Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Wirkliche Promotionskultur

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Die Promotion ist immer mal wieder Gegenstand der Kritik. Bisher ging diese Kritik tendenziell dahin, dass die Ausbildung von Doktoranden zu unstrukturiert, letztlich auch zu wenig (nur über das Ergebnis der Dissertation selbst) kontrollierbar sei. André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, schlägt nun andere Töne an.

In der ZEIT (Ausgabe 46 im November 2019) formuliert Alt seinen Eindruck, dass die Promotion nur mehr unter dem Blickwinkel der Berufsqualifizierung betrachtet werde – jedenfalls würden Begriffe wie „Skills“ uns „Credit Points“ dies ebenso suggerieren wie die Konvention, von Studierenden und Ausbildung zu sprechen, wenn es um die Promotion geht. „Kaum dagegen ist die Rede von akademischer Freiheit, Autonomie und Wissenschaftsethik. Universitäten aber dürfen das, was zu einer wirklichen Promotionskultur fehlt, nicht aus dem Blick verlieren“, so Alts Mahnung.

Was gehört zu dieser Kultur? Dazu gehört laut Alt erstens die Vermittlung, dass Humboldts Modell unverändert gilt, also die Verbindung von Forschen und Lehren. Zweitens sei die Wissenschaftsgeschichte des eigenen Faches zu integrieren, nämlich als „die beste Schule für die methodische Orientierung“ ebenso wie für den Umgang mit wissenschaftsethischen Fragen. Zur Promotionskultur zähle drittens, Einblick in die jeweilige Publikationspraxis zu bekommen, dabei aber genau nicht von einem Vortrag und Paper zum nächsten zu hetzen, sondern mit den eigenen Erkenntnissen selbstkritisch und verantwortungsvoll umzugehen. Viertens sei der gegenseitige Austausch wichtig und ein „fächerübergreifender Gesprächskontext“ anzustreben.

Diese vier Aufgaben sieht Alt in aktuellen Graduierten-Institutionen nicht ausreichend erfüllt – in den Institutionen also, die in den letzten Jahren durchweg als die bessere Alternative etwa zur Individualpromotion gelobt worden sind. Kritik speziell an der Vergabe von Credit Points während der Promotion gibt es allerdings schon länger (siehe z.B. hier). Gleichzeitig aber arbeitet man weiter an Formalisierungsgerüsten wie dem Qualifikationsrahmen (siehe z.B. hier). Wie das zusammenpasst wird kaum thematisiert.

Ich denke nicht, dass es möglich sein wird, mit einem einzigen Modell zur Promotionsförderung die Anforderungen unterschiedlicher Disziplinen mit ihren diversen Forschungspraxen sowie die heterogenen Lebenshintergründe von Doktoranden unter einen Hut zu bringen. Von daher sollte man eher mehrere Modelle haben und diese am besten auch im Hinblick auf ihre Wirkungen untersuchen.

Etliche der Sätze aus Alts kurzem Text lassen sich meiner Einschätzung nach gut mit wissenschaftsdidaktischen Überlegungen verknüpfen. Vielleicht könnte also gerade die Promotion ein Vorbild dafür werden, unsere Universitäten und die darin praktizierte Forschung und Lehre aus der Perspektive der Wissenschaftsdidaktik (siehe dazu zum Beispiel hier) zu gestalten.

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