Sehr weit weg, im fernen Dunedin in Neuseeland, beschäftigt sich Tony Harland an der University of Otago mit Themen und Fragen, die auch für uns am HUL von höchstem Interesse sind. Nur durch Zufall bin ich auf ihn gestoßen. Eine seiner aktuellen Publikationen dreht sich um das Konstrukt Authentizität in der Lehre, speziell in der forschungsorientierten Lehre (teaching through research).
Unter dem Titel „A framework for authenticity in designing a research-based curriculum“ beschreibt er zusammen mit Navé Wald die Entwicklung eines Rahmenkonzepts für die Gestaltung forschungsorientierter Lehre unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte von Authentizität. Der Text gibt einen guten Überblick über verschiedene Auffassungen und Deutungen von Authentizität im Kontext der Hochschulbildung.
Am bekanntesten dürfte das „authentische Lehren und Lernen“ in dem Sinne sein, dass man Lernumgebungen möglichst nah an realen Problemen, Anforderungen und Bedingungen gestaltet. Bezogen auf forschendes Lernen hieße das, dass man Studierende „echte“ Forschung (versus Forschung, die man nur für die Lehre sozusagen simuliert) betreiben lässt. Doch es gibt weitere Bedeutungen von Authentizität: Als Merkmal etwa von Personen meinen wir mit authentisch häufig, dass jemand in seinen Werten, Sprechen und Handeln konsistent ist, nichts vorspielt, sondern „sich treu“ bleibt, „echt“ ist. Wendet man diese Lesart auf forschendes Lernen an, begibt man sich eher in das Feld der Persönlichkeitsbildung – Forschung als Möglichkeit sozusagen, etwas über sich selbst zu erfahren. Die dritte Interpretation, umschrieben als „a degree of meaning“ ist meiner Einschätzung nach weniger gut nachvollziehbar: Hier geht es den Autoren um die persönliche Bedeutung des Lernens respektive Forschens, was nicht zwingend mit der „Echtheit“ im Sinne von Forschung, wie man sie außerhalb der Lehre üblicherweise praktiziert, zu tun haben muss. Ich würde das spontan eher nicht mit Authentizität in Verbindung bringen, sondern darin eine weitere wichtige Dimension sehen, die man bei der Gestaltung forschungsorientierter Lehre im Blick haben sollte, aber logischerweise auch schwer zu fassen ist, denn: Wenn es um die persönliche Bedeutung von Lern- und Forschungsprozessen geht, kann jeder Studierende nur selbst bestimmen, wann diese erreicht oder tangiert ist.
Alles in allem aber liefert der genannte Text einige Aspekte zum Thema „forschendes Lernen“, wie ich sie bisher in dieser Form noch nicht gelesen habe. Andere Texte von Tony Harland sind nicht weniger interessant: Im Beitrag „Higher education as an open-access discipline“ etwa beschreibt er die Situation von Theorie, Empirie und Praxis akademischen Lehrens und Lernens in einer Form, wie sie auch relativ genau meiner Erfahrung und Beobachtung entspricht. Aber dazu am besten ein andermal.