Promotionen massiv zurückfahren?

Nun hat sich auch der Soziologe Richard Münch am Wochenende zum aktuellen Plagiatsfall im Verteidigungsministerium geäußert. Da ich bereits zwei Bücher von Münch mit viel Gewinn gelesen habe (dazu in diesem Blog Einträge hier und hier), habe ich interessiert begonnen, sein Interview zu lesen, das dankeswerter Weise auch in der SZ online (hier) nachzulesen ist. Aber was Münch da von sich gibt, ist mir zum Teil ganz und gar nicht verständlich, jedenfalls nicht in der generalisierten Form, wie er das macht. Bei den mir unverständlichen Passagen handelt es sich weniger um die Plagiatsfrage, sondern um den Stellenwert und die Ausgestaltung der Promotion (die ich vor kurzem ja auch mal wieder diskutiert habe, nämlich hier):

So meint Münch z.B.: „Ich halte Plagiate grundsätzlich auch für ein Problem externer Dissertationen, die übrigens gehäuft in der Rechtswissenschaft vorkommen. … Doktoranden, die voll im Beruf stehen und den Titel nur für ihre Karriere brauchen, haben meist nicht genug Zeit und Ansporn, um sich mit ihrem Thema wirklich zu beschäftigen. Außerdem stehen sie meist nicht in so engem Kontakt zu ihrem Doktorvater wie das bei internen Doktoranden wie wissenschaftlichen Mitarbeitern, Promotionsstudenten oder Stipendiaten der Fall ist. Da fühlt man sich weniger verpflichtet. … Ich bin auf jeden Fall dafür, die externen Promotionen massiv zurückzufahren.“ Und auf die Nachfrage „Sehen Sie die Promotion in Zukunft einzig als Teil der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses?“ antwortet Münch: „Das ist der genuine Sinn der Sache. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen einer Promotion und einem außerakademischen Beruf.“

Das mag für die Rechtswissenschaften vielleicht eine sinnvolle Forderung und Haltung sein – ich kann das nicht gut beurteilen, deshalb lasse ich es mal. In dieser generalisierenden Art aber halte ich seine Forderungen auf keinen Fall für zielführend. Zunächst einmal ist es kein Automatismus, sondern eine Sache der Promotionsgestaltung, wie eng und qualitativ gut (oder schlecht) die Zusammenarbeit eines externen Doktoranden mit anderen Doktoranden und dem Betreuer ist. Zudem meine ich, dass die Promotion ein „Projekt“ ist, in dem man exemplarisch sein wissenschaftliches Wissen und Können unter Beweis stellt. Bei Münch liest es sich allerdings so, als sei die Promotion ein bloßer akademischer Initiationsritus – völlig wertlos für die Welt außerhalb der Universität? Warum dann übrigens auch „forschendes Lernen“? Was ist mit der immer wieder festgestellten erhöhten Wissenschaftlichkeit von Berufstätigkeiten, die man mit dem Schlagwort der Wissensarbeit in Verbindung bringt? Sind nicht gerade Personen, die aus der Berufswelt oder in Verbindung mit der Berufswelt AUCH wissenschaftlich arbeiten, ein wichtiges Bindeglied zwischen Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen? Was steckt da also für eine Auffassung von Promotion hinter einer solchen Einstellung?

Vielleicht findet sich ein Grund in Münchs folgender Äußerung: „Man sollte nicht vergessen, dass Promotionen für Professoren auch Statussymbole sind.“ Ja, mag sein, aber davon möchte zumindest ich mich schon distanzieren (liebe Doktoranden: Ich betrachte euch NICHT als Statussymbole!). Worin ich Münch dann allerdings wieder Recht gebe, ist Folgendes: „Wenn, wie in den USA, in Zukunft nur noch an Graduiertenschulen promoviert werden würde, stünden viele Professoren ohne Promotionen da.“ Für ihn folgen daraus „Statusunterschiede innerhalb der Professorenschaft“, die dann gewaltig wären. Mich folgen daraus vor allem ein Abschied von der Wissenschaft als Haltung und Problemlösestrategie und eine Hinwendung zur Wissenschaft als gesellschaftlicher Tummelplatz für Trophäenjäger.

6 Gedanken zu „Promotionen massiv zurückfahren?“

  1. Hallo Gabi,
    ich freue mich, dass ich kein Statussymbol für dich bin 🙂
    Gut, ich bin zwar kein Rechtwissenschaftler, aber trotzdem fühle ich mich als externer Doktorand durch das Interview etwas auf den Schlips getreten und zu Unrecht verurteilt.
    Klar bin ich in einer anderen Situation als Leute, die direkt an der Uni mitarbeiten. Ich merke auch, dass ich manchmal zu sehr in unternehmerisches Denken verfalle. Aber ich sehe das wie du. Gerade der Austausch zwischen „Berufswelt“ und „Wissenschaftswelt“ ist das spannende für mich. Ich denke auch, dass die Bindegliedfunktion nicht zu unterschätzen ist. Ich merke ja selbst, wie sich die Bereiche gegenseitig befruchten können. Somit entsteht durch den Kontakt mit der Berufswelt ja auch wiederum ein Mehrwert für die Wissenschaft. Wissenschaft kommt schließlich von „Wissen schaffen“ und das kann ich auch als externer Doktorand. Daneben sehe ich noch ein weiteren „außerakademischen“ Sinn einer Dissertation. Ich denke, ich entwickle mich dadurch persönlich weiter. Meine Art zu denken und zu arbeiten ändert sich. Außerdem entwickel ich natürlich auch eine Expertise auf meinem Gebiet. Deswegen profitiere ich von der Promotion ganz enorm, auch wenn ich später nicht in einem Wissenschaftsbetrieb arbeiten werde.
    Was die Betreuung betrifft muss ich sagen, dass ich da keine Defizite erlebe. Ich fühle mich gut betreuut. Wie du sagst, das liegt natürlich auch ganz entscheidend mit daran, welchen Aufwand der Professor in die Betreuung bereit ist zu investieren.
    In diesem Sinne: Ich freue mich, wenn das Kolloquium wieder losgeht 🙂
    Viele Grüße
    Markus

  2. Eine Promotion ist eine Zeit der Entbehrung für den Doktoranden – egal ob intern oder extern. Die Stellung sagt auch nichts über den Grad der Betreuung aus. Es gibt externe Doktoranden, die sehr gut betreut werden, und interne, die kaum mit ihrem Doktorvater über die Arbeit sprechen können. Auch Graduiertenschulen sind keine Garantie für sehr gute Betreuung. Die Betreuung ist ein Schüler-Meister-Verhältnis zwischen Doktorvater und Doktorand. Wie sie sich gestaltet, hängt von Faktoren wie Sinn der Doktorarbeit für den Promovend und den Doktorvater oder dem Thema ab. Viel mehr sollten wir als Wissenschaftler darüber disktuieren, wie eine gute Betreuung aussieht und auch klar sagen, daß es eine Vielzahl an Doktoranden gibt, die unzufrieden mit ihrer Betreuung sind, dies jedoch aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses nie offiziell sagen würden.

  3. Hallo Frau Reinmann,
    anschließend an ihren letzten Absatz möchte ich einen Artikel vom Tagesspiegel ergänzen, der in meinen Augen sehr deutlich unterstreicht, welche Gefahr hier droht!
    Beste Grüße
    Marc Dettler

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