Zum dritten Mal

Zum dritten Mal (nach 2012 und 2014) hatte das BMBF zur „Bildungsforschungstagung“ am 17. und 18. November 2016 eingeladen. Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es (so auf der Webseite hier zu lesen), „Wissenschaft, Praxis und Politik zusammenbringen“. Es geht um eine „Standortbestimmung der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Bildungsforschung“. Allerdings – das muss man einschränkend dazu sagen – stand doch die Schulbildung ganz deutlich im Vordergrund. Es gab nur ein paar wenige Akzente in Richtung Hochschulbildung, die aber letztlich keine nennenswerte Rolle spielten. Ein wichtiges (sicher auf alle Bildungskontexte erweiterbares) Schlagwort für dieses Jahr lautete: „Zukunftsfähigkeit der Bildungsforschung“ und das angesichts komplexer, nicht eben leicht vereinbarer Forderungen wie: „Bildungsforschung soll zugleich wissenschaftlich exzellent, praxisorientiert und anwendungsnah sein.“ Die Tagung Bildungsforschung 2020 wollte genau dafür Diskussionsforen bieten.

Ich möchte an dieser Stelle über das Symposium berichten, an dem ich aktiv beteiligt war. Birgit Spinath und Johannes Bellmann richteten dieses mit dem Titel „Bildungsforschung der Zukunft – was heißt Zukunftsfähigkeit für die Bildungsforschung?“ aus und hatten dazu Martin Heinrich und mich eingeladen. Mein Auftrag war es, mit dem Thema Design-Based Research einen Beitrag zu den Fragen des Symposiums (Abstract zum Symposium hier) zu leisten. Das habe ich sehr gerne gemacht und es auch nicht bereut: Ich habe von den anderen drei Referenten viel mitgenommen und fand die entstandene „Mischung“ anregend.

Den Einstieg machte Martin Heinrich unter folgendem Titel: „Forschung und Entwicklung? Forschung oder Entwicklung? Forschung als Entwicklung? – Gretchenfragen zur Zukunftsfähigkeit der empirischen Bildungsforschung“. Ausgangspunkt seiner Ausführungen war die Feststellung, dass der FuE-Topos („Forschung und Entwicklung“) ursprünglich bildungsökonomischen Bemühungen entstammt. Der Bedeutungsgehalt von FuE in der deutschsprachigen Bildungsforschung sei dagegen breiter. Das „und“ bei FuE verweise auf das Problem, dass Forschung und pädagogische Praxis Teilsysteme mit je eigener Logik sind und eine Tendenz zur Schließung haben. Wenn man das „und“ zeitlich versteht, dann führe das zu der Vorstellung von Grundlagenforschung mit darauffolgender Übersetzung und Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Praxis – wobei es auch hier um die Schulpraxis ging. Heinrich regte an, Forschung als Entwicklung zu konzipieren und bei den Beteiligten einen „FuE-Habitus“ zu fördern. Gemeint ist damit, dass sich Forscher auch der Entwicklung sowie Praktiker auch den Forschungsergebnissen verpflichtet fühlen sollten. Mehrfach wies Heinrich auch darauf hin (u.a. in der Diskussion danach), dass man bei der Anwendung von Forschungsergebnissen genau unterscheiden müsse, ob diese eine Relevanz für die Politik (also für die Bildungssystemebene) oder für die Lehrpraxis (also für die Unterrichtsebene) haben. Im Zuge der Diskussion um evidenzbasierte Praxis gerate dies mitunter durcheinander.

In meinem eigenen Beitrag zu Design-Based Research (DBR) war mein primäres Ziel, den Ansatz möglichst einfach vorzustellen und das Zukunftspotenzial dieser Art von Bildungsforschung aufzuzeigen. Ich hatte also nicht den Anspruch, neue Erkenntnisse zu liefern, sondern DBR sozusagen mit in die Waagschale der Bildungsforschung zu werfen. Wer also meinen Reader kennt (siehe hier), hat nichts Neues gehört. Trotzdem stelle ich das Manuskript gerne online.

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Birgit Spinath hat in ihrem Beitrag mit Beispielen vor allem deutlich gemacht, dass gut begründetes, verlässliches Wissen zu relevanten Bildungsthemen schon vorhanden ist und einen ermutigen sollte, diesen Weg weiterzugehen – noch dazu in einem „postfaktischen Zeitalter“. Im Anschluss an das Symposium habe ich meine Mit-Referenten gefragt, ob diese Argumentation nicht auch in Richtung einer neuen „Aufklärung“ gehen könnte – aber den Gedanken gibt es schon, wie ich heute morgen in der FAZ online hier gelesen habe, was freilich nicht gegen den Gedanken spricht ;-). Spinath brachte vor allem bildungssoziologische Beispiele, an denen man sehr gut erkennen kann, dass z.B. mehr Bildungsgerechtigkeit eine ganze Reihe positiver gesellschaftlicher Effekte hat (allerdings bringt z.B. Nida-Rümelin in seinem umstrittenen Buch zum Akademisierungswahn – siehe hier – auch so allerlei Fakten, die etwas andere Interpretationen zumindest in Einzelheiten nahelegen, was aber nicht neu ist: wissenschaftliche Belege finden sich nicht selten für eine Aussage und ihr Gegenteil gleichermaßen). Ein weiteres Plädoyer in Spinaths Vortrag ging dahin, nicht nur nach „guter Empirie“, sondern auch nach „guter Theorie“ zu streben und statt der vielen „Klein-Klein“-Projekte auch mal langfristig und „groß“ zu denken, wenn es um die Förderung der Bildungsforschung geht.

Den vierten Beitrag steuerte Johannes Bellmann bei. Unter dem Titel „Bildungsforschung jenseits der Theaterperspektive“, drehte sich der Vortrag zunächst einmal um die Notwendigkeiten, aber eben auch Grenzen der Beobachterperspektive, welche die Forschung üblicherweise einnimmt. Deren einseitige Nutzung führe dazu, dass das Wissen der Akteure in der Bildungspraxis nicht nur unberücksichtigt bleibe, sondern auch abgewertet werde, während die wissenschaftliche Evidenz, also Forschungsergebnisse, eine enorme Aufwertung erfahren. Bellmann sprach sich für eine praxistheoretische Forschung, für Aktionsforschung und für eine pragmatistische Haltung (Erkenntnis als Funktion des Handelns) aus, um einen komplementären Forschungszugang zu schaffen, der die Theaterperspektive verlässt.

Wenn ich nochmal die Fragen nach den Vorträgen und die Diskussion am Ende so bedenke, dann komme ich zu dem Schluss, dass es zwischen uns Vieren doch ein paar geteilte Überzeugungen gibt: (a) Evidenzbasierung muss genauer aufgeschlüsselt werden; unter anderem ist präziser zu unterscheiden, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse für welche Frage- und Problemstellungen für wen genau nützlich sind: Was der Politik hilft, bringt den Lehrenden im Unterricht in der Regel wenig weiter – und umgekehrt. (b) Bildungsforschung braucht multiple Zugänge, deren Komplementarität entscheidend ist, um ein wirklich umfassendes Bild von Bildung zu erlangen und den verschiedenen Akteuren in der Bildung jeweils sinnvolles Wissen anbieten zu können. (c) Bildungsforschung ist unerlässlich– auch eine empirische Bildungsforschung.

Was allerdings alles wissenschaftlichen Standards genügt und als empirische Bildungsforschung gelten darf, konnte nicht intensiver diskutiert werden. Ich denke, hier gibt es dann doch wieder unterschiedliche Einschätzungen. Nur an wenigen Stellen blitzten diese „Grundsatzfragen“ auf. Der Stellenwert von Normen und Normativität sowie die Frage, wie man damit als Forscher umgeht, scheinen mir ein Feld zu sein, auf dem die Unterschiede denn doch mal schneller größer werden. Auch hier, so denke ich, wäre eine vertiefte Diskussion fruchtbar, denn wenn es um Bildung geht, kommt man ja kaum um die Frage danach umhin, was uns in unserer Gesellschaft wichtig ist und wie wir unsere Ziele bestimmen wollen. Schließlich wäre es nochmal eine eigene Aufgabe, im Detail die Aussagen der vier Vorträge daraufhin zu prüfen, wo es mögliche Verbindungen gibt, die etwas Neues schaffen. Dazu aber wäre es wohl notwendig, alle vier Beiträge in schriftlicher Form zu haben.

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