Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Inhalte abholen

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Eine ganze Woche? Als wir die Idee erstmals diskutierten, den berufsbegleitenden Masterstudiengang Higher Education mit fünf Präsenztagen am Stück zu beginnen, gab es zunächst Vorbehalte – auch unter einigen Lehrenden. Letztes Jahre haben wir das erstmals mit unserer Pilotkohorte versucht, und dieses Jahr (in der ersten Oktoberwoche) ein zweites Mal umgesetzt – ohne Vorbehalte, denn: Die Vorteile überwiegen deutlich.

Der Masterstudiengang (zum Konzept geht es hier – und wer lieber etwas hören statt lesen will, kann das hier) muss mit insgesamt 24 Präsenztagen auskommen. Selbst bei einem Umfang von 60 Credit Points (wir befinden uns also in Bezug auf CPs am unteren Rand des Möglichen) ist das wenig, und es gehört viel Selbstdisziplin, wohl auch Selbstvertrauen und ein starker Wille, aber auch ausreichende soziale Eingebundenheit dazu, einen großen Anteil des Studiums in dezentralen Phasen über Online-Aktivitäten zu absolvieren. Die Präsenzzeiten dazwischen sowie die Blockwoche zu Beginn erweisen sich als essenziell für die genannte soziale Eingebundenheit und dafür, dass wir als Lehrende unsere eigene Begeisterung für das Thema einbringen und auf diesem Wege hoffentlich auch zur (zusätzlichen) Motivierung beitragen können.

Immer wieder erreichen uns im Vorfeld des Studienbeginns Bitten und Anfragen, von den Präsenztagen auch fernbleiben zu können, weil diese z.B. mit anderen Terminen kollidieren – mitunter verknüpft mit dem Vorschlag, jemanden zu entsenden, der die „Inhalte abholt“. Mir bzw. uns führt das deutlich vor Augen, wie verbreitet die Auffassung noch ist, dass Präsenzlehre vor allem der Vermittlung dient. Nun bin ich – im Gegensatz zu einigen anderen aus meiner Fachcommunity – überhaupt nicht der Meinung, dass Fragen der Vermittlung in den Bereich „old school“ gehören. Für mich sind die Auswahl, Aufbereitung und Weitergabe von Inhalten auf den verschiedensten Kanälen ein ganz wichtiger Aspekt des Lehrens (im Sinne des Zeigens). Auch dann, wenn wir Texte schreiben, Audios aufnehmen, Videos machen etc., vermitteln wir Inhalte. Aber im Kontext eines Studiums, das im Blended Learning-Format angeboten wird (man könnte auch sagen: im Format des kombinierten dezentralen Lernens und Lernens vor Ort, wenn man die Wörter E-Learning und Blended Learning – warum auch immer – nicht mehr verwenden will), wäre es natürlich fatal, wir würden die wertvolle Präsenzzeit vor allem oder gar ausschließlich damit füllen, zu vermitteln, was wir wissen. Also kann man auch nicht einfach „Wissenspakete“ aus den Präsenztagen abholen; eher haben wir – wenn man ein Pendant zu diesem Bild suchen mag – „Erlebensströme“ anzubieten. Und die erweisen sich als unverzichtbar.

Aber auch für mich als Lehrende sind diese Präsenztage gerade zu Beginn unverzichtbar: Ich lerne unsere Studierenden kennen, kann mir ein Bild machen von der enormen Heterogenität, durch die sich unsere Zielgruppe auszeichnet, erkenne recht schnell die Extrovertierten und die Stillen, die schnell zu Begeisternden und die Skeptischen, auch die, die vielleicht noch unsicher sind, ob der Master überhaupt etwas für sie taugt. Ich bin jedes Mal sehr angetan von der Vielfalt an wissenschaftlichen Hintergründen, welche die Teilnehmer mitbringen, und habe großen Respekt vor der Bandbreite an Wissen und davon beeinflussten Erwartungen und Bewertungsmaßstäben – wohl wissend, wie herausfordernd es ist, eine so heterogene Gruppe für didaktische Theorie und Forschung zu „öffnen“ und gleichzeitig von den Fachwissenschaften zu lernen, die durch die Teilnehmer immer auch mit präsent sind.

Ab jetzt werden wir jedes Semester eine solche Blockwoche haben – also nicht nur Anfang Oktober, sondern auch Anfang April.

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