Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Abschied vom Bildungsinhalt

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Curriculumentwicklung – das klingt im Rahmen der Didaktik selbstverständlich. Man sollte also wissen, was das heißt. Ist das so? Im April werde ich eine dreitägige Veranstaltung zur Curriculumentwicklung anbieten. Es ist klar, dass ich mich da nicht darauf verlasse, schon zu wissen, was alles dahintersteckt. Der Beginn der Planung besteht also darin, erst mal das Feld für diese Veranstaltung inhaltlich abzustecken – und ja, noch VOR den Zielen. Nach meinen Recherchen hat sich meine Vermutung erhärtet, dass speziell im Kontext Hochschule keineswegs klar ist, was jemand meint, wenn er Curriculumentwicklung sagt.

Der Begriff des Curriculums kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Lauf, Zeitablauf, aber auch Wettlauf. Im Deutschen wie im Englischen verwendet man den Begriff des Curriculums vor allem zur Bezeichnung von Lehrplänen, Studienplänen und Bildungsplänen. Die Curriculumtheorie und -forschung wird in der Regel unter die Allgemeine Didaktik subsumiert. Die Allgemeine Didaktik verfolgt an sich den Anspruch allgemein auch in dem Sinne zu sein, dass sie für verschiedene Bildungskontexte und -institutionen, also auch für Hochschulen, gilt. Das ist aber faktisch kaum der Fall: Die Allgemeine Didaktik und damit auch Curriculumforschung und -theorie sind fast ausschließlich im Kontext Schule angesiedelt – wissenschaftlich und praktisch gleichermaßen. Das jedenfalls war mein Ausgangspunkt und der ließ sich in der Literatur auch gut bestätigen. Insbesondere mit Texten von Wolfgang Klafki wird relativ schnell klar, dass und warum die auch heute noch zu hörende Gegenüberstellung von „Methodik und Didaktik“ irreführend ist: Denn hier ist eine Didaktik im engeren Sinne gemeint (was aber ungebräuchlich ist) und genau in diesem engeren Sinne geht es im Bildungsinhalte, um den Lehrplan, also um das Curriculum. Und die Inhalte (das Was) lassen sich dann freilich schon sinnvoll den Methoden (das Wie) gegenüberstellen. Die Didaktik im weiteren Sinne umfasst beides, also Inhalte und Methoden, und das war übrigens schon in den 1970 Jahren die gebräuchlichere Form der Verwendung von Didaktik.

Die Lage ändert sich, wenn man die Curriculumentwicklung an Hochschulen einbezieht. Hier wird der Begriff Curriculumentwicklung zunehmend als ein Synonym für Studienganggestaltung gebraucht, die so stark vom Leitprinzip der Output-/Outcome-Orientierung gelenkt wird, dass Fragen der Auswahl und Anordnung von Bildungsinhalten in den Hintergrund rücken. Inhaltsfragen im Sinne einer Curriculumentwicklung im obigen Sinne spielen in Theorie und Forschung heute kaum eine Rolle mehr. Es scheint, als habe sich die Hochschuldidaktik von der Inhaltsfrage weitgehend verabschiedet. Möglich ist aber auch, dass angenommen wird, man könne die Inhaltsfrage dadurch beantworten, dass man in den Prozess der Studiengangentwicklung relevante Anspruchsgruppen integriert, die dabei helfen den Output/Outcome zu klären. Aus meiner Sicht wäre es semantisch klarer, man würde den Begriff der Curriculumentwicklung auf seine ursprüngliche Bedeutung zurückführen. Inhaltsfragen liegen quer zur Studienganggestaltung und zur Gestaltung von Veranstaltungen: Geht es um die Gestaltung von Veranstaltungen, sind Inhalte und Methoden sinnvoll aufeinander zu beziehen – hier genügen Klafkis Klärungen aus den 1970er Jahren. Geht es um die Gestaltung von Studiengängen, sind Inhalte sowie Strukturvorgaben sinnvoll aufeinander zu beziehen – hier muss man sich an den (wenigen!) Bologna-Regeln orientieren. Für die Hochschuldidaktik leitet sich daraus aus meiner Sicht der Anspruch ab, eigene, am Gegenstand Wissenschaft orientierte, Curriulumtheorien zu entwickeln und entsprechende Forschungen anzustellen.

Auf jeden Fall habe ich jetzt mal in einem ersten Schritt meine Inhalte für die Veranstaltung beisammen und in einen kommentierten Reader zusammengestellt – und wieder selber was dazu gelernt.

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