„Professionalisierung der Lehre“ – so lautet der Titel eines neuen Buchs zur Hochschuldidaktik, das über Weihnachten auf meinem Lesestapel lag (der nur unmerklich kleiner geworden ist). Johannes Wildt hat in diesem Buch einen Überblicksartikel zur Hochschuldidaktik geschrieben [vollständige Angabe: Wildt, J. (2013). Entwicklung und Potenzial der Hochschuldidaktik. In M. Heiner & J. Wildt (Hrsg.), Professionalisierung der Lehre. Perspektiven formeller und informeller Entwicklung von Lehrkompetenz im Kontext der Hochschulbildung (27-57). Bielefeld: Bertelsmann.)]. In diesem zeichnet er aus der eigenen Perspektive, wie er mehrfach betont, die wechselhafte Geschichte der Hochschuldidaktik nach und setzt sich mit den Folgerungen für die Zukunft des Faches auseinander – ein lesenswerter Beitrag, den ich zum Anlass für ein paar Kommentare nehme.
Wildt beginnt in seinem Text mit Humboldts „Bildung durch Wissenschaft“, verweist auf die „Hodegetik“ (man könnte sagen: Wissenschaftspropädeutik) und die Hochschuldpädagogik (Ende des 19. Jahrhunderts), führt auch die „Erziehung zur Demokratie“ nach dem zweiten Weltkrieg an und skizziert kurz die eher geisteswissenschaftlich geprägte Pädagogik mit ihren Ausführungen zur Hochschullehre (Wissenschaftsdidaktik, Bildungs- und Lernplantheorie).
Als „neue Hochschuldidaktik“ bezeichnet Wildt die Entwicklungen seit 1970 (ab hier be-schreibt Wildt sozusagen als „Zeitzeuge“ seine Geschichte der jüngeren Hochschuldidaktik). Die 1970er Jahren waren fruchtbare und innovative Jahre, deren Neuerungen durchaus bis heute „überlebt“ haben: Projektstudium, forschendes Lernen, Handlungs- und Aktionsforschung z.B. haben in dieser Zeit ihren Ursprung. Allein die „kritische Universität“, die Wildt hier ebenfalls nennt, hat sich in vieler Hinsicht leider nicht gehalten. Trotz der hohen Produktivität der Hochschuldidaktik in diesem Jahrzehnt, für die Wildt mehrere Gründe ausmacht, deutet sich hier bereits eine Konzentration des Service-Gedankens bei gleichzeitiger Verabschiedung hochschuldidaktischer Forschungsbemühungen an. Einer der Folgen für die zunehmende Forschungsabstinenz: kein wissenschaftlicher Nachwuchs mehr!
Die 1980er Jahre beschreibt Wildt als Jahre des Stillstands, während das New Public Management Einzug in die Universitäten hält und dort vor allem darauf drängt, dass Qualitäten aller Art quantitativ vermessen werden. Der Aufbau von Akkreditierungsagenturen außerhalb der Universitäten ab den 1990er Jahren ist dann nur eine logische Konsequenz, ebenso der Ausbau der Macht des Managements. Auch die Hochschuldidaktik wird in dieser Entwicklung gewissermaßen zum verlängerten Arm des Managements.
Die 1990er Jahre sind geprägt vom Siegeszug der digitalen Medien – was man fast schon vergessen könnte angesichts des Hypes um MOOCS (Massive Open Online Courses), der 2013 den Eindruck erweckte, als sei das Lehren und Lernen mit digitalen Technologien etwas Brandneues (während ich dies schreibe, sitze ich in einem in die Jahre gekommenen IC und neben mir liegt die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift der Deutschen Bahn mit einem Artikel über die wundersamen Möglichkeiten der digitalen Medien an Hochschulen „Per Klick nach Stanford“ – klar, wohin sonst?). In eben diesen 1990er Jahren hat denn auch die Mediendidaktik einen großen Entwicklungsschub gemacht – allerdings weitgehend unbeachtet von der Hochschuldidaktik; entstanden ist eine Art Parallelwelt. Zudem kann man natürlich nicht an die 1990er Jahre zurückdenken, ohne den Beginn des Bologna-Prozesses im Kopf zu haben. Im Schatten des Bologna-Prozesses, so Wildt, habe sich die Hochschuldidaktik eher unbemerkt von der Öffentlichkeit weiterentwickelt – allerdings, so schränkt er selber ein, weitgehend ohne Forschung und vorrangig in Richtung Bildungsmanagement und kombiniert mit Evaluation, Career Service und wissenschaftlicher Weiterbildung (wobei hochschuldidaktische Weiterbildung allenfalls den Nachwuchs, aber so gut wie gar nicht die Professoren erreicht – bis heute nicht).
Wildt lobt – das sei ihm zugestanden – Inseln der Forschung, wie er sie selber an der TU Dortmund aufgebaut hat. Geht man allerdings auf die aktuelle Seite des dortigen Zentrums für Hochschulbildung, wird deutlich, dass die Hochschuldidaktik an sich wiederum vor allem ein Service-Bereich ist und nur einen Teil EINER Professur unter dreien in diesem Zentrum ausmacht. Trotzdem hat Wildt natürlich Recht, wenn er darauf verweist, wie wichtig es für die Hochschuldidaktik ist, dass man deren Feld (was schon bei Flechsig in den 1970er Jahren angelegt war) nicht nur in der Gestaltung von Lehrveranstaltungen, sondern auch in der Gestaltung von Programmen (inklusive Curriculum-Entwicklung) sowie in der Personal- und Hochschulentwicklung ausmacht, die dann auch ihr Verhältnis etwa zum Qualitätsmanagement einer Universität neu definieren muss.
Die Hochschuldidaktik, so Wildt gegen Ende seines Textes, brauche lokale Präsenz, gleichzeitig aber auch überregionale Resonanz, worin man ihm nur zustimmen kann. Wildt sieht die Hochschuldidaktik in dieser Hinsicht auf einem sehr guten Weg (unter anderem verweist er hierzu mehrfach auf die Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik, kurz dghd). Ich kann diesen Optimismus nur ansatzweise teilen: Auch ich sehe einen Schlüssel in der hochschuldidaktischen Forschung, wobei man dann auch darüber sprechen sollte, wie sich eine solche Forschung entwickeln müsste, um ihrem Gegenstand gerecht zu werden (das kann kein wissenschaftstheoretischer und methodischer Monismus sein), und welche Theorien sie braucht. Dass die dghd hier großen Einfluss nimmt oder nehmen kann, kann ich allerdings nicht erkennen. Enttäuschend sind nach wie vor die nur zögerlichen Annäherungsversuche zwischen Hochschul- und Mediendidaktikern. Und warum die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft immer noch keine Sektion für Hochschuldidaktik hat, ist mir seit langem ein Rätsel. „Bildung durch Wissenschaft“ (und damit die Anfänge der Hochschuldidaktik) ist ein so wertvolles gesellschaftliches Ziel, dass unverständlich bleibt, warum man in der Wissen-schaft mit der Hochschuldidaktik so sehr hadert. Auch die Resonanz unter den weiterbildungsresistenten Professoren – so meine These – ließe sich erhöhen, wenn es denn gelänge, die Hochschuldidaktik aus ihrem Management- und Service-Korsett zu befreien, hochschuldidaktische Forschung zu betreiben und eine klare Verbindung zwischen didaktischen Ansprüchen und denen der gesamten Hochschulentwicklung aufzubauen.
Danke für den Beitrag, durch den ich nun auf das Buch aufmerksam geworden bin.
Aus meiner eigenen begrenzten Wahrnehmung in Braunschweig kann ich einige Aspekte nur unterschreiben, speziell „In eben diesen 1990er Jahren hat denn auch die Mediendidaktik einen großen Entwicklungsschub gemacht – allerdings weitgehend unbeachtet von der Hochschuldidaktik; entstanden ist eine Art Parallelwelt.“ Auch ist Forschung im hiesigen Projekt teach4TU nicht vorgesehen.
Ich kann leider nicht mit Zahlen dienen – die Nachfrage durch wissenschaftliche MitarbeiterInnen ist tatsächlich höher als durch ProfessorInnen – aber wir kommen durchaus auch an letztere heran, soweit ich informiert bin.