Erfolgreicher, guter oder qualitätvoller Unterricht?

Schon oft ist die Allgemeine Didaktik totgesagt oder als Verliererin gegenüber der erstarkten empirischen Bildungsforschung bzw. Unterrichtsforschung dargestellt worden. Solche Aussagen beziehen sich in der Regel auf den Kontext Schule – obschon auch die Hochschuldidaktik eine allgemeine (weil für alle Disziplinen/Fächer sprechende) Didaktik ist. Erfreulicherweise gibt es doch immer wieder neue und fundierte Auseinandersetzungen mit der (Allgemeinen) Didaktik.

Zwei aktuelle Beispiele dafür sind aus meiner Sicht die Schrift „Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung. Unterricht im Lichte wissenschaftlicher Perspektivendifferenz“ von Martin Rothland (online hier) sowie der Text „Allgemeine Didaktik als Theorie eines erziehenden Unterrichts mit Bildungsanspruch“ von Thomas Rucker (online hier). Beide Beiträge sind allerdings wiederum auf den Schulbereich begrenzt; ich meine aber, man kann aus ihnen auch für die Hochschuldidaktik etwas lernen. In diesem Blogpost beschäftige ich mich zunächst mit der Schrift von Rothland und im nächsten Post mit dem Text von Rucker.

In seinem knapp 100 Seiten umfassenden Buch „Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung. Unterricht im Lichte wissenschaftlicher Perspektivendifferenz“ vergleicht Rothland systematisch die Forschungszugänge (bzw. „Traditionen“) der quantitativen Unterrichtsforschung (mitunter wird das synonym zur empirischen Bildungsforschung verstanden), der qualitativ-rekonstruktiven Unterrichtsforschung (auch als Praxeologie bezeichnet) und der Allgemeinen Didaktik. Der Vergleich wird in Bezug auf fünf Fragen vorgenommen: (1) Wie wird mit Normativität umgegangen? (2) Wie wird Unterricht (als Interaktionsgeschehen) verstanden? (3) Mit welchen Zugängen nähert man sich dem Lernen und zu vermittelnden (Fach-)Wissen? (4) Wie werden fachübergreifende Einflüsse und Wirkungen des Unterrichts berücksichtigt und begründet? (5) Wie ist die Position zu Kausalitätsannahmen und Planbarkeit von Unterricht?

Rothland führt aus meiner Sicht nachvollziehbar aus, dass alle drei Forschungstraditionen zusammen unterrichtskonstituierende Elemente und Aspekte beleuchten, einzeln aber je eigene blinde Flecken haben und am Ende aufeinander angewiesen sind. Das überrascht vermutlich nicht weiter, und aus meiner Sicht ist diese (hier freilich verkürzt formulierte) Folgerung auch nicht das Zentrale an Rothlands Schrift. Entscheidender sind der Argumentationsgang und die genaue Analyse der drei Forschungszugänge, die an vielen Stellen – für mich – erhellende Erkenntnisse bereithalten. Von daher kann ich nur dazu ermuntern, nicht nach Zusammenfassungen der Buchinhalte zu suchen (oder ChatGPT danach zu fragen), sondern die Ausführungen in der Gänze selbst zu lesen.

Eine auch für die Hochschuldidaktik höchst relevante Passage gegen Ende des Buches (Rothland, 2024, S. 89) befasst sich mit dem Unterschied zwischen (a) effektivem bzw. erfolgreichem Unterricht (Unterricht, mit dem gesetzte Ziele erreicht werden), (b) gutem bzw. angemessenem Unterricht (Unterricht, der einen aktuellen normativen Standard erfüllt), und qualitätsvollem bzw. qualitativ hochwertigem Unterricht. Ein qualitätsvoller Unterricht (quality teaching) entspreche beiden Normen bzw. Zielen, das heißt, er basiere sowohl auf gutem (good teaching) als auch auf erfolgreichem Unterricht (successfull teaching). Die verschiedenen Forschungstraditionen tragen dazu jeweils Unterschiedliches bei.

An vielen Stellen habe ich mich als Leserin mit meinen eigenen Erfahrungen und Einschätzungen wiedergefunden, andere Details waren mir nicht so klar, wie sie Rothland ausführt. Natürlich finde ich es schade, dass gestaltungsbasierte Ansätze wie Design-Based Research keinen Eingang in diese klärende Analyse gefunden haben, zumal da DBR im Schulkontext immer mehr praktiziert wird. Daneben würde ich in Frage stellen wollen, ob man die Allgemeine Didaktik wirklich als „Forschungszugang“ verstehen muss, oder nicht auch als (Teil-)Disziplin auffassen kann, die sich verschiedener Zugänge bedient – auch wenn sie, das muss man eingestehen, historisch betrachtet vor allem theoretisch-normativ gearbeitet hat. Würde man also DBR hinzunehmen und die Allgemeine Didaktik als Disziplin ansehen, dann könnte man empirische Forschungszugänge (ausdifferenziert in quantitativ und qualitativ arbeitende), (bildungs-)theoretische Forschungszugänge und gestaltungsbasierte Forschungszugänge einander gegenüberstellen und vergleichen.

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