Im Sommer 2008 habe ich mich bereits anlässlich der EduMedia in Salzburg etwas kritischer mit dem Thema Selbstorganisation auseinandergesetzt. Dazu ist ein Arbeitsbericht entstanden, der weitgehend den Inhalt des Vortrags wiedergibt. Nun habe ich für einen Band von Ben Bachmair mit dem Titel „Medienbildung in neuen Kulturräumen“ die Selbstorganisation noch einmal aufgegriffen und stärker mit dem Web 2.0-Gedanken verknüpft. Wer den Arbeitsbericht gelesen oder den Vortrag gehört hat, wird vieles wieder erkennen. Allerdings habe ich die Argumentation verdichtet, neue Literatur hinzugezogen und auch eine Reihe von Modifikationen vorgenommen.
http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/files/1272/imb_Arbeitsbericht_18.pdf
Ja, also damit wäre auch die Frage beantwortet, was ich über Weihnachten gemacht habe ;-).
Hei jei jei … man kommt ja gar nicht mit dem Lesen nach 😉
Ich habe diese Kritik der Selbstorganisation (via Netz) gelesen, deren Prämissen hinterfragt werden. Wertvoll erscheint mir Ihr Beitrag, wo Sie fordern,
– den Begriff zu klären, genauer: von seinen Graswurzel-Romantizismen zu befreien,
– zu klären, wem wann Selbstorganisation möglich ist und ebenso
– warum Selbstorganisation – etwa in betrieblichen Zusammenhängen – erwünscht oder auch notwendig ist.
Ihre unterschwellig karikierende Bewertung von Begriff und Bedeutung netzgetriebener Selbstorganisation für Unternehmen erscheint mir hingegen wenig hilfreich: Denn sie läuft letztlich darauf hinaus, dass man in der Firma nur dann auf Neues zugehen sollte, wenn man bedenkenlos darauf abfährt, fernab jeder Auseinandersetzung.
Solche harmonischen Voraussetzungen treffen organisationale Innovationsprojekte freilich nicht an, im Gegenteil. Auch organisationale Innovation muss erstritten werden.
Ihr Ratschlag, angesichts innerbetrieblicher Debatten um die netzbasierte Selbstorganisation Anläufe in die Richtung am besten sein zu lassen, weil „man dann wüsste, woran man ist“, führt – konsequent zu Ende gedacht – dazu, alte Konzepte neu aufzulegen, die freilich nicht mehr zur partizipativen Grundstimmung auf den Märkten, in den Firmen und in der Gesellschaft passen.
Ihre Problematisierung des Selbstorganisationsbegriffes ist Wasser auf Mühlen derer, die sich in der in Rede stehenden Frage am liebsten gar nicht bewegen.
Andererseits benennen Sie – sehr treffend – die Vorteile, warum man sich „aus einer ökonomischen Perspektive“ von Selbstorganisation etwas Handfestes verspricht („erstens Strukturen und Prozesse zu dezentralisieren, was Unternehmen auf dem Markt flexibler macht, und zweitens Verantwortung etwa für Weiterbildung zu delegieren, deren feste Verankerung zu hohe Kosten verursacht“).
Alles in allem hinterlassen Ihre Ausführungen zwiespältige Gefühle. Deshalb ein Lesetipp, der Ihre Selbstorganisations-Skepsis (nicht das kritische Hinterfragen des Begriffs) produktiv hinterfragen könnte:
Don Tapscott, Wikinomics.
Hallo Herr Scheuermann,
danke für Ihren interessanten Kommentar. Ja, natürlich enthält der Text neben der sachlichen Auseinandersetzung um den Begriff auch ein paar provokative Statements, die auf Beobachtungen beruhen, sich aber keineswegs nur auf Unternehmen, sondern Organisationen aller Art beziehen. Wenn diese Widerspruch und eine Diskussion auslösen, zu Klarstellungen und Gegenargumenten aufrufen – umso besser, dann hat der Text ja seinen Zweck erfüllt. Mit solchen Beschreibungen trifft man selbstverständlich nie alle Fälle und Situation. Das kann immer nur eine Skizze von Tendenzen sein und auch über die kann man selbstverständlich streiten. Ich stehe zu meiner Position, die ich erst in den letzten Jahren gewonnen habe, denn vor nunmehr bald 20 Jahren, als ich mich erstmals mit solchen Themen auseinandergesetzt habe, war ich optimistischer.
Gabi
Welche Erfahrungen haben Sie skeptisch/er werden lassen?
Es sind eigene Projekterfahrungen und die Beobachtung der Versuche anderer. Im genannten Arbeitsbericht bin ich darauf etwas näher eingegangen (als im Artikel): Dort sehen Sie zudem besser, dass ich mich auch (neben Unternehmen) auf Schulen und Hochschulen beziehe. Orgenisationen aber funktionieren nun mal anders als informelle Gemeinschaften, von daher ja auch mein Plädoyer, viel genauer zu sagen, was man in Organisationen gewillt und in der Lage ist zu unterstützen und was nicht. Und natürlich wünsche ich mir Organisationen, die auch nach und nach ihre Regeln ändern, experimentierfreudig sind und z.B. das Prinzip der Selbstorganisation auch „leben“. Problematisch ist aus meiner Sicht nur, von dem einen zu reden und das andere zu tun. Das ist respektlos gegenüber den Organisationsmitgliedern und hilft auch niemandem weiter – auch der Organisation selbst nicht.
Nur ein organisatorischer Hinweis: Der Link im Blogpost führt mittlerweile nicht mehr auf den Artikel. Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es ihn aber hier: http://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2009/01/selbstorganisation_web20_preprint_jan09.pdf Oder ist der wegen der Überlänge hier nicht mehr verlinkt gewesen?
Nur den Arbeitsbericht muss ich noch suchen 😉
Timo
Sorry, die Arbeitsberichte wurden an der Uni Augsburg woanders platziert; jetzt ist der Link aktualisiert. Eine Übersicht mit den aktuellen Links zu den Arbeitsberichten aus der Augsburger Zeit gibt es hier: http://lernen-unibw.de/arbeitsberichte-2003-2010