„Was sind Bildungswissenschaften? Systematik vielfältiger Auffassungen in der wissenschaftlichen Literatur“ – so der Titel eines aktuellen Beitrags von Felix Schreiber und Colin Cramer in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft – online hier abrufbar. Viele, die in irgendeiner Weise bildungswissenschaftlich tätig ist, werden hier vermutlich aufhorchen und sich neugierig an die Lektüre machen, denn: In der Tat ist es ausgesprochen schwer bis unmöglich zu erklären, was denn Bildungswissenschaft (Singular) ist bzw. was Bildungswissenschaften (Plural) sind.
Die Autoren nehmen sich dieser Frage an bzw. fragen genauer danach, welche Auffassungen von Bildungswissenschaft(en) sich in der wissenschaftlichen Literatur finden, wie stark sie vertreten sind und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Das Verfahren („Conceptual Systematic Review“) ist aufwändig und stellt sich als eine Mischung konzeptioneller und empirischer Vorgehensweisen heraus. Ohne ins Detail zu gehen, die methodischen Schritte vernachlässigend und in der Absicht, ein paar wichtige Erkenntnisse herauszuziehen, würde ich jetzt mal als einige zentrale Ergebnisse festhalten:
Die bestehenden Auffassungen von Bildungswissenschaft(en) sind höchst verschieden. Es werden damit sowohl definitorische oder diskursive (Um-)Definitionen angestrebt als auch institutionelle Aufgaben angegangen. Dominant sind die Auffassungen „Bildungswissenschaft(en) als ‚Komponente der Lehrer:innenbildung“ sowie „(Neu‑)Bezeichnung für Pädagogik und Erziehungswissenschaft‘. Daneben gibt es verbreitete Auffassungen, die eher Entwicklungsrichtungen (z.B. Kompetenzorientierung oder Reflexivität) anschieben oder kritisieren. Auch widersprüchliche Auffassungen werden deutlich. Kurz: Diese Studie bestätigt, was einem in der hochschulischen Praxis begegnet und leider auch oft ratlos macht.
Nur einen Begriff, eine Entwicklungsrichtung, einen Bildungssektor sucht man vergeblich – sowohl in den Kernabschnitten des Textes als auch am Schluss bei der Darstellung der Grenzen der Studie: Hochschulbildung bzw. Hochschuldidaktik scheinen als bildungswissenschaftliches Feld, als (Sub-)Disziplin, als Perspektive etc. nicht zu existieren in der Welt der Bildungswissenschaft(en). Bereits im „Textkorpus“ für die Studie wird dieser Aspekt ausgeblendet – obschon doch die Hochschulbildung rein von der Größenordnung her der Schulbildung zumindest immer näher kommt, zählt man neben Universitäten die zahlreichen anderen Hochschultypen hinzu. Ist es die notwendige Selbstreflexion der Erziehungswissenschaftler und/oder Bildungswissenschaftlerinnen, die mit der Integration von Hochschulbildung/Hochschuldidaktik verbunden wäre, die hier hemmend wirkt? Oder gibt es andere Gründe? Vor acht Jahren habe ich auf das Thema der mangelnden Verortung von Hochschulbildung/Hochschuldidaktik schon mal in diesem Blog hingewiesen (nämlich hier). Es scheint sich also wohl um ein relativ stabiles Phänomen zu handeln …