Die Kultusminister Konferenz (KMK) empfiehlt (hier): Digitalisiert die Hochschullehre. Acht Empfehlungen werden gegeben bzw. mit Zielen gleichgesetzt. Die Grundlage – so heißt es hier auf der Webseite – waren drei Veranstaltungen; auf einer davon war ich auch selber im März 2018 (siehe auch hier). Was also wird empfohlen?
Die Hochschulleitung solle das Strategische in der Gesamtentwicklung der Hochschule sicherstellen: also die Digitalisierung der Hochschullehre auf allen Ebenen verankern. Nun gut, ja: Ich denke mal, Papiere dazu gibt es schon zuhauf … ob es denn auch was nützt?
Die Hochschule solle die organisatorischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen zur Durchführung und Unterstützung der Lehre „in der digitalen Welt“ schaffen. Was ist denn „die digitale Welt“? Dass man technische Infrastruktur, Personal und Geld braucht, um digitale Technologien sinnvoll einsetzen könnte, dürfte (seit Jahrzehnten) auf der Hand liegen – brauche wir dafür wirklich eine KMK-Empfehlung?
Die Hochschulen sollten dann aber auch die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen – um sich hochschulübergreifend zu unterstützen und die Lehre weiterzuentwickeln. Hochschulübergreifend? Das mag auf der Ebene der Forschung klappen, aber ist das in der Lehre angesichts der wachsenden Formalisierung und Verrechtlichung an unseren Hochschulen überhaupt noch realistisch?
Die Hochschule solle die Information, den Austausch und die Vernetzung der Lehrenden zur Weiterentwicklung digitaler Lehre sicherstellen. Ja, das wäre schön; schön wäre auch, wenn man dafür nicht alle zwei Seiten Wörter wie „Anreize“ bräuchte, als müsse man Hochschullehrende nur die richtigen Belohnungen vor die Nase halten, damit sie sich vor dem analogen Ofen in die digitale Kälte wagen.
Die Lehrenden sollten sich in ihren Fachdisziplinen zum Einsatz digitaler Medien austauschen; sie sollten Konzepte zur curricularen Integration digitaler Lern- und Lehrformate entwickeln – neue natürlich. Das ist nun auch irgendwie logisch, wie sonst sollte es gehen. Im Abschnitt darunter heißt es unter anderem: „Konzepte fachbezogener Didaktik sollten dabei mit den Angeboten der allgemeinen Hochschuldidaktik verzahnt sein, um ihre Wirksamkeit optimal entfalten zu können.“ Dass sich die Hochschuldidaktik mit den Fachwissenschaften zusammentun müssen, ist wohl wahr – und dazu bräuchte es in der Tat einige Initiativen. Das wäre denn auch ein wirklich konkreter Anker für eine brauchbare Empfehlung – aber die Empfehlung endet hier.
Die Hochschuldidaktik schließlich solle forschungsbasierte und praxisorientierte Angebote für die digitale Gestaltung der Lehre und Konzepte zu deren Umsetzung machen. Auch ein guter Vorschlag – ja. Wichtig wäre dann aber auch mehr hochschuldidaktische Forschung – nicht nur eine Anwendung der schulischen empirischen Bildungsforschung auf den Kontext Hochschule. Vor diesem Hintergrund hätte ich mich über eine konkrete Empfehlung an Förderorganisationen gefreut, spezifische hochschuldidaktische Forschung dauerhaft mit „ins Programm“ zu nehmen. Schön wären auch Empfehlungen zur Schaffung entsprechender Professuren, damit eine solche Forschung auch dauerhaft Bestand haben könnte.
Mit der Akkreditierung von Studiengängen solle sichergestellt werden, dass digitale Kompetenz curricular in den Studiengängen angemessen verankert ist. Das ist eine ganz typische hochschulpolitische Empfehlung: Immer, wenn es neue gesellschaftliche Herausforderungen gibt, möge man diese bitte ins Curriculum aufnehmen: Gender, Diversity, Nachhaltigkeit, Digitalisierung usw. Alle Fachwissenschaften sind ohnehin eingebunden in gesellschaftliche Veränderungen, wozu auch digitale Technologien gehören dürften. Ein wenig mehr Vertrauen in den fachwissenschaftlichen Sachverstand könnte daher eigentlich nicht schaden.
Und zu guter Letzt: Die Hochschulen sollten durch Festlegung von Standards und Aufbau entsprechender Schnittstellen die datenschutzkonforme digitale Übermittlung von Studierendendaten zwischen Hochschulen ermöglichen. Ah – da bin ich gespannt. Das klappt ja in der Regel nicht mal innerhalb einer Hochschule, geschweige denn, dass Lehrende tatsächlich echte Hilfe im Dschungel der rechtlichen Vorgaben bekommen, weil man bei diesem Thema leider überall so hoffnungslos überlastet ist.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht, was man mit solchen Empfehlungen anfangen soll. Noch dazu, wo es doch schon so viele Empfehlungen und strategische Papier gibt, die sich alle irgendwie gleich lesen. Dass Wissenschaft und Forschung an Hochschulen und in Verbindung damit auch die Lehre einen eigenen Gestaltungswillen ausprägen und die Geschicke unserer Gesellschaft in Sachen Digitalisierung mitentscheiden sollten – davon ist nirgendwo explizit die Rede. Wäre das aber nicht angemessen für akademische Orte der Schaffung und Weitergabe wissenschaftlichen Wissens?