631 Seiten umfasst ein neues Buch zum forschenden Lernen an Universitäten (hier) – herausgegeben von Jürgen Straub und sein Team (Ruhr-Universität Bochum). Das ist eine beachtliche Menge an Inhalten, die sich um vielfältige Aktivitäten zum forschenden Lernen drehen, teils vom Qualitätspakt finanziert, teils infolge offenbar nachhaltig verankerter Initiativen an der RUB ermöglicht.
Der Großteil des dicken Bandes gehört den „Best Practice-Projekten“, die aus fast allen Disziplinen und Fächern stammen. Auch die studentische Perspektive wird berücksichtigt. Daneben gibt es einige grundlegende Texte; als Gast durfte ich selbst auch einen Artikel beisteuern („Forschendes Lernen – ein Nukleus der Hochschuldidaktik“).
Der einleitende Text von Straub, Ruppel, Plontke und Frey mit dem Titel „Forschendes Lernen als Lern- und Lehrformat – Prinzipien und Potenziale zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ ist eine recht umfassende Auseinandersetzung (auf rund 50 Seiten), bei der auch kritische Fragen und Momente eine deutlich Rolle spielen: So wird hinterfragt, ob und inwieweit mit forschendem Lernen (im Sinne der eigenständigen Durchführung eines eigenen Forschungsprojekts) von Studierenden, zumal im Bachelor-Studium, nicht „allzu viel verlangt“ wird (S. 19). Gleichzeitig wird betont, dass forschendes Lernen „auch ein didaktisches Format für herausragende wissenschaftliche Begabungen“ ist und es entsprechend kontraproduktiv wäre, „anti-elitäre Haltungen und die egalitäre Orientierung am Durchschnitt zu einem ethisch-moralischen oder politischen Prinzip zu erklären“ (S. 23). Allerdings, so stellen die Autoren ebenfalls klar, sei es wichtig, überall nach Talenten zu suchen – auch da, wo gegebenenfalls Vorteile die Sicht verstellen könnten. Die Gefahr der Überforderung und die Sorge vor mangelnder Inklusion aller – ich denke, das sind in der Tat zwei wichtige Punkte beim forschenden Lernen, über die man offen sprechen muss.
Die Autoren des einleitenden Beitrags widmen den „kritischen Zwischentönen“ zum forschenden Lernen sogar ein eigenes Unterkapitel (S. 38 ff.): Dabei geht es nicht nur um die „Verwässerung der Idee“ hinter dem forschenden Lernen, sondern auch um die mögliche Instrumentalisierung von Studierenden für die Forschung oder die Gefahr „defensiven“ oder gar „fremdgesteuerten“ Lernens. Das Fazit der Autoren: „Forschendes Lernen ist kein Wundermittel, es taugt nicht zur therapeutischen oder reparativen Behandlung von Hochschulen, Fakultäten und Studiengängen, aus deren Curricula die wissenschaftliche Forschung im Zuge der Bologna-Reform beherzt vertrieben oder marginalisiert wurde. […] Forschendes Lernen kompensiert nicht den häufig zu beobachtenden Mangel an forschendem Lehren“ (S. 44).
Meine Einschätzung hierzu: Grenzen und Risiken sind mit allen hochschuldidaktischen Konzepten verbunden. Sobald Konzepte, Modelle, Methoden etc. direkt oder indirekt zum „Wundermittel“ erklärt werden, sollte man stets skeptisch werden. Auch das forschende Lernen hat Grenzen und Risiken, und entsprechend gefallen hat es mir, dass das Buch, das „Best Practices“ verspricht, mit einem ausgewogenen, durchaus kritischen, und nicht nur das allseits Bekannte wiederholenden Beitrag beginnt.