Professor Meier von nebenan

Wir wissen ja: Immer dann, wenn Wochen-Zeitungen oder -Zeitschriften wie Focus, Spiegel und die ZEIT sich einem Bildungsthema annehmen, ist es auch wichtig – jedenfalls wichtig genug, um darüber nachzudenken, auch wenn man kein Bildungswissenschaftler ist. Digitale Medien geben hier gerne einen Anstoß – sei es über den Weg der digitalen Demenz oder den selbstbestimmt handelnder Edupunks. In der Spiegel-Ausgabe 3/2013 (dankenswerterweise hier ein Link zum Artikel) geht es aktuell um die Online-Vorlesung – inklusive Übungen, unter Umständen auch Prüfungen und Zertifikate. Nicht selbstverständlich ist, dass der Beitrag vergleichsweise ausgewogen auf die Chancen und Risiken der gegenwärtig viel diskutierten Massenlehrveranstaltungen im Internet verweist. Natürlich werden die bekannten Player genannt (Udacity, edX und Coursera), aber auch zwei deutsche Profs kommen zu Wort, die nicht nur über digitale Medien reden, sondern damit auch eigene Erfahrungen sammeln. Jürgen Handke etwa weist darauf hin, dass es vor allem für große und renommierte Unis interessant werden könnte, in die Online-Bildung via Massenveranstaltungen zu investieren. Immerhin hat man da am ehesten die Chance, die Stars unter den Wissenschaftlern quasi unter Online-Vertrag zu nehmen, die dann als Studentenmagneten wirken. Das klappt natürlich nicht mit „Professor Meier von nebenan“ (Handke). Neu sind die Pro- und Contra-Argumente, die da genannt werden, freilich alle nicht. Aber immerhin kommen sie öffentlich zur Sprache. Was mir allerdings hier und in den meisten anderen Artikeln dieser Art fehlt, ist der deutliche Hinweis, dass es auch bei diesen öffentlichkeitswirksamen Medienthemen um Hochschuldidaktik und darum geht, die Qualität der Hochschulbildung zu verbessern. Die Medien sind da selbstverständlicher Bestandteil.

Übrigens: Dass es immer wieder Personen und Hochschulen gibt, die sich hier trauen zu experimentieren, finde ich sehr wichtig, denn: Nur so können wir mittel- und langfristig erkennen, was für wen unter welchen Bedingungen einen Mehrwert hat. Und dafür brauchen wir dann auch Professor Meier von nebenan.

Durchhalten!?

Ich möchte in diesem Blog-Post ein (vielleicht typisches?) hochschuldidaktisches Problem schildern.

Ausgangslage: Über drei Veranstaltungen hinweg (innerhalb eines Studienjahres, denn bei uns gibt es Trimester) sieht der Leistungsnachweis für ein Modul so aus, dass eine kleine – ich sage mal – E-Portfolio-ähnliche Zusammenstellung der Bearbeitung von drei Aufgaben zu Modulende abzugeben ist. Jede Aufgabe besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil sucht man sich als Studierender eine Frage aus einer Liste von acht bis zehn Fragen aus, die man mit Hilfe von Literatur und der im Seminar erworbenen Kenntnisse auf ca. zwei Seiten beantwortet. Die Fragen sind so formuliert, dass sie genau zu den Inhalten in der Veranstaltung passen und jedem die Möglichkeit geben, das, was er/sie im Seminar erarbeitet hat, auch nochmal zu nutzen. Da aus jeder der drei Veranstaltungen zudem kleinere „Produkte“ resultieren (z.B. eine durchgeführte Unterrichtseinheit, ein selbst gestaltetes Medium, Ergebnisse einer eigenen Evaluation – alles Teamprodukte), besteht die zweite Hälfte der Aufgabe darin, auf maximal einer Seite, das jeweilige „Produkt“ kurz zu beschreiben und selbstkritisch einzuschätzen. Wie das genau aussehen soll, ist in einem Merkblatt (Merkblatt_Leistungsnachweis_Portfolio) festgehalten.

Feedbackangebot: Die Studierenden haben die Möglichkeit, ihre drei nacheinander zu erarbeitenden Aufgabenlösungen bis zu einer bestimmten Deadline (ca. zwei Wochen nach Veranstaltungsende) bei mir einzureichen, um ein Feedback zu erhalten. Mit diesem Feedback können sie ihre Arbeit verbessern. Ohne dass es negative Auswirkungen auf eine Note hat, kann also jeder vorab eine Einschätzung zur Qualität seiner Texte bekommen und kann sich im Prozess verbessern. Das Ergebnis am Ende kann dann eigentlich nicht mehr wirklich schlecht sein – im Idealfall (und das sollte die Studierenden freuen, ist aber auch ein Stein des Anstoßes etwa für den Wissenschaftsrat, der ja zu gute Noten beklagt – siehe z.B. hier).

Jetzt die große Frage: Wie viele von 49 Studierenden nehmen wohl diese Möglichkeit wahr? Sieben! Oder anders formuliert: im aktuellen Jahrgang nur jeder siebte Studierende. Nun wird vermutlich der Einwand kommen: Die Deadline ist zu knapp gesetzt. Das mag sein, erscheint mir aber letztlich nicht wirklich stichhaltig, denn wie sinnvoll ist es denn, mehrere Wochen oder gar Monate verstreichen zu lassen, wenn man dann die relevanten Inhalte für die Aufgabe nicht mehr frisch im Kopf und am Ende viel mehr Mühe hat? Und kann man nicht eine rudimentäre Zeitplanung erwarten, wenn Anforderungen und Termine alle rechtzeitig bekannt sind?

Wie geht man damit um? Dass theoretisch sinnvolle didaktische Angebote praktisch scheitern, ist nicht neu – also auch nicht neu für mich! Schwierig zu klären ist aus meiner Sicht, wie man am besten reagiert: (a) Das Angebot einstellen – erscheint mir nicht sinnvoll, denn man „bestraft“ diejenigen, die es ja annehmen. (b) Das Angebot ändern, sodass es „angenehmer“ wird – kommt ebenfalls für mich eher nicht in Frage; habe ich früher tendenziell gemacht; heute bin ich da zurückhaltender, denn Lernerfolge erfordern eben schon auch Anstrengung auf Seiten der Studierenden; ich sehe keinen Sinn darin, den „Wohlfühlfaktor“ permanent zu erhöhen, weil das am Ziel vorbeigeht. (c) Das Angebot beibehalten und durchhalten – liegt wohl am nächsten, weil es auch eine Frage der „Lehr-Lernkultur“ ist, wie man mit Feedback umgeht; und das ist nun mal ein eher längerer Prozess.

Eine Panne am Ende

An sich sollte sie ja schon erschienen sein – die letzte Ausgabe der ZEL (Zeitschrift für E-Learning. Lernkultur und Bildungstechnologie), bei der wir als Gründungsherausgeber die Beiträge selbst geschrieben haben (zum Thema Ende der „alten“ ZEL siehe hier). Nun aber die große Panne am Ende: Die Druckerei hat zwar das richtige Cover, aber im Innenteil ein altes Heft gedruckt – was für ein Abschluss! 😉 Na ja, das richtige Heft soll demnächst nachgeliefert werden. Da muss man halt jetzt noch ein wenig Geduld haben.

Die Texte wurden untereinander (ziemlich kritisch, wie ich finde) begutachtet – mit langen Rückmeldungen und mehrmaligen Überarbeitungsschleifen. Mein bzw. unser Beitrag (ich habe ihn zusammen mit Frank geschrieben) ist leider zu lang geraten. Insbesondere ist das Literaturverzeichnis recht ausführlich geworden. Für die Printfassung haben wir dieses daher gekürzt und stellen hier nun den Beitrag als Preprint mit der vollständigen Literatur zur Verfügung. Wir freuen uns natürlich über Kommentare :-).

ZEL_Artikel_Reinmann_Vohle_2012_Preprint

Weihnachten, wie man es möchte

Nein, ich bin einfach kein Weihnachtsfan, aber ja, ich mag diese Tage vor und nach Weihnachten, an denen alle mit Weihnachten (IHREM Weihnachten) beschäftigt sind, weil es dann nämlich ruhiger ist. Und das ist ja ganz hervorragend! 🙂

Ich habe die letzten Tage genutzt, um mal wieder so einiges zum Thema „Kompetenzen“ zu lesen – unter anderem, weil ich dazu Anfang Februar einen Vortrag in Gießen halten werde. Das ist nicht das erste Mal, dass ich mir einerseits dabei denke: Ja, das ist sinnvoll investierte Zeit, denn man muss sich über Begriffe, aus denen auch umfänglichere Konzepte werden, Gedanken machen – zumal über solche, die in Forschung und Politik (u. a. in der Forschungsförderung) erheblichen Einfluss ausüben (und das trifft ja wohl alles auf den Kompetenzbegriff zu). Andererseits mehren sich dann mit jeder fortschreitenden Stunde alsbald andere Gedanken: Nein, also besser in den Papierkorb damit und was Vernünftigeres machen, denn wenn ich unter anderem lese, wie lange man sich da schon streitet und der Gewinner ohnehin seit mindestens 2000 feststeht, dann könnte es sich doch um eine zeitliche Fehlinvestition handeln. Nun gut, mal sehen, was bis Ende Januar dabei herauskommt.

Aber eigentlich wollte ich in diesem letzten Blogbeitrag des Jahres 2012 auf ein paar Sachen hinweisen, die ich interessant fand und noch schnell weitergeben möchte:

Da ist zum einen Rolf Schulmeisters kritischer Vortrag über MOOCS (hier abzurufen), den sicher schon viele gehört haben. Wer ihn noch nicht gehört hat: Empfehlenswert (etwa wenn man sich beim Verwandtschaftsbesuch mal absetzen möchte)!

Da ist zum anderen Christians lautes Denken über das Flipped Classroom-Konzept und die dazugehörige Diskussion (hier und hier). Wenn ich das so lese, wie sich da der Gestaltungsprozess entwickelt, habe ich schon ein wenig den Eindruck (mindestens aber die Hoffnung), dass mein Studientext zum Didaktischen Design eine gewisse praktische Relevanz hat (dessen Struktur auch eher induktiv auf der Basis eigener didaktischer Erfahrungen entstanden ist).

Außerdem möchte ich noch einen kurzen Text von Georg Hans Neuweg empfehlen: In einem fiktiven Streitgespräch denkt er laut darüber nach, was guter Unterricht ist (hier). Vor zwei Jahren saß ich über Weihnachten an einem Vortragstext, aus dem dann auch ein Artikel entstanden ist (hier), und die Ähnlichkeiten der Botschaften sind deutlich (leider habe ich mich mit Herrn Neuweg noch nie austauschen können). Neuweg hat es aber eindeutig unterhaltsamer beschrieben!

Ich denke, es ist nun Zeit für zwei Wochen Blogpause; es sind ja eh alle mit anderem als mit Blog-Lesen – nämlich mit Weihnachten und danach mit Silvester (auch so ein „Zwangsfest“, dem man nur mit viel Mühe entkommt) – beschäftigt. Ich hoffe, dass ihr alle die kommenden Tage so verbringen könnt, wie ihr das möchtet, und natürlich wünsche ich allen ein abwechslungsreiches und glückliches neues Jahr 2013.

Gut, dass wir dazu mal was gemacht haben

Auf der Seite UniGestalten, auf der man die Ergebnisse des gleichnamigen Wettbewerbs vom Herbst/Winter 2011 ansehen kann, sind inzwischen auch einige „E-Papers“ verfügbar. Eines davon dreht sich um das Thema „Kommunikation und Medien“. Vor einigen Monaten war ich gebeten worden, dafür ein paar Zeilen zu schreiben (S. 39-40). Ich freue mich natürlich sehr, dass zwei Projekte unter den Gewinnern aus der Uni Augsburg kommen – also aus meiner früheren „Wirkungsstätte“, wie man so schön sagt. Interessant wäre zu wissen, was nun mit all diesen interessanten Projekten weiter passiert. Immerhin gibt es auf der Seite auch ein E-Paper zur Nachhaltigkeit. Nur leider ist da von der Nachhaltigkeit der Projekte nicht die Rede.

Das ist ja auch ein bekanntes Problem des „Projektgeschäfts“: Es wird da in der Tat viel bewegt, aber eben meistens nur zeitlich begrenzt – nach dem Motto: „Gut, dass wir dazu mal was gemacht haben“. Ehrlich gesagt hilft da auch nicht viel, wenn man bei Anträgen zur Forschungs- und Entwicklungsförderung inzwischen darlegen muss, wie man die Nachhaltigkeit sichert. Es mag manchmal gelingen, Ressourcen-neutral eine Veränderung zu bewirken, die Bestand hat – das will ich nicht bestreiten. Oftmals aber geht genau das nicht. Und dann frage ich mich: Welche Förderinstitution erwartet denn ernsthaft, das sich die Ressourcen von allein vermehren?

Hilfsbedürftige Wesen

„Die Ursachen der Unterrepräsentanz von Frauen liegen … nicht in erster Linie in den Arbeitsorganisationen (wo sie permanent gesucht werden), sondern im privaten Leben. Darauf hat die universitäre Frauenförderung aber kaum Einfluss“, so die These des Soziologen Stefan Hirschauer in der aktuellen Ausgabe von Forschung & Lehren (Dezember 2012), der sogar online (hier) zugänglich ist. In seinem Artikel legt Hirschauer dar, dass und warum Frauenförderung aus seiner Sicht nicht nur wenig bewirkt, sondern sogar Schaden anrichten kann – jedenfalls in der Form, wie sie seit längerem und aktuell praktiziert wird. Er geht davon aus, dass Frauen vor allem deswegen weniger gut in höhere Positionen auch an der Uni kommen, weil es nach wie vor schwierig ist, das private Leben und Familie (als Frau!) mit den Anforderungen („eingebauter workaholism“) am Arbeitsplatz „Professur“ in Einklang zu bringen (so übersetze ich jetzt mal das Soziologen-Deutsch). Zudem würden Frauen tendenziell „work-life-balance“ höher bewerten und sich dann bewusst gegen den Dauerwettbewerb an Unis entscheiden. Zu den schädlichen Folgen der bestehenden Frauenförderung, so Hirschauer, gehört, dass man Frauen als hilfsbedürftige Wesen abstempelt, außerdem Männer mitunter benachteiligt und letztlich gegen eigene Grundsätze verstößt (nämlich dass allein die Kompetenz zählen soll). Als Lösung schlägt Hirschauer vor, dass Unis mehr für die Kinderbetreuung tun sollen – auch für die Wissenschaftlerinnen (nicht nur für Studentinnen).

Ich finde, der Beitrag gibt ganz gute Denkanstöße. Mich nervt die Dauer-Frauen-Rhetorik schon lange, die mir meistens recht formal vorkommt. Auch die von Hirschauer beschriebenen Nebeneffekte der Frauenförderung, die man so sicher nicht gewollt hat, habe ich vereinzelt auch schon selbst erlebt (z.B. in Berufungskommissionen). Allerdings sind die im Text vorgeschlagenen Lösungen ein bisschen einseitig: Mit Betreuungsplätzen allein ist es sicher nicht getan (obschon das auf jeden Fall ein wichtiger Vorschlag ist). Dringend erforderlich wäre wohl ein kultureller Wandel dahingehend, das sich Väter genauso für die Betreuung ihrer Kinder zuständig fühlen wie Mütter und dass man dies auch strukturell honoriert. Außerdem müsste dieses „Rattenrennen“ (das viele Profs zu Workaholics macht) mal langsam aufhören, an dem wir uns (fast) alle beteiligen, obwohl wir es beklagen (ich nehme mich da auch nicht aus): Dazu gehören die beständige Jagd nach Drittmitteln, Publikationen und damit gekoppelter Anerkennung, aber auch der ausufernde Bürokratismus in Forschung (Drittmittel!) und Lehre (Bologna). Und wenn das so weit geht, dass man sich nebenher keine Familienzeit mehr leisten kann, wird das auf Dauer nicht nur den Menschen, sondern auch der Wissenschaft schaden.

 

Nicht nur lästige Pflicht

Nachdem ich nun schon mehrfach eingeladen worden war, habe ich gestern (am 05.12.2012) endlich mal den eLearning-Netzwerktag an der Universität Frankfurt (studium digitale) besucht und dort einen Vortrag gehalten. Es war die siebte Veranstaltung dieser Art und zu Beginn wurde verkündet, dass studium digitale für die kommenden fünf Jahre weiter finanziert wird. Das freut mich für das Frankfurter Team um Claudia Bremer!

Gerne mache ich mein Vortragsmanuskript zum Thema „Forschendes Lernen und mediengestützte Textarbeit“ hiermit online zugänglich. Vorgestellt habe ich unser Online-Tool Release (dazu gibt es auch bereits eine Forschungsnotiz), an dem wir schon seit längerem sitzen. Daran anknüpfend ging es mir darum, zur Diskussion zu stellen, ob und wie Textarbeit und damit rezeptives Lernen mit produktiven Lernformen, insbesondere mit dem forschenden Lernen, sinnvoll und für Lernende gewinnbringend verknüpft werden kann.

Vortrag_Frankfurt_Dez2012

Die Fragen und Diskussion am Ende haben gezeigt, dass auch andere (also nicht nur ich) einen Bedarf sehen, Studierende darin zu unterstützen, speziell das Lesen wissenschaftlicher Textsorten (also auch Originalbeiträge zu empirischen Studien) einzuüben. In Seitengesprächen wurde auch mehrfach beklagt, dass Studierende generell zu wenig lesen. Deutlich wurde zudem, dass es wichtig ist, Werkzeuge wie Release so in Veranstaltungen einzubauen, dass Studierende einen Mehrwert in der mediengestützten Textarbeit sehen.

Aus meiner Sicht ist es immer wieder eine große Herausforderung, rezeptive und produktive Anteile des Lernens so miteinander zu verknüpfen, dass kognitive und motivationale Hürden genommen werden können. Speziell in Methodenfragen, worin Studierende oft eine lästige Pflicht sehen, ist es erfahrungsgemäß schwierig, Studierende zu begeistern und gleichzeitig die erforderlichen Wissensgrundlagen zu schaffen.

Open ist nicht gleich umsonst

Es ist ja schon lange kein Geheimnis mehr, dass wir die Zeitschrift für E-Learning (und wir, das sind Andrea Back, Peter Baumgartner, Rolf Schulmeister und ich) mit der vierten Ausgabe von 2012, die demnächst erscheint, auslaufen lassen – jedenfalls in der Form, wie man sie nun sieben Jahre lang gekannt hat. Wir haben das auf der Web-Seite der Zeitschrift schon vor einiger Zeit angekündigt (siehe hier).

Angekündigt haben wir dort allerdings auch eine Neuausrichtung. Es ist in dieser Hinsicht (wir waren nicht faul) auch viel passiert: Wir hatten zahlreiche Überlegungen, eine ganze Reihe von Treffen, bereits eine konkrete Option, die dann aber wieder über Bord geworfen werden musste, viele Gespräche etc. Nun sind wir seit Montag dieser Woche an einem Punkt, wo wir uns trauen, zumindest auf unseren Blogs informell ersten Optimismus zu streuen und einen Neuanfang anzukündigen, ohne dass wir allerdings schon offizielle Dokumente oder gar eine Web-Seite hätten. Aber wir haben eine ganze Reihe neuer wichtiger Mitstreiter, die sich engagieren und dabei helfen wollen, den so lang erwarteten Open Access-Gedanken für eine neue wissenschaftliche Zeitschrift zu realisieren (weil ich nicht ganz genau weiß, der da jetzt genannt werden möchte, lasse ich das an der Stelle offen – es gibt ja ein Kommentarfeld, um sich da selber zu melden). Die neue Zeitschrift wird sich etwas breiter als bisher interdisziplinär mit „Technologie und Lernen“ beschäftigen und dabei auch mit neuen Formen des Peer Review experimentieren.

Mitstreiter und Engagement braucht man auch für so ein Projekt – besser mehr als weniger, denn: Natürlich ist eine Open Access-Zeitschrift keine, die ohne finanzielle Unterstützung zustande kommt (neben dem unbezahlten Engagement, das man zusätzlich braucht): Open ist nicht gleich umsonst, auch wenn diese Einsicht offenbar manchmal schwer fällt. Da in unseren Fächern Bezahlmodelle über Autoren aus unserer Sicht ausscheiden, muss also Geld von anderer Seite kommen und da zielt unsere Strategie darauf ab, die jährlichen Kosten auf möglichst viele Schultern von Organisationen (Unis, Institute, Vereine) zu verteilen, denen das Thema „Technologie und Lernen“ ebenfalls am Herzen liegt.

Wir sind also optimistisch. Es ist so etwas wie ein Nukleus da. Ob nun unser Plan, 2014 mit der ersten Ausgabe zu erscheinen, Wirklichkeit wird, hängt auch ein wenig davon ab, wie viele wir noch dafür begeistern können, sich in irgendeiner Weise einzubringen: als aktive Mitglieder in einem erweiterten Herausgeberkreis, als Fürsprecher in Organisationen, die sich an der Finanzierung beteiligen könnten, als Leser, die bereit sind, z.B. bei Mitgliedsbeiträgen beteiligter Institutionen ein paar Euro im Jahr mehr zu zahlen etc. Man kann es nur noch einmal wiederholen: Open ist nicht gleich umsonst, sondern fordert, dass viele einen kleinen Beitrag leisten (materiell, aber natürlich auch ideell) und aktiv daran mitarbeiten, den Open-Gedanken im akademischen Arbeitsalltag (!) tatsächlich zu leben.

Nachtrag (13.12.2012): Peter Baumgartner hat jetzt noch einmal ausführlichere Informationen (hier) zum Vorhaben zur Verfügung gestellt.

Was man hört, aber nicht sieht

Sprache: Wie wichtig ist sie im Vergleich zum Inhalt – in einer Hausarbeit, Bachelorarbeit, Dissertation? Nicht so wichtig? Weil es doch auf den Inhalt und nicht darauf ankommt, wie man ihn darstellt? Ich maße mir nicht an, das für Disziplinen und Fächer zu beurteilen, von denen ich keine Ahnung habe. Aber für Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen und für Bildungswissenschaften im Besonderen halte ich die sprachliche Umsetzung der eigenen Gedanken ebenso wie die Widergabe der Gedanken anderer für sehr wichtig. Ich weiß, dass viele Studierende, vielleicht auch einige Doktoranden, das entweder nicht so sehen (und mich für kleinkariert halten) oder aber den Stellenwert der Sprache anders interpretieren. Eine solche andere Interpretation ist z.B. die, dass die Sprache nicht zwingend verständlich, sondern vor allem „wissenschaftlich“ klingen müsse. Und wissenschaftlich klinge es vor allem dann, wenn der Autor als Ich im Text nicht auftaucht (weil die Inhalte dann nicht mehr „subjektiv“ sind), wenn der Text möglichst viele Substantivierungen enthält (weil das die Argumente schwergewichtiger macht), wenn Sätze bevorzugt passiv statt aktiv konstruiert werden (weil das die notwendige Distanz erhöht) und wenn man möglichst viele Botschaften in einen Satz packt und dabei ein hohes Maß an Nebensätzen und Einschüben verwendet (weil sich das dann so ähnlich anhört wie viele der Texte von Wissenschaftlern, die man schon gelesen hat).

Verständlichkeit und Lesefreude – das scheinen für viele (auch für manche Wissenschaftler) die natürlichen Gegenspieler der Wissenschaftlichkeit zu sein. Ich sehe das anders: Wenn jemand einen Text nicht versteht, kann das zwar verschiedene Ursachen haben und natürlich auch am Leser liegen. Wenn aber fortgeschrittene Studierende, die sich anstrengen, oder Wissenschaftler selbst mit Fragezeichen vor einem Text aus ihrer eigenen Domäne sitzen, mühsam das Subjekt und Verb im Satz suchen und sich vergeblich fragen, was der Autor einem wohl sagen will, dann stimmt etwas mit dem Text nicht! Und wissenschaftlich ist es auch nicht, wenn die Verständlichkeit auf der Strecke bleibt: Von Wissenschaft erwarte ich mir Klarheit im Ausdruck und keine Nebelkerzen. Leider aber lernen viele Studierende im Studium genau das: vermeintlich wissenschaftliche, an großen (schwierig zu verstehenden) Vorbildern orientierte, aber leider schlechte Texte zu schreiben.

Ich empfehle Studierenden und Doktoranden gerne, ihre Texte laut zu lesen, bin mir aber sicher, dass es kaum jemand macht (sonst würden sie anders klingen)! Das ist schade. Denn lautes Lesen der eigenen Sätze, die man aufs Papier gebracht hat, ist sehr heilsam: Man hört eher, wie schlecht ein Satz klingt, als dass man es ihm ansieht. Und man hört auch eher, wenn Sätze ihre Botschaft verloren oder eine angenommen haben, die man gar nicht im Sinn hatte. Endlich gibt es jemanden, der meinen (ernst gemeinten, aber offenbar nicht ernst genommenen) Ratschlag teil ;-): Valentin Groebner hat ein kleines Büchlein mit dem Titel „Wissenschaftssprache. Eine Gebrauchsanweisung“ geschrieben (2012). Der Buchtitel ist etwas irreführend und aus meiner Sicht nicht glücklich gewählt. Mit dem ersten Teil des Buches kann ich auch nicht so sehr viel anfangen. Der zweite aber beschreibt sehr schön die Irrungen und Wirrungen der Wissenschaftssprache und das Problem, das Doktoranden (an diese Zielgruppe wendet sich Groebner hauptsächlich) damit haben. Er plädiert für Lesbarkeit, für das „Ich“ im Text und – ja! – für lautes Lesen: „Beim Vorlesen merken Sie … rasch, wie lange es am Beginn eines neuen Absatzes dauert, bis Sie selber verstehen, wovon eigentlich die Rede sein wird. Sie merken auch, wie rasch das bedeutungstragende Substantiv am Anfang erscheint. („Von wem ist die Rede?“) Und Sie merken, wenn Sie das Verb mit lauter Einschüben und Relativsätzen so weit nach hinten geschoben haben, dass im Satz niemand irgendetwas zu tun scheint, oder einfach zu lange damit wartet („Was passiert hier eigentlich?“). Wenn Sie Ihren Text selbst vorlesen (oder noch besser: einem geduldigen Publikum), merken Sie schließlich auch, ob am Ende die Resultate Ihrer Überlegungen wirklich deutlich werden.“ (S. 101 f.) Also: Einfach mal ausprobieren!

Education unlimited

„Change: Offene Hochschule = education Unlimited? Zwischen Humboldt und Fachkräftemangel“ – unter diesem Motto steht die diesjährige Campus Innovation in Hamburg am 22. und 23.11.1012. Zahlreiche bekannte Namen umfasst das interessante Programm (hier) und verspricht eine ertragreiche Veranstaltung. Leider ist mein letzter Besuch auf der Campus Innovation schon wieder ein paar Jahre her, aber Hamburg eben nicht um die Ecke 😉

Der Ankündigungstext klingt stellenweise recht ähnlich den Aussagen, die im Januar 2012 in Berlin als Grundlage für Vorträge und Diskussionen dienten (studium 2020: siehe hier). Das Thema „Durchlässigkeit des Hochschulsystems“ ist aber wohl komplex genug, um mehrere Tagungen dazu zu veranstalten, denn einfache Antworten wird es auf die Frage, für wen welche Hochschulen in welcher Weise mit welcher Zielsetzung offen sein sollten, nicht geben. Ich denke, speziell die Zielsetzung spielt hier eine zentrale Rolle.

Ich persönlich schwanke bei der Frage, für wen insbesondere die Universität offen sein sollte, regelmäßig zwischen einem „möglichst vielen – wäre doch toll, wenn eine wachsende Zahl von Menschen sich in und mit Wissenschaft bildet“ und einem „möglichst den Passenden – wäre doch schade, wenn wir nur noch Mittelmaß haben und die Wissenschaft in der Bildung verschwindet“. Ursache für diese Schwankungen sind eigene Erlebnisse und Erfahrungen, manchmal aber auch Bücher und Artikel.

Ich hoffe auf viele Videos und andere Einblicke in die Meinungen der Vortragenden und der Tagungsteilnehmer. Vielleicht kommen ja neue Argumente, gute Beispiele und Erkenntnisse zum Vorschein.