Feedback geben – es gibt viele gute Argumente wie auch Studien, die zeigen, dass die Rückmeldung an studentische Leistungen im Rahmen der Hochschule wichtig ist. Studierende beklagen überdies häufig einen Mangel an Feedback und geben entsprechend an, sich mehr davon zu wünschen. Ich meine, viel Feedback in meiner Lehre zu geben. In einer Veranstaltung, die ich mit dem Konzept „Lernen durch Lehren“ mache, bekommt jedes Lehrteam mindestens zwei Seiten schriftliche Rückmeldung dazu, was gut war, was man verbessern kann und wie man es verbessern kann. Die anderen Lehrteams, auch die, die Ihre Lehreinheit noch vor sich haben, können diese Feedbacks ebenfalls lesen. Auf die abschließenden Hausarbeiten, die 10 bis 12 Seiten umfassen, kommen in der Regel ebenfalls bis zu zwei Seiten Rückmeldung von mir. Das ist extrem aufwändig. Ich habe mal den Zeitaufwand für zwei Kurse über drei Monate lang (insgesamt 30 bis 40 Studierende) zusammengestellt und komme auf ca. 45 bis 50 Stunden allein (!) für die Formulierung schriftlicher Rückmeldungen (und mir geht das wahrscheinlich inzwischen recht schnell von der Hand – ein Novize kann da locker mal das Doppelte brauchen). Gut, das muss ich nicht machen, ich bin also selber schuld. Ich muss also folglich Gründe haben, warum ich es mache. Habe ich: Ich erhoffe und erwarte mir, dass die Studierenden das Feedback aufnehmen, verstehen, für sich nutzen und besser werden – so einfach. Ich möchte, dass die Studierenden besser werden.
Meine eigenen Lehrevaluationen sowie meine Beobachtung (oft gestützt durch Silvias Beobachtungen, die mich in den letzten Kursen immer begleitet hat, sodass ich weiß, dass es kein Verfolgungswahn ist) zeigen allerdings ziemlich deutlich: Die Rückmeldungen haben wenig bis keine unmittelbaren Wirkungen. Verbesserungsvorschläge werden kaum aufgegriffen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, wie viele der Studierenden das überhaupt lesen. Wenn sie es lesen, weiß ich nicht, ob sie es verstehen – mein Angebot nachzufragen, wird nämlich selten aufgegriffen. Falls sie es gelesen und verstanden haben, müssten sie es auch umsetzen – und davon sehe ich wenig. Die Rückmeldungen sind weitgehend so gestaltet, wie man „das so machen soll“: Informativ mit Hinweisen auf Stärken und Schwächen sowie konkreten Verbesserungsvorschlägen – oft auch mit Begründungen. Ein „handwerklicher Fehler“ beim Feedback sollte also eher nicht die Ursache sein. Nun ist das kein neues Problem und vielleicht kommt hier die Frage auf, warum ich das gerade jetzt schreibe (nachdem auch in Christians Blog hier kürzlich ein ähnlicher Beitrag für Diskussionsstoff gesorgt hat). Der aktuelle Grund: Zwei Studierende, die meine Kritik an zahlreichen unverständlich formulierten Botschaften in ihrer Arbeit darauf zurückführten, dass ich die Arbeit nicht richtig gelesen hätte …. Auf die Idee, dass es wohl eher umgekehrt sein könnte, dass also besonders gute Noten oft zustande kommen, weil manche Kollegen/innen diese Arbeiten genau nicht intensiv lesen, sind die beiden nicht gekommen. Sie beharrten darauf, „wissenschaftlich geschrieben“ zu haben, so wie es anderswo akzeptiert und nur von mir als unverständlich gewertet werden würde. Immerhin wurde dieses Feedback ja gelesen, wenn auch nicht verstanden, oder aber zwar verstanden, aber nicht akzeptiert.
So rechten Rat weiß ich mir keinen, wie man mit diesem Problem umgeht: Feedback geben ist anstrengend, Feedback annehmen und vor allem auch nutzen, allerdings auch (wir wollten dazu mal ein Forschungsprojekt machen, aber dafür haben wir leider keine Finanzierung bekommen – siehe hier). Fehlt es (manchen, vielen?) Studierenden an Anstrengungsbereitschaft? Die Vermutung habe ich mitunter schon, OHNE da alle unter Generalverdacht zu stellen. Wollen manche Studierende gar nicht besser werden? Auch das kann ein Grund sein, vor allem, wenn das Interesse an einem Thema oder gar am ganzen Fach fehlt. Haben einige Studierende (z.B. die besagten beiden) schlicht kein Vertrauen in die Lehrenden? Möglich ist das auch, jedenfalls in Einzelfällen wie dem geschilderten. So lange man keine Antworten auf diese Fragen hat, wird es wohl schwierig bleiben, das Problem zu lösen …. und die eigene Motivation aufrecht zu erhalten.
Einerseits kenne ich das auch. Auch ich gebe gefühlt recht viel Feedback auf Seminararbeiten (http://de.wikiversity.org/wiki/Benutzer:O.tacke/Gedanken_zur_Lehre#Betreuung_von_Arbeiten) und frage mich manchmal, ob das umsonst ist. Manchmal sehe ich in der Endfassung, dass die Kommentare nicht berücksichtigt worden sind.
Andererseits frage ich mich dann auch, ob die Kommentare dann überhaupt verständlich genug waren – kann man damit grundsätzliche Defizite beim Thema wissenschaftliches Arbeiten beheben? Zudem: Ich erlebe auch immer wieder das Gegenteil, dass gewissenhaft an der Arbeit gearbeitet wird, dass bei unklaren Anmerkungen nachgefragt wird. Und das zeigt mir, dass die Rückmeldungen ankommen; nicht bei allen, aber immerhin.
Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems fällt mir momentan nicht ein. Es gibt sicher eine ganze Reihe von Ursachen. Eine davon drängt sich mir förmlich auf:
Ich vermute, dass jungen Menschen von ihrer Einschulung an die Beschäftigung mit Rückmeldungen zu ihren Arbeiten förmlich aberzogen wird.
In den meisten Lehrkontexten kenne ich Rückmeldungen nur in der Form einer summativen, defizitorientierten Zensur ohne nähere Rückmeldung. Ist ein Thema in der Klassenarbeit oder ist der Stoff in der Modulprüfung einmal abgeprüft, haben Lernende keine Chance, diese summative Zensur noch einmal zu verbessern. Stattdessen schließt direkt das Abarbeiten eines ganz anderen Lernmoduls, verbunden mit der Vorbereitung eine ganz neue Prüfung an.
Meine Annahme ist also, dass Prüfungen in vielen Fällen häufig nicht aufeinander aufbauen, in fast allen Fällen summativ sind und keine Auseinandersetzung mit einer Rückmeldung vorsehen. Dadurch wird ein Lernprozess, der die Auseinandersetzung mit Rückmeldungen beinhalten könnte, systematisch ausgeschlossen. Der Lernprozess ist nicht in dem Objekt abgebildet ist, das durch die gesellschaftliche Struktur bedingt allein für die Karriere der Lernenden zählt: die Zensur.
Dazu kommt, dass eine Zensur – soweit ich das sehe – ein Maß dafür ist, wie stark ich als Mensch an den mir von Dritten gesetzten Maßstäben scheitere. Dritte haben mich in ihrer Gewalt und zwingen mich in ihre Maßstäbe. Das kann dazu führen, dass sich Lernende – bewusst oder unbewusst – mit der Rückmeldung nicht mehr auseinandersetzen, um Lehrenden Macht über sie zu verweigern.
Dieses ungleiche Machverhältnis habe ich in deinen Lehrveranstaltungen, nie gespürt, Gabi, und das habe ich immer als angenehm empfunden. Dass sich Lernende die Ablehnung von Rückmeldungen aus einem innerlichen Protest gegen herabwürdigende Machtverhältnisse heraus in früheren Lehrsituationen bereits angeeignet haben, das kann ich mir durchaus vorstellen.
Unter diesen vermuteten Voraussetzungen kann ich es unter Umständen gedanklich nachvollziehen, wenn sowohl die Auseinandersetzung mit Rückmeldungen von Lehrenden als auch die Selbstreflexion über den eigenen Lernprozess ausbleiben.
@Oliver: Auf jeden Fall spielt die Verständlichkeit einer Rückmeldung eine zentrale Rolle. Es müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein, damit Feedback seinen Zweck erfüllt: sich darauf einlassen und es rezipieren (1) – es kognitiv verarbeiten und verstehen (2) – es emotional verarbeiten und für weiteres Handeln nutzen (3). Meine Kernfrage (auch an mich selbst) ist, (a) ob nicht oft schon was bei Schritt 1 schief geht und (b) wie man speziell mit emotional-motivationalen Barrieren umgeht, die ich auf jeden Fall wahrnehme.
@Jan: Du ergänzt mit deinem Kommentar noch den insitutionellen Rahmen und das damit verbundene Abhängigkeitsverhältnis (Vergabe von CP und Noten) und hast damit natürlich völlig recht. Das universitäre Umfeld heute, in dem man als Studierender seine Leistung zeigt und darauf Rückmeldung erhält, ist nicht darauf ausgerichtet, eine Haltung des „besser Werdens“ zu entwickeln: Es geht darum, Punkte zu erwerben und möglichst gute Noten zu ergattern. Das Kompetenzgeschwätz ist da daher besonders ärgerlich, denn wir sind weit davon entfernt, Wissen, Können und Einstellungen zu fördern, die einen besser handeln lassen können. Aber um das zu ändern, nützt es nichts, das eine oder andere Modul unbenotet zu lassen. Da bräuchte man eine „richtige“ Reform, die darauf hinausläuft, Ziffernnoten ganz abzuschaffen und nur noch rein qualitative Bewertungen und am Ende vielleicht ein „mit Auszeichnung bestanden“, „bestanden“ und „nicht bestanden“ zu vergeben.
Gabi
Liebe Gabi,
wenn ich mich an meine Studienzeit erinnere, wusste ich von den meisten Fehlern, die ich in meinen Hausarbeiten produziert habe nichts, bis ich das erste Mal eine Arbeit nicht nur mit Note versehen, sondern auch mit angestrichenen Fehlern zurückbekam. Den Lernerfolg, der sich für mich daraus ergab, kannst du dir vorstellen 😉
Nun ist es natürlich immer so, dass es auch Feedbackresistente Studierende gibt, die ein Feedback nicht lesen, nicht annehmen wollen oder nicht umsetzen können. Natürlich fallen einem diese Leute besonders auf. Im Begleitstudium haben wir ja jetzt das System, dass der erste Projektbericht ein formatives Feedback erhält, das nicht in die Endnote mit eingeht und erst der letzte Projektbericht benotet wird. Ich stelle hier schon große Verbesserungen fest – auch wenn diese natürlich nicht zwangsweise durch mein Feedback gekommen sein müssen 😉
Auf der anderen Seite habe ich auch Studierende, die die Chance bekommen, ihren Bericht noch einmal zu überarbeiten (mit ausführlichem, eineinhalbseitigem Feedback zu Verbesserungsmöglichkeiten) und denen ich dann nach der Überarbeitung eine Note schlechter geben muss, als vor der Überarbeitung, weil sie meine Vorschläge nicht eingearbeitet haben und die neu eingefügten Abschnitte noch schlechter sind, als die alten. In solchen Fällen hätte ich auch gerne Feedback auf mein Feedback..
Ich finde trotzdem, dass man sich durch solche Studierenden nicht entmutigen lassen sollte – denn es gibt viele, die ein Feedback zu schätzen und nutzen wissen. Diese Leute fallen nur leider häufig nicht so stark auf, wie die „Feedbackresistenten“
Liebe Hannah,
mein Beitrag ist auch keine Ankündigung eines „Rückzugs vom Feedback“ (keine Sorge). Eher ist es eine Frage, wie man das „Aufwand-Nutzen-Verhältnis“ verbessern kann, denn das ist halt mitunter miserabel ;-). Der MuK-Studiengang wie auch das Begleitstudium allerdings haben – das weiß ich ja noch aus eigener Erfahrung in Augsburg – bereits SEHR gute Bedingungen, die man leider in vielen Studiengängen so nicht erreicht. Aber wie im Beitrag selbst schon gesagt, möchte ich keinesfalls alle Studierenden in eine „Kiste“ werfen, und in der Tat tendiert man dazu, vor allem die kritischen Fälle und Situationen wahrzunehmen – aber was sonst, wenn man selber auch besser werden will? 🙂
Gabi
Hallo!
An unserer Uni müssen die Studis in Gruppen einen Bericht über eine kleine Studie (Vorlesung Human Resource Management) machen. Wir machen es immer so, dass sie eine Vorab-Version einreichen können, auf die wir ein ausführliches Feedback geben. Meist sage ich recht offen, dass, wenn sie alles was ich angemerkt habe noch einarbeiten, es eine gute Note geben wird. Das sport an, das Feedback auch tatsächlich einzuarbeiten. Natürlich ist es etwas mehr Aufwand, weil man dann die endgültige Version der Arbeiten am Schluss ja noch mal lesen muss und benoten muss.
Das Abgeben einer Vorab-Version ist immer freiwillig, aber ich habe noch keine Gruppe erlebt, die das nicht genutzt hat.
Ein Freund von mir hatte da ein ähnliches, recht klares Rückmeldungskonzept. Die Noten wurden auch schlechter, wenn verspätet “geliefert” wurde. Die Anwendung setzt allerdings eine recht konsequente Haltung zum Thema Verantwortungsübernahme voraus, was nicht jedes Dozenten Sache ist. Diese Konsequenz (bei Erwachsenen!) wurde teilweise als (zu) wenig beschützend/zumutbar kritisiert. Leider ist das detaillierte Feedback-Konzept meines Wissens nie publiziert worden.
Aktuell assoziierte Gedanken finden sich hier
http://www.ehms.net/?story=4121 (Von Lernen, Verantwortung und Benotung)