From inside the body of knowledge

Eher zufällig habe ich einen Text von Paul Ashwin entdeckt, der bereits Ende letzten Jahres veröffentlich worden ist: „Why knowledge is central to ‘graduateness’ – implications for research and policy“. In diesem Beitrag dokumentiert und diskutiert Ashwin Befunde aus einer siebenjährigen Längsschnittstudie mit 74 Personen, die Chemie und Chemieingenieurwesen in England, Südafrika und den USA studiert haben und bis zu vier Jahre nach ihrem Abschluss begleitet wurden. Die Studie zeigt, dass es für mehr als drei Viertel der Absolventen das Wichtigste ist, Fachwissen aus dem Studium der Chemie oder des Chemieingenieurwesens aufgebaut zu haben. Der Fachwissenserwerb sowie die Art und Weise, wie das Wissen das eigene Denken und Handeln prägt, spielen demnach, diesen Befunden zufolge, eine zentrale Rolle. Ich habe den Text als Ergänzung zu meinen Überlegungen gelesen, die ich zum Fachwissen im Zusammenhang mit generativer KI verfasst habe (siehe hier).

Ashwin wendet sich mit seinen Ergebnissen und deren Deutung explizit gegen einen Verwertungsansatz in der Hochschulbildung: Er kritisiert, dass die Konzentration auf „employment outcomes and employability“ häufig mit einer Geringschätzung und Vernachlässigung des Fachwissens einhergehe. Mit seinen Ergebnissen sieht er einen Beleg dafür, wie wichtig es ist, Studierende in einer Disziplin einzuführen und ihnen die Möglichkeit zu geben, zu denken und zu handeln wie – im aktuellen Fall – ein Chemiker oder Chemieingenieur (was sich jeweils unterscheide und die unterstreiche, dass Hochschulen die Unterschiede in den Fachkulturen berücksichtigen müssten). 

Die Resultate der Studie deuten nach Ashwin darauf hin, dass es einen Unterschied macht, ob Studierende ihrem Studium eine intrinsisch motivierte Haltung – wörtlich „from inside the body of knowledge“ – oder mir einer extrinsischen („from outside“) entgegenbringen und Wissen als etwas betrachten, das nützlich, aber auch austauschbar ist. Ashwin folgert, dass Absolventen mit einer außen gesteuerten Beziehung zum Wissen stärker mit Annahmen übereinstimmen, wie sie in der Humankapitaltheorie vertreten wird. Diejenigen, die sich mit der Welt aus dem Fach und seiner Wissensbasis heraus beschäftigten, würden eine stärkere Übereinstimmung mit (Hochschul-)Bildungstheorien zeigen.

Ashwin argumentiert auf der Basis empirischer Befunde, nimmt eine tendenziell bildungssoziologische Perspektive ein und verankert seine Erkenntnisse im Kontext hochschulpolitischer Forderungen nach Beschäftigungsfähigkeit. Meine eigene Auseinandersetzung mit der Rolle des Fachwissens ist theoretischer Natur sowie didaktisch motiviert und nimmt die Verbreitung generativer KI zum Anlass. Im Ergebnis aber wird in beiden Fällen deutlich, dass wir die fachwissenschaftliche Enkulturation in akademischen Studiengängen auf keinen Fall zugunsten von aktueller Arbeitsmarktvorbereitung und verschiedenen Zukunftskompetenzen vernachlässigen dürfen.

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