Die Pandemie hat auch der SoTL-Bewegung zugesetzt (zum Thema SoTL siehe u.a. hier in diesem Blog). In ihrem Text “SOTL under stress: Rethinking teaching and learning scholarship during a global pandemic” beschreiben Cruz und Grodziak (2021), wie schwierig das Beforschen der Lehre in einer Zeit ist, in der Hochschullehrerinnen enorm herausgefordert, oft auch überfordert, sind. Gleichzeitig sehen die Autorinnen neue Fragen auf SoTL zukommen, die letztlich den Charakter von SoTL erweitern könnten.
Cruz und Grodziak nehmen in diesem Zusammenhang Bezug auf ein frühes Konzept innerhalb von SoTl, nämlich auf Pat Hutchings Fragen-Taxonomie. Dabei handelt es sich um vier Fragetypen (ich übersetze frei), die mit SoTL zu beantworten seien, nämlich: (1) Was funktioniert? (what works?) (2) Was ist? (what is?); (3) Was könnte sein? (visions of the possible), (4) Welche Erkenntnis resultiert? (theory building). Im Angesicht der pandemisch bedingten Erfahrungen in der Hochschullehre schlagen die Autorinnen nun vor, diesen Fragenkatalog mit folgenden Fragetypen zu erweitern:
Da ist zunächst die Frage (5): Wie funktioniert es (gerade)? (how is it working?). Hintergrund ist, dass in der Pandemie für bisher nie dagewesene Anforderungen sozusagen der Konnex zwischen Vergangenheit (was hat sich bewährt?) und Gegenwärt (was lässt sich daher jetzt nutzen?) unterbrochen ist (siehe dazu auch hier). Mit der Frage, wie etwas (gerade) funktioniert zielen Cruz und Grodziak darauf ab, eine Art „reflection in action“ zu befördern, also noch im Prozess des Erprobens einer Intervention in der Lehre erste Aussagen zu machen und nicht erst eine umfassende Studie mit entsprechend zeitlicher Verzögerung abzuwarten. Das, so meinen die Autorinnen, erfordert aber eine kritische Auseinandersetzung mit der bisherigen Form des Forschens in SoTL, die recht dominant das klassische empirische Forschen als den richtigen Weg betont.
Eine weitere Frage, welche zu Ergänzung vorgeschlagen wird, lautet (6): Was ist deine Geschichte? (what is your story?). Hier geht es um persönliche Narrative (kontextualisiert) und darum, diese nicht nur anekdotisch zu sehen, die wissenschaftlich nichts beizutragen haben. Angesprochen werden entsprechende Methoden wie Autoethnografie (zu diesem Thema siehe z.B. hier).
Der Text liefert noch einige andere Vorschläge und endet mit einer kritischen Reflexion der vorgeschlagenen zusätzlichen Fragen für die SoTL-Bewegung. Der Text hat mir nochmal vor Augen geführt, wie vielfältig SoTL-Aktivitäten sein können. Insbesondere die Fragen, was sein könnte (3), was gerade funktioniert (5) und welche eigene Geschichte man dazu erzählen kann (6) lassen sich gut mit Design-Based Research in Verbindung beringen.
Vollständige Quellenangabe: Cruz, L.E. & Grodziak, E.M. (2021). SOTL under stress: Rethinking teaching and learning scholarship during a global pandemic. Teaching & Learning Inquiry, 9 (1). Inline hier. https://files.eric.ed.gov/fulltext/EJ1293620.pdf