Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Besser nicht im Gleichschritt

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„Gesellschaftliche Transformationspotenziale einer Hochschulbildung für das (post)digitale Zeitalter“ – so lautet der Titel einer (digitalen) Gesprächsreihe an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Tom Sporer, vor vielen Jahren Mitarbeiter an der Universität Augsburg, hatte mich zu einem Gespräch mit Rico Behrens eingeladen, um über das „Verhältnis der Ansätze Bildung durch Wissenschaft und Bildung durch Verantwortung“ zu sprechen.

Als wir Anfang 2000 an der Uni Augsburg im Rahmen des Studiengangs Medien und Kommunikation ein „Begleitstudium Problemlösen“ aufgebaut und dann etliche Jahre umgesetzt haben, waren Konzepte wie Service Learning“ oder Lernen durch Engagement und ähnliches noch wenig an deutschen Hochschulen bekannt. Unter anderen Begriffen haben wir aber genau das gemacht: studentische Projekte mit Anbindung an die Stadt (praktisches Problemlösen), verknüpft mit Forschungsfragen (wissenschaftliches Problemlösen) und begleitet von Aktivitäten, die wir unter das Dach „soziales Problemlösen“ subsumiert haben. Tom war damals (neben z.B. Tobias Jenert und Sandra Hofhues) aktiv beteiligt. Ich habe diese Zeit in sehr guter Erinnerung; wir habe viel ausprobiert und ich meine mich zu erinnern, dass man für solche Experimente noch mehr Freiheiten hatte als heute. Also war klar, dass ich bei dieser Anfrage zugesagt habe.

Das Gespräch fand vergangenen Freitag statt. Ziel war es, die Ansätze Bildung durch Wissenschaft und Bildung durch Verantwortung in ihrer Beziehung zueinander näher zu beleuchten. Tom hatte an einigen Stellen auch versucht, Design-Based Research als einen thematischen Anker einflechten zu lassen – liegt auch einerseits nahe, weil dieser forschungsmethodologische Rahmen besonders dazu geeinte ist, Forschung und Praxis miteinander zu verknüpfen. Andererseits war da deutlich die Gefahr, zu viele in sich komplexe Konzepte zu besprechen und bei Zuhörerinnen, die nicht so Vorerfahrung damit haben, eher Verwirrung zu stiften. Aber hinterher ist man ja immer klüger.

Ob wir, wie im Teaser-Text zur Veranstaltung angekündigt – tatsächlich Antworten geliefert haben auf die Frage „ Welchen Beitrag kann die integrierte Förderung wissenschaftlichen Denkens und verantwortlichen Handelns in einem Hochschulstudium leisten und welche Implikationen folgen für die Praxis von Lehrenden und Studierenden?“, kann ich selbe schlecht beurteilen. Leider gab es kaum Diskussionsfragen aus dem zuhörenden Publikum bzw. nur aus einer einzigen Richtung, was ich ein wenig schade fand. Von meinem Gesprächspartner Rico Behrens du seinem fachlichen Hintergrund zur politischen Bildung konnte ich jedenfalls ein paar neue Dinge lernen und ebenso erkennen, dass auch die Fachdidaktik aus dieser Richtung durchaus ähnliche Vorannahmen (z.B. der Rückgriff auf Deweys Pragmatismus) macht wie es in fachbergreifend gehaltenen hochschuldidaktischen Überlegungen der Fall ist.

Wir kamen mehrfach zu dem Schluss, dass viele aktuelle Diskussionen etwa über Ziele und Normvorstellungen in der Hochschullehre (auch die, dass man darüber zu wenig nachdenkt) keineswegs neu sind, dass mindestens in den 1970er Jahren (siehe dazu auch den Impact Free Artikel 30: Forschendes Lernen als Hochschulreform? Zum 50-Jahr-Jubiläum der Programmschrift der Bundesassistentenkonferenz ) vieles von dem, was wir heute wieder beklagen (zu wenig neue Ideen für die Lehre, Widerstände seitens Lehrender, gesellschaftliche Distanz zu spezialisierter Fachwissenschaften) oder erhoffen (flächendeckende Umsetzung bestehender didaktischer Konzepte, Austausch zwischen Lehrenden) bereits auf der Agenda steht. Es gibt einfach keine Patentrezepte für „Wandel“ – wo immer er auch stattfinden soll. Und am Ende wissen wir ja auch nie, wohin dieser Wandel geht, und manchmal frage ich mich, ob wir nicht vielleicht bewusst auch in der Hochschullehre mehr auf Vielfalt setzen sollten. Disziplinen und Fächer sind verschieden, Hochschullehrende sind verschiede und Studierende sind verschieden. Es kann letztlich keine gute Idee sein, wenn alle im Gleichschritt in die Zukunft gehen, einer speziellen „Lehrverfassung“ folgen, den gleichen Slogans huldigen und didaktisches Denken und Handeln unter eine Maxime stellen …

Das Gespräch wurde aufgezeichnet und man kann es online hier abrufen.

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