbeiten und einer darauf bezogenen Reflexion zu bewegen, hat zu einigen Turbulenzen und internen Diskussionen geführt – und die haben ganz gewiss eine ganze Reihe Reflexionsprozesse ausgelöst. Auch wenn das anstrengend ist (zumal dann, wenn man in die Rolle des Mediators gerät), sind das für mich genau die Dinge, die ich an sich an einer Universität erwarte: Kritische Auseinandersetzungen, das Ringen um die rechte Darstellung und Folgerung, Selbstzweifel und Aushandlungsprozesse – was zwar psychologisch für die Betroffenen nicht immer einfach, aber langfristig genau die fruchtbaren Prozesse sind, die man getrost als reflexives Lernen bezeichnen kann.

Danke an der Stelle an die Herausgeber/innen der Zeitschrift Bildungsforschung für die vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit.

Die verheerende Lage des Zehnkämpfers

Bereits im letzten Jahr (2007) haben Kanning, von Rosenstiel, Schuler u.a. in der Psychologischen Rundschau einen Artikel verfasst, der dummerweise an mir vorbeigegangen ist, weil ich wohl trotz meiner psychologischen Herkunft zu tief in primär medienbezogenen Fragestellungen stecke. Schon mit dem Titel „Angewandte Psychologie im Spannungsfeld zwischen Grundlagenforschung und Praxis“ verweisen die Autoren auf ein grundsätzliches Problem, über das ich mich ja auch mit schöner Regelmäßigkeit ärgere: die Monokultur in den Methoden der psychologischen Forschung und damit auch in der pädagogisch-psychologischen Forschung, die für das Wissen und Lernen mit digitalen Medien (aus meiner Sicht) zentral ist. Entsprechend sprechen sie sich für mehr Pluralismus aus – eine sehr begrüßenswerte Tendenz, die mich ein wenig optimistisch stimmt. Zu diesem Beitrag gibt es eine Reihe von Kommentaren (leider nicht online zugänglich) und dann wieder eine Reaktion auf diese Diskussionsbeiträge – und die ist dankenswerter Weise eingescannt, nämlich hier. Sie fasst einige Argumente aus den Kommentaren zusammen, wobei mehrere Probleme zur Sprache kommen, z.B.:

  • die Abwertung deutschsprachiger Publikationen außerhalb von internationalen Journals mit hohem „impact factor“ (dazu hier ein weiterer netter Beitrag),
  • die damit einhergehende indirekte (an sich ungeheuerliche) Einschränkung der Forschungsfreiheit,
  • die Schwierigkeit, aus der Forschung unmittelbaren Nutzen für die Praxis zu schöpfen und
  • die Tatsache, dass man letztlich Wissenschaftler sozialisiert, die extrem gut in einer Einzeldisziplin sind, dann aber völlig überfordert zum einen vor Studierenden stehen, die nach der Univesität in die Praxis wollen, und zum anderen Vertretern aus Politik und Gesellschaft gegenübertreten sollen, die einen Mehrwert zur Lösung praktischer Probleme erwartet hatten (wobei die Politik an diesem Schlamassel ja nun nicht gerade unschuldig ist).

Der Beitrag zitiert u.a. Wottawa, der das letzt genannte Problem der ausgeprägten Spezialisierung (die zwar der Karreire, aber allem anderen eher nicht förderlich ist) mit einer Analogie gut auf den Punkt bringt, nämlich mit der Analogie vom Zehnkämpfer, der in jeder Einzeldisziplin zwangsläufig schlechter ist als der Einzelkämpfer, der sich ausschließlich auf eine Aufgabe konzentriert. Ich fühle mich angesprochen 😉

Vier Jahre Kooperation mit Intel

Vier Jahre wissenschaftliche Begleitung des Blended Learning-Lehrerfortbildungsprogramms „Intel® Lehren – Aufbaukurs Online“ gehen im Dezember 2008 zu Ende. Wer nachvollziehen möchte, was wir innerhalb dieser vier Jahre alles gemacht haben, kann sich an den Arbeitsberichten orientieren:

Aktuell wird gerade ein Reporting-System für die Trainingsplattform fertig gestellt, zu dem noch kein Bericht existiert. Mit diesem Modus der Evaluation sollen einzelne Module der Plattform durch die Nutzer/innen bewertet werden – schnell, einfach und abgekopppelt von der Zertifizierung (bei Absolvieren des gesamten Fortbildungsangebots). Denn es hat sich gezeigt, dass die Plattform viel mehr Besucher/innen hat als das Fortbildungsprogramm Teilnehmer/innen, so dass viele Nutzer/innen bei der „großen“ Evaluation nicht erfasst werden können.

Im neuen Jahr haben wir (das sind Alex, Eva und Jojo) vor, die verschiedenen Phasen der Evaluation in einem längeren Dokument darzustellen – mit exemplarischen Ergebnissen, vor allem auch mit Erfahrungen, die eine längerfristige Begleitung eines solchen Programms mit sich bringt. Für weitere Evaluationsarbeiten werden wir uns bei Intel nicht mehr bewerben, nicht weil die Zusammenarbeit nicht gut gewesen wäre, sondern weil die Anforderungen für die kommenden Evaluationsrunden doch so umfangreich geworden sind, dass Universitäten das wohl nicht werden leisten können (und wir damit eben auch nicht). Denn wir können nicht – wie z.B. kommerziell tätige Forschungsinstitute – mit einem festen Stammpersonal und freien Mitarbeitern arbeiten, sondern müssen nun mal „teure“ Mitarbeiter/innen extra einstellen (was nicht heißt, das ein wissenschaftlicher Mitarbeiter viel verdient ;-)). Zudem meine ich, dass es durchaus gut ist, wenn Evaluationspartner wechseln, denn auch als externe Evaluatoren kann man betriebsblind werden.

Alex hat mit dem Intel-Projekt seine Dissertation geschrieben. Eva konnte nach ihrer Dissertation viele neue Erfahrungen innerhalb des Projekts sammeln und dies mit ihrer Tätigkeit an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung verbinden, der wir (vor allem Johannes Böttcher) weiter gerne verbunden bleiben. Leider endet Evas Anstellung mit Projektende bei uns – und das ist natürlich ein wenig traurig: Eva gehört zu meinen längsten Wegbegleiter/innen in Augsburg und ich möchte ihr hier an der Stelle offiziell und öffentlich für die hervorragende Zusammenarbeit danken.

Was mir noch wichtig ist zu sagen: Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist eine Herausforderung und nicht vergleichbar mit Projekten, bei denen der Drittmittelgeber zwar auch an Ergebnissen interessiert ist, aber diese nichts selbst unmittelbar benötigt. Kompromisse sind mitunter nötig, die Sprache ist nicht immer die gleiche, Werte klaffen bisweilen auseinander, aber machbar und zufriedenstellend kann eine solche Kooperation durchaus erfolgen: Intel hat uns als Universitätspartner stets respektvoll behandelt und keinen Einfluss auf unsere Arbeiten in der Form ausgeübt, dass wir dies nicht vorab untereinander ausgehandelt hätten. Ich denke auch, nur unter solchen Bedingungen machen Kooperationen einen Sinn und ich bin froh, dass wir da keine gegenteiligen Erfahrungen gemacht haben.

Elektronische Prüfungen: Nur eine Frage der Technik?

Auf den Seiten der HIS GmbH kann man sich die Vortragsfolien der Referenten einer Tagung zum Thema „elektronische Prüfungen in Hochschulen“ (November 2008) anschauen. Hier findet man sehr interessante Beispiele, Hinweise auf Erfahrungen und erste Studien.  Der Schwerpunkt liegt auf verschiedenen Formen von Klausuren, deren Notwendigkeit mir durchaus einleuchten. In vielen der Vortargsfolien wird auch darauf hingewiesen, dass mit der Bologna-Reform der Bedarf an elektronischer Unterstützung aufgrund des erhöhten Prüfungsaufkommens steigt. Die Gründe für die Bemühungen um das Thema E-Assessment sind also allem voran quantitativer Natur. Ob das im Sinne der ersten Bologna-Deklaration war, darf allerdings bezweifelt werden: Sollte es nicht auch um mehr Qualität in der Lehre (und damit auch Prüfungen) gehen? Um eine Kompetenzorientierung? Ich befürchte, wir haben bereits die Chance auf eine grundlegende Reform unseres Prüfungswesens verpasst: Bologna hätte – theoretisch zumindest – auch Anlass sein können, die Art des Prüfens grundsätzlich zu überdenken. Neue Entwicklungen auf dem Sektor der digitalen Technologien hätten ebenfalls eine (kleine) Chance hierzu sein können, die ja auch z.B. in verschiedenen E-Portfolio-Initiativen zumindest durchscheint.

Die Realität aber ist getrieben von den quantitativen Argumenten – das ist wie ein Strudel, der einen immer weiter runterzieht. Um nicht missverstanden zu werden: Ich denke, man kann/muss schon auch Klausuren schreiben und da bieten gute technische Systeme sicher eine ganze Reihe Erleichterungen (Stichwort E-Assessment). Die Vorträge bzw. das, was man als Nicht-Teilnehmer an dieser Veranstaltung aus den Vortragsfolien herausziehen kann, zeigen genau das gut. Trotzdem vermisse ich eine ernsthafte Diskussion über die Prüfungskultur und die damit zusammenhängenden Folgen für Lernen und Lehren. Allein der letzte Vortrag von Cornelia Ruedel aus Zürich hat darauf stellenweise Bezug genommen (dort habe ich dann auch einer meiner eigenen Folien entdeckt, die ich bei einem Online-Vortrag  bei e-teaching.org im Dezember 07 gehalten hatte).

Für mich ist das Assessment ein Schlüsselthema und zwar in Schule, Hochschule und Weiterbildung gleichermaßen: Bldungsinsitutionen sind immer auch Orte der Selektion, sie sind Gate-Keeper für die weitere Laufbahn und sie vergeben Zertifikate, wodurch sie einen hohen Machtfaktor erlangen. Durch Evaluationen, Kundenorientierung und andere Marktprinzipien mag das an vielen Stellen aufweichen und gar nicht mal immer Entwicklungen in bessere Richtungen anstoßen. Fakt ist, dass das Lernen wie auch das Lehren durch die Art des Prüfens mitbestimmt wird. Von daher bräuchten wir hier viel größere Anstrengungen als sie bisher erkennbar sind – und zwar Anstrenungen nicht nur technischer, sondern auch methodischer, inhaltlicher und normativer Art!

Personal Learning Environments in der Schule

Wieder ein „me-too-Beitrag“? 😉 Bei Beat habe ich die Ankündigung zu einer interessanten Tagung mit dem Titel „Personal Learning Environments“ in der Schule gelesen, die am 13.03.2009 in Goldau stattfindet. Dabei heißt es im Ankündigungstext u.a.: „Die Tagung erweitert den Begriff des Personal Learning Environments um alle medialen Werkzeuge, mit denen Lernende ihren Lernprozess verstärkt selbst gestalten können. Persönliche Hardware und Software unterstützen Lernende darin, eigene Lernziele zu setzen, ihren Lernprozess zu organisieren und zu steuern, Materialien und Ergebnisse zu sammeln und zu verknüpfen und sich mit anderen auszutauschen. E-Portfolios, elektronische Lerntagebücher und persönliche Geräte begleiten damit das eigene Wissensmanagement im Lernprozess.“

Das klingt zum einen sehr interessant; vor allem finde ich wichtig und spannend, wenn man (endlich) beginnt, die bestehende mediale Umwelt der Schüler, die sie außerhalb des Unterrichts ganz selbstverständlich nutzen, auch in der Schule endlich zur Kenntnis zu nehmen und daran anzuknüpfen.

Zum anderen könnte man fast von einem Déjà-Vu-Erlebnis sprechen, denn ich kann mich noch gut an die Diskussionen um den Begriff der „Lernumgebung“ anstelle des Begriffs „Unterricht“ erinnern – das war Mitte der 1990er Jahre, als man sich noch scheute, selbst von einer „Lernumgebung“ zu sprechen, die genau das auch umfassen sollte, was der obige Ankündigungstext verspricht: nämlich ein Arrangement von Materialien, Medien, aber auch situationalen Gegebenheiten. Auch dass der Wissensmanagement-Begriff nun wie selbstverständlich auftaucht, war noch Mitte der 1990er Jahre undenkbar: Allein die Assoziationen, die das „Management“ hervorrief, führte zu gewaltigen Abwehrreaktionen unter den pädagogisch orientierten Wissenschaftlern. Ein Fortschritt?

Heute gehe ich mitunter selbst etwas auf Distanz zum Wissensmanagement-Begriff, auch wenn mich das Thema weiterhin begleitet! Aber man muss sich in Acht nehmen, dass damit (im hier gegebenen Kontext) nicht eine verkürzte Sichtweise transportiert wird, die suggeriert, mit der Verfügbarkeit geeigneter (technischer) Werkzeuge ließen sich Informations- und Kommunikationsherausforderungen von heute spielend bewerkstelligen und „in den Griff bekommen“.

Das „Handwerkszeug“ der Sprache möglichst gut beherrschen, lernen, (wieder) Fragen zu stellen, zu hinterfragen, aber sich auch ausreichend informieren, bevor man die Dinge in Frage stellt – all das dürfen wir auch in einer Personal Learning Environment nicht vergessen. Und ich sehe nicht, wo und wie man sich genau darum in unserem Bildungssystem wirklich ernsthaft mit ausreichend Zeit und Energie bemüht …. Aber sollten uns die digitalen Medien hierfür wieder eine Art Trojanisches Pferd bieten – na klar, dann bin ich dabei :-).  Dumm ist dann nur wieder, dass wir lange erklären müssen, worum es uns eigentlich geht, weil wir die Medien vor uns hertragen und den Verdacht streuen, wir würden diese (als Selbstzweck?) ins Zentrum stellen.

Aber vielleicht wird das ja auch auf dieser Tagung diskutiert, die in jedem Fall (das wollte ich nicht in Abrede stellen) ein wichtiges Thema aufgreift. Viel Erfolg!!

Wer glaubt an uns?

So, nun ist der nächste Antrag gescheitert (Wissensmanagement im Sport bzw. genauer: bei Trainern im Leistungssport, wobei das schwer artikulierbare Erfahrungswissen im Mittelpunkt stand), der zumindest in der zweiten Runde war. Offenbar waren auch alle zentralen Kriterien erfüllt, denn die Begründung für die Ablehnung (ein Satz!) wirkte denn doch etwas an den Haaren herbeigezogen. Okay – 2008 ist an sich ein gutes Jahr: Obama hat die Wahl gewonnen (und so sieht der Jubel aus: hier) und wen kümmern da (meine Person mal ausgenommen) abgelehnte Anträge aus einem Fach, dessen Beitrag zu Innovation und Wirtschaftskraft unseres Landes nicht eben hoch gehandelt wird.

Aber zum Verzweifeln ist es trotzdem: Noch nie habe ich so viele Anträge mit verschiedenen Strategien und Partnerschaften auf den Weg gebracht wie dieses Jahr (mir dabei Ostern und einen Teil meines Sommerurlaubs um die Ohren geschlagen) und noch wie war die Drittmittel-„Ausbeute“ so klein (oder besser mickrig) wie dieses Jahr. Also es ist ja ein Glück, dass ich meine Identitätskrise mit dem Übergang ins zweite Lebensjahrzehnt und das Scheitern meiner Ehe im Übergang zum dritten Lebensjahrzehnt hinter mich gebracht habe, so dass ich jetzt zumindest nicht flankiert von persönlichen Tiefs ins vierte Lebensjahrzehnt eine Art berufliche Krise mitnehme (ja okay, ich bin schon 43). Denn ein bisschen kommt mir das schon so vor: Sowohl in der Lehre (Stichwort Bologna) als auch in der Forschung (Stichwort Fördergelder) wird der Scherbenhaufen vor meinen Füßen größer. Was Bologna angeht, so bin ich bald soweit, dass ich meine Aussagen, die ich noch 2006 gemacht habe, revidiere: Was man via Akkreditierung aus der Bologna-Idee macht, kann man an sich als vernünftiger Mensch nicht mehr mittragen wollen (dass man dann quasi dazu gezwungen wird, es doch zu tun, fördert nicht gerade das persönliche Wohlbefinden). Und was die Forschungsförderung betrifft, so schwanke ich zwischen Resignation, Wut und Selbstbeschwichtigung, dass es zum einen keinen Sinn hat, sich aufzuregen und den Eindruck zu erwecken, beleidigt zu sein, und dass es zum anderen wahrscheinlichen vielen wie mir geht (und nur wenigen anderen eben anders).

Vielleicht sollte man eine Datenbank eröffnen mit gescheiterten Anträgen? Aber das hätte womöglich nur eine Art Friedhofscharakter. Dann vielleicht ein Portal mit „low budget-Projekten“, bei denen man potenziellen Förderern zeigt, was man schon geleistet hat, statt nur zu versprechen, was man mit Geld alles leisten könnte? Das wäre vielleicht konstruktiver. Und das könnten wir dann mit dem Titel belegen: „Wer glaubt an uns (und unser Institut) und fördert unsere Arbeit und Ziele?“ Wenigstens glauben die Amerikaner an Obama – und das ist freilich wichtiger – jetzt ohne jede Ironie! 🙂

Googelst du noch oder forscht du schon?

Googelst du noch oder forscht du schon?“ Erst dachte ich ja, hinter diesem Titel würde sich bei bildungsklick.de vielleicht ein kritischer Beitrag über die schnelle Suche im Web verbergen, die das Nachdenken, Planen, gezielte Handeln und anschließende Reflektieren (wie man es zumindest in der Forschung noch erwartet) thematisiert. Aber es war dann doch „nur“ zum einen ein Hinweis auf etwas marktschreierisch klingende Trendstudien, die den Nachwuchswissenschaftlern „Turbulenzen“ prophezeien, weil sie sich zunehmend mit den Forschern aus aller Welt messen müssten (ist das neu?).

Zum anderen informiert der Beitrag über ein neues Kommunikations- und Informationssystem für den wissenschaftlicher Nachwuchs, das noch heute (am 28. Oktober) im Rahmen der Tagung „Lust auf wissenschaftliche Karriere in Deutschland! Wege, Förderungen und Netzwerke im Überblick“ (siehe hier) online gehen soll. Na gut: Ich bin gespannt und werde mir das natürlich auch ansehen. Kann ja wahrlich nicht schaden, den wissenschaftliche Nachwuchs zu fördern, allerdings müsste man parallel zur Information auch die Bedingungen verbessern.

Der Beitrag in bildungsklick.de jedenfalls geht mir ein wenig auf die Nerven: Es ist einer dieser typischen Artikel, die auch Wissenschaft und Forschung zunehmend instrumentalisieren bzw. auf die Funktion einengen, die Wirtschaftskraft unseres Landes voranzubringen. Mehr Reichtum in unserem Land werden die wachsende sozialen, religiösen und ökologischen Probleme aber nicht lösen, ebenso wenig das alleinige Vertrauen auf technische Innovationen – vor allem wenn uns gleichzeitig die „Denkkraft“ für soziale Innovationen verloren geht.

Ein großes Dankeschön an die Bildungspolitik

Auf der Web-Seite der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wird u.a. in den FAQs die Frage beantwortet, ob alle, die einen Bachelor haben, in einen Master-Studiengang wechseln können. Da heißt es: „Grundsätzlich berechtigt der Bachelor zur Aufnahme eines Master-Studiums. Zusätzlich zu einem ersten berufsqualifizierenden Studienabschluss kann die Hochschule weitere Zulassungskriterien festsetzen, zum Beispiel ein Test oder ein Auswahlgespräch. Der Bachelor gilt zunächst als Regelabschluss, d.h. sicherlich werden nicht alle Studierenden direkt im Anschluss einen Master-Studiengang beginnen. Ein Teil der Studierenden wird zunächst in das Berufsleben eintreten und unter Umständen nach oder begleitend zu einer Berufstätigkeit ein Masterstudium aufnehmen.“ Soweit die Theorie oder sollten wir besser sagen: die unbestimmte Ahnung der HRK?

In einer bereits einige Jahre zurückliegenden Befragung der HIS GmbH wird deutlich, dass immerhin 4/5 der Bachelor-Absolventen einen Master machen wollen. Das entspricht auch in etwa unserer Erfahrung im Studiengang Medien und Kommunikation. Davon, dass der Bachelor also Regelabschluss ist, kann keine Rede ist. Interessanter Weise erkennt nicht mal die Universität (jedenfalls die unsrige) einen BA-Abschluss als Voraussetzung dafür an, z.B. als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Drittmittelprojekt arbeiten zu können (gleichzeitig wird diskutiert, ob und wann man gleich nach dem BA promovieren könnte – wie absurd!)

Zwei Probleme tun sich aus meiner Sicht aktuell besonders stark auf:

  1. Investitionen seitens der Länder konzentrieren sich komplett auf den Bachelor: Es zählen neue Studienplätze, aber ausschließlich Bachelor-Plätze (damit die Abiturienten versorgt werden können)! Diesen Studierenden suggeriert man zwar, dass sie nachher einen Master dranhängen können, man verschweigt ihnen aber, dass es in vielen Fächern viel zu wenige Master-Plätze gibt, denn dafür dürfen neue Ressourcen, die man den UNiversitäten gibt, gar nicht verwendet werden (vielleicht hofft man darauf, dass vielen nach einem Klausur-bestückten BA-Studiengang die Lust auf Uni ohnehin vergangen ist). Das ist nicht nur eine üble Täuschung der Studierenden, sondern das nimmt uns auch die Chance für eine vernünftige Nachwuchsförderung.
  2. Selbst auf der operativen Ebene hat man irgendwie alles nur zur Hälfte, aber bestimmt nicht zu Ende gedacht: Wer wie wir als Einzelperson im Schnitt ca. 30 Erstgutachten pro Semester zu erstellen hat und wer, wie wir alle, ganz offiziell drei Monate Zeit für Gutachten erhält, der kann innerhalb weniger Wochen nicht alle Abschlussarbeiten gelesen und korrigiert haben – aber genau das wäre für die Studierenden nötig, um anschließend an den Bachelor- in einen Master-Studiengang übergehen zu können. Diese Studierenden hängen komplett in der Luft – sowohl an der eigenen Uni und noch mehr, wenn sie nach dem Bachelor in den Master einer anderen Uni wechseln wollen. Selbst die Mobilität im eigenen (Bundes-)Land wird da schnell zum Spießrutenlauf. Die Studentenkanzleien und Prüfungsämter scheinen mir allerorten überfordert zu sein – und überrannt von Beschlüssen, die keine praktische Grundlage haben.

Vielen Dank an die Bildungspolitik, kann ich da nur sagen: Vielen Dank für die sorgfältigen Planungen und realistischen Einschätzungen. Vielen Dank auch, dass es völlig egal zu sein scheint, welche Erfahrungen sich aktuell an vielen Universitäten anhäufen, ohne dass diese auch nur irgendwie zur Kenntnis genommen werden!

Es lebe die Lehre

Die erste Woche des Wintersemesters ist nun schon wieder vorüber. Nach einem sogenannten Forschungsfreisemester (das erste nach sieben Jahren Lehre non-stop) – gemeint als Semester, in dem man sich vor allem der Forschung widmet und daher von der Lehre freigestellt ist (leider aber war es eher ein „Verwaltungs-Vollsemester“, in dem ich weniger Zeit für Forschung als jemals zuvor hatte) – hatte ich mich innerlich auf stressige Wochen eingestellt: Könnte ja sein, dass man sich zu rasch an „Nicht-Lehre“ gewöhnt. Vier Veranstaltungen, Sprechstunden und viele Fragen zwischen Tür und Angel und einige Prüfungen liegen hinter mir, sogar drei Abschlussarbeiten habe ich schon gelesen (leider liegen noch ca. 25 in meinem Regal), aber ganz ehrlich: Verglichen mit dem bürokratischen Wahnsinn, aberwitzigen Bologna-Folgen und Kämpfen mit einer (teilweise) überforderten Verwaltung hat man doch das Gefühl, was Vernünftiges und Sinnvolles zu leisten, wenn man mit Studierenden zu tun hat, sie in ihr erstes Semester begleitet, beim Überwinden von Hürdern bei der Abschlussarbeit hilft und versucht, das eigene Wissen weiterzugeben. Liebe Studierende: Auf der Stress-Skala rangiert ihr bei mir ganz unten und fast immer macht es Freude, mit euch zu arbeiten (Ausnahmen gibts freilich immer mal).

Natürlich kann und will ich die Gründe für meinen „Bürokratie-Frust“ hier nicht konkretisieren – auch wenn es mir manchmal in den Fingern juckt und es vielleicht die Leserzahlen in die Höhe treiben würde, könnte sich doch so mancher Hochschullehrer oder Mitarbeiter sicher wiedererkennen und zumindest das Gefühl haben, mit Erlebnissen aus dem Reich der Verwaltung nicht allein zu sein.  Ich weiß ja nicht, ob es richtig ist, dass wir uns als Wissenschaftler diese immense Bürokratisierung so sang- und klanglos gefallen lassen (ich habe aber bis dato auch noch nichts dagegen unternommen, sondern es als gegeben hingenommen). Aus meiner Sicht steckt hinter der aktuellen Überregulierung und fortschreitenden Formalisierung von zunehmend mehr Abläufen (was immer mit Anträgen beginnt, die sich dann so häufen, dass sie gar nicht mehr in erträglichen Zeitabschnitten bearbeitet werden können) ein tiefes Misstrauen gegenüber Hochschullehrern und Studierenden – anders kann ich mir den Evaluations-, Kontroll-, Antrags- und Regelungswahn nicht erklären. Kapiert habe ich inzwischen allerdings auch, dass Ängste der Unileitungen vor klagenden Studierenden zumindest mit zu den Gründen gehören, warum wir sogar als Hochschullehrer mitunter zu kleinen Hobby-Juristen avancieren und lustige gesetzesartige Sätze am laufenden Band produzieren müssen.

Es wäre – so denke ich – einfacher, wenn es hohe ethische Standards auf beiden Seiten (bei Lehrenden wie Studierenden) gäbe, die es erlauben, mit einem Minimum an Regelungen auszukommen, an die man sich dann aber auch zu halten hat. Die vielen Ausnahmen, Fristverlängerungen und sonstigen Extras, die leider auch die Studierenden viel zu oft wollen und verlangen, tragen wohl schon mit dazu bei, dass – wie im Steuerrecht – immer mehr Formalismen erfunden werden, die recht schnell keiner mehr so recht kennt und versteht. Demnächst brauchen wir wohl analog zum Steuerberater den „Ordnungs-Berater“, der bei der Auslegung von Studien- und Prüfungsordnungen und sonstigem Regelwerk hilft. Ich werde den ersten Antrag auf solch einen Berater stellen: Vielleicht kann ich dann im nächsten Forschungsfreisemester (das wäre dann 2015 ;-)) tatsächlich Forschung praktizieren