Wer spricht noch vom forschenden Lernen bzw. vom studentischen Forschen, wenn generative Künstliche Intelligenz (KI) die hochschuldidaktische Diskussion beherrscht? Tatsächlich scheint es ruhiger geworden zu sein um die Frage, wie man Forschen, Lehren und Lernen miteinander verknüpft – jedenfalls ruhiger als noch vor fünf Jahren, als ich mit Ludwig Huber das Buch „Vom forschungsnahen zum forschenden Lernen an Hochschulen“ veröffentlichen konnte. Nur am Rande: Ich denke, dass es wichtige Verbindungen zwischen den Herausforderungen rund um generative KI in der Hochschulbildung und einem Lernen gibt, das sich nah an der Forschung bewegt. Viel Literatur gibt es dazu im Moment allerdings noch nicht. Immerhin aber werden trotz generativer KI noch (wenn auch weniger) Artikel zum forschenden Lernen publiziert – so z.B. der Beitrag „Faculty members’ perceptions and students’ experiences of research‑based curricula: a multiple case study of four undergraduate programmes“ in der Zeitschrift Higher Education. Auch wenn KI hier keine Rolle spielt, fand ich den Text interessant und lesenswert.
Wie der Titel bereits nahelegt, berichtet der Text über eine Studie, die an zwei Universitäten (in Hongkong) vier verschiedene Studiengänge mit der Frage untersucht hat, ob und inwieweit sie ein forschungsorientiertes Curriculum umsetzen und wie Lehrpersonen und Studierende das wahrnehmen. Unter einem forschungsorientierten Curriculum verstehen die Autoren Studiengänge, die Studierenden in einer koordinierten Form von Anfang bis Ende eines Studiums Forschungserfahrungen verschiedenster Art ermöglichen (ein Beispiel dafür hat Dilly Fung unter dem Titel „Connected Curriculum“ 2017 veröffentlicht). In der Umsetzung kann das variieren, was das Autorenteam der Studie anhand der vier untersuchten Fälle auch aufzeigen kann.
Interviews mit Studierenden und Lehrpersonen machen deutlich, dass forschungsorientierte Studiengänge (im oben definierten Sinne) insgesamt positiv gesehen werden, die Wahrnehmungen von Lehrpersonen und Studierenden aber klare Unterschiede aufweisen. Lehrpersonen sehen den Wert wiederholten (und variierenden) forschenden (oder forschungsnahen) Lernens darin, zu lernen, wie man wissenschaftliches Wissen generiert und vor allem auch kritisch bewertet. Für Studierende liegt der Wert eher darin, sich mit interessanten Themen zu beschäftigen; das Potenzial der Forschung, Wissen zu generieren, anzuwenden und zu überprüfen, erkennen sie häufig nicht. Für Studierende stellt sich Forschung nicht selten als Aufgabe dar, die zu erfüllen ist, und weniger als Chance, selbst neues Wissen zu schaffen. Die Hoffnung vieler Lehrpersonen, dass Studierende mit forschendem Lernen Interesse an Forschung entwickeln, geht nicht so oft auf, wie man sich das wünschen würde. Eher fühlen sich Studierende auch schon mal gestresst und verwirrt angesichts bestehender Flexibilität und Offenheit im Curriculum. Autonomie in eigenen Forschungsprojekten wird von studentischer Seite teils begrüßt, teils als Stressfaktor wahrgenommen.
Wer Erfahrung mit forschendem Lernen in der Hochschullehre hat, wird diese Beobachtungen aus der Studie vermutlich selbst auch schon mal gemacht haben: Dieses Konzept – so naheliegend es vor allem für forschungsstarke Universitäten ist – ist kein Selbstläufer.
Die Autoren des Textes folgern aus ihren Ergebnissen zum einen, dass es notwendig ist, die Kommunikation zwischen Studierenden und Lehrpersonen zu verbessern. Das scheint auch mir ein Knackpunkt zu sein, der übrigens genauso für den Umgang mit generativer KI gilt: Es braucht einen Diskurs zwischen Lehrpersonen und Studierenden zur Frage, was warum gelernt werden sollte, welches Wissen und Können aus Sicht der Lehrpersonen und aus Sicht der Studierenden (noch) relevant ist und welche Gründe sich dafür anführen lassen. Zum anderen verweisen die Autoren auf die Notwendigkeit, Studierende ausreichend zu unterstützen. Hier führen sie auch andere empirische Befunde an, die nahelegen, dass z.B. Mentorensysteme erfolgreich sind, wenn es darum geht, studentisches Forschen zu befördern. Auch das ist letztlich keine neue Erkenntnis: Am Ende sind wir wieder bei dem, was Felten als „relationship-rich education“ bezeichnet – in der Umsetzung aber an den meisten Hochschulen noch auf sich warten lässt.