Im Urlaub habe ich die neue Studie des HIS-Instituts für Hochschulforschung (Autoren: Woisch, Oltenburger & Multrus) mit dem Titel „Studierendenqualitätsmonitor. Studienqualität und Studienbedingungen an deutschen Hochschulen“ gelesen (online hier). Ich wiederhole jetzt nicht, was in der Zusammenfassung der Studie steht. Viele Ergebnisse der Befragung sind interessant: vor allem der zeitliche Vergleich mit Ergebnissen von einigen Jahren zuvor sowie der Vergleich zwischen Fachhochschulen und Universitäten. Andere Resultate wiederum dürften wenig erstaunlich sein (z.B. die studentische Einschätzung: zu wenig Praxisbezug an Universitäten und zu wenig Wissenschaftsbezug an Fachhochschulen), laden aber trotzdem zur Diskussion ein.
Mir ist jedoch noch etwas ganz anderes aufgefallen, nämlich die Verwendung des Didaktik-Begriffs (a) in der Studiendarstellung (also im Text) und (b) im Befragungsinstrument. Ich habe folgende Verwendungsweisen gefunden und mal sortiert:
(1) „Merkmale des Lehr- und Lernprozesses (Lehrinhalte, Lehrformen, Didaktik, Betreuung)“ (S. 1); (2) „didaktische Vermittlung“ (S. 5) bzw. „didaktische Vermittlung des Lehrstoffs“ (S. 22) bzw. „didaktische Qualität der Stoffvermittlung“ (S. 6), aber auch „Didaktik und Vermittlung“ (S. 24); (3) „die Organisation und Didaktik der Lehre“ (S. 6) sowie „didaktische Lehrqualität“ (S. 10). Der Begriff Hochschuldidaktik taucht im Text dagegen gar nicht auf.
Denkt man über diese Verwendungsweise des Didaktik-Begriffs nach, bleiben aus meiner Sicht einige Fragen offen:
(1) Zunächst einmal wird bei der Definition von Prozessqualität in Form des Lehr- und Lernprozesses die Didaktik in eine logische Reihe neben Lehrinhalte, Lehrformen und Betreuung gesetzt. Für mich ist das, als würde man Dackel, Pudel und Hunde nebeneinanderstellen, was automatisch die Frage auslöst, was denn Hunde sind, wenn Pudel und Dackel offenbar nicht dazugehören. Allenfalls würde man akzeptiere, wenn es hieße: Dackel, Pudel und andere Hunde. Und genau so müsste es auch bei der Qualität des Lehr-Lernprozesses heißen: Lehrinhalte, Lehrformen (und übrigens auch Lernformen), Betreuungsformen und andere didaktische Aspekte/Dimensionen o.ä. Denn was wäre Didaktik, wenn Lehr-Lernformen, Lehr-Lerninhalte und Betreuung (u.a.) nicht zur Didaktik gehören würden?
(2) Des Weiteren fällt auf, wie Didaktik zur Vermittlung in Beziehung gesetzt wird – nämlich recht vielfältig: Da ist z.B. die Rede von einer didaktischen Vermittlung, was impliziert, dass es auch Vermittlungsformen an der Hochschule gibt, die nicht-didaktisch sind. Dieser Meinung kann man durchaus sein, allerdings muss man dann sein Didaktik-Verständnis explizieren. Aus meiner Sicht ist die Vermittlung von Inhalten in der Institution Hochschule eine Säule in der Hochschuldidaktik, aber keineswegs die einzige. Wer sich dem anschließt, der muss nicht von der „didaktischen Qualität der Vermittlung“ sprechen; da reicht dann schlicht die Qualität der Vermittlung als eine didaktische Qualitätsdimension. Später im Text wird die Didaktik ergänzt durch Vermittlung (nämlich: „Didaktik und Vermittlung“), was ja nichts anderes heißen kann, als dass Vermittlung etwas anderes ist als Didaktik. Wie aber passt das mit der „didaktischen Vermittlung“ zusammen?
(3) Unterschieden wird im Text außerdem zwischen der Organisation der Lehre und der Didaktik der Lehre. Eigentlich besteht ja doch ein hoher Konsens in der einfachen Definition von Didaktik als der „Lehre vom Lehren und Lernen“. Definiert man (mal ganz simpel und analog zu oben) Pädagogik als die Lehre von Bildung und Erziehung, würde wohl trotzdem niemand auf die Idee kommen, von einer „Pädagogik der Bildung“ zu sprechen. Ähnlich verhält es sich mit der „didaktischen Lehrqualität“: Die Qualität der Lehre ist neben der Qualität des Lernens bereits eine didaktische Qualität, sofern man unter Didaktik nicht etwas völlig anderes als eben die Lehre vom Lehren und Lernen versteht.
Nun könnte man sagen, dass das alles spitzfindig ist, aber angesichts der Tatsache, dass einerseits nach der Hochschuldidaktik gerufen wird, um Probleme in Lehre und Studium zu reduzieren, andererseits aber gerade die Hochschuldidaktik einen denkbar schlechten Ruf hat, ist es eben nicht gleichgültig, wie in einer großen deutschlandweiten Studie der Didaktik-Begriff verwendet wird. Sollte sich ein Leser der Studie fragen, was denn nun Didaktik (oder auch Hochschuldidaktik) ist, was alles dazugehört, dann dürfte er vom Text eher irritiert sein: Es lässt sich bei dieser Verwendungsweise des Didaktik-Begriffs schlicht nicht klären, was alles darunter fällt: offenbar keine Lehrinhalte, auch keine Lehrformen, stellenweise auch keine Vermittlung – ja, aber was denn dann?
köstlich – aber total zutreffend. Leider wird Präzision (positiv konnotiert) oft mit Spitzfindigkeit (negativ konnotiert) verwechselt. Aber in unserem Bereich leiden wir genau unter einem Mangel an Präzision; ist halt mühsamer.
Gruß, Joachim
Wunderbare Analogie! Aber anscheinend hat sich der Link zur Studie geändert: http://www.dzhw.eu/pdf/21/SQM-2012.pdf
danke, Silvia, habe den Link geändert.
Gabi
hab ich gelacht! und gerade das ist es: präzision im denken. das sollte deutlich mehr geschult, vermittelt und (selbst) gelernt werden – wie auch immer das funktionieren kann. gerade dazu braucht es auch die vorbilder, die es selbst bereits können. und manchmal sind es profs und gute zeigen es einem auf 😉
Ich kann mich den Kommentatoren nur anschließen.
Der saubere Umgang mit Begriffen, ein Qualitätsaspekt von Wissenschaft, scheint eine aussterbende Praktik zu sein. Macht sich auch hier eine Passt scho‘-Mentalität breit? In diesem Fall hat, zumindest an begrifflich zentraler Stelle, der StudienQualitätsmonitor selbst ein Qualitätsproblem 😉