Intellektueller Kapitalismus

Seit knapp zwei Wochen gibt es von Richard Münch ein neues Buch: „Globale Eliten, lokale Autoritäten, Bildung und Wissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey und Co„. Nachdem in seinem letzten „Beststeller“ vor allem die Forschung im Vordergrund stand (mir hatte das Buch zur „Akademischen Elite“  recht gut gefallen; ich habe hier darüber berichtet – mein Gott, wie die Zeit vergeht), widmet sich Münch nun stärker der Bildung und stellt Dinge fest, die an sich seit Jahren in zahlreichen Artikeln z.B. der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ immer wieder zu lesen sind: Die Problematik von Bologna mit der dazugehörigen Bürokratisierung, die Schwierigkeit der schleichenden Ökonomisierung über Marktprinzipien und den viel beschworenen Wettbewerb etc. An Münch sieht man, wie wichtig es ist, dass man mit diesen Aussagen nicht in der „eigenen Community“ (wie bei oben genannter Zeitschrift) verbleibt, innerhalb derer man zwar viel Konsens erzielt, der aber außen nicht gehört wird. Von diesem „Außen“ sind Wissenschaft und Lehre an der Hochschule nun eben abhängig. Auch wenn Münch also aus einer bestimmten Perspektive über die „Wissenschaftsstars“ schimpft, die man sich an die Hochschulen holt, während man dann an vielen anderen Ecken sparen muss, zeigt er doch, dass diese Stars aus einer anderen Perspektive wieder wichtig sind – z.B. als Sprachrohr wie er selbst. Und er zeigt, wie essenziell der richtige Zeitpunkt für Kritik ist: Erst der Zusammenbruch der globalen Wirtschaft infolge der Bankenkrise hat das Feld dafür geebnet, dass mehr Leser überhaupt geneigt sind, ihm (oder vielleicht auch den vielen anderen) zuzuhören. Das ist natürlich auch ärgerlich: Denn was bleibt von der Kritik, wenn sie schon fast wieder Mainstream ist?

Ein guter Beitrag zu Münchs neuem Buch findet sich im Deutschlandfunk (hier). Weniger gelungen finden ich den Beitrag in der SZ (hier): Der Autor wirft hier ein bisschen viel durcheinander – allerdings natürlich auch angeregt durch Münchs Aussagen, der an manchen Stellen übers Ziel hinausschießt. So habe ich z.B. den Eindruck, dass die Bedeutung des Wissens für unsere Gesellschaft (Wissensgesellschaft) und damit auch für Ökonomie und Arbeit (Wissensökonomie und Wissensarbeit) verkürzt dargestellt wird. Diese Entwicklungen sind ja keinesfalls so zu verstehen, dass damit auch jeglicher Umgang mit Wissen wirtschaftlichen Prinzipien zu unterwerfen ist. Im Gegenteil: Die wachsende Bedeutung des Wissens für Ökonomie und Arbeit macht die Rolle von Bildung und Lernen ja besonders deutlich! Die Antwort darauf kann also genau nicht ein „intellektueller Kapitalismus“ sein, sondern – wie in diesem Blog (hier) ja bereits ausführlich diskutiert – eine „Aufklärung 2.0“. Aber da ist Münch noch nicht. Ich hätte es sehr spannend gefunden, wenn sich ein erfahrener Wissenschaftler wie Münch bei einem solchen Buch mit jüngeren Co-Autoren zusammengetan hätte, die in unserer kapitalistischen Welt Nischen gefunden haben, in denen Ansätze einer solchen „Aufklärung“ aufscheinen.

Trotz dieser (kleinen) Kritik: Toll wäre es, wenn man Münch an diesem „Improve-Kongress“ (ich habe einigermaßen erschüttert vor nicht allzu langer Zeit hier davon berichtet) die Eröffnungsrede halten ließe – dann würde ich auch hingehen.  🙂

4 Gedanken zu „Intellektueller Kapitalismus“

  1. Liebe Gabi Reinmann,
    wie neulich schon auf der Campus Innovation in Hamburg angedeutet, möchte ich hiermit eine weitere Literaturempfehlung aussprechen. Wenn – wie Sie in diesem Beitrag schreiben – die Lektüre von Richard Münchs „Globale Eliten …“ für Sie anregend war, dann gefällt Ihnen womöglich auch das Buch „Globale Immunität oder Eine kleine Kartographie des europäischen Bildungsraums“ von Jan Masschelein und Maarten Simons – erschienen bei Diaphanes 2005 (http://tinyurl.com/ybrmhh3). Dieses kleine, m.E. gut lesbare Büchlein versucht, im Anschluss an Foucault (auf den sich ja auch Münch bisweilen bezieht) und im Anschluss an die ihrerseits an Foucault anschließenden Gouvermentalitäts Studien den neu entstehenden europäischen Hochschulraum zu vermessen. Anders als Münch haben die Autoren dabei insbesondere die darin zunehmend zur Wirkung kommenden Subjektivierungsweisen im Blick, mit denen sich die beteiligten Akteure konfrontiert sehen. Damit stehen gerade auch Fragen der Selbststeuerung, -kontrolle, -bestimmung und -des Selbstmanagements im Zentrum der Studie. Auch das Portfolio (was ja in Hamburg unser gemeinsames Thema war) wird auf S. 39 explizit benannt.
    Vielleicht haben Sie Freude dran. Mich würde es freuen.
    herzlichen Gruß
    Stephan Münte-Goussar

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