Es gibt ein neues Buch zu Design-Based Research:
Philippakos, Z.A., Howell, E. & Pellegrino, A. (2021). Design-Based Research. Theory and Application. New York: Guilford.
Dieses Buch ist nur EIN Indikator für das (wieder) wachsende Interesse an DBR – nach dem ersten Höhepunkt Anfang 2000. Das ist erfreulich! Schade aus Sicht der Hochschul-/ Wissenschaftsdidaktik ist, dass sich der Band erneut vorrangig mit dem Kontext Schule beschäftigt. Das Feld Higher Education bleibt bei DBR offenbar immer noch nachrangig.
Natürlich habe ich mir das Buch trotzdem genauer angesehen, und das lohnt sich auch: Zum einen sind mehrere Beiträge grundsätzlicher Natur und damit weitgehend kontextunabhängig zu lesen. Zum anderen gibt es ein paar Texte zur Lehrerbildung; diese liegen entsprechend im Schnittfeld von Schule und Hochschule. Zu beiden Gruppen ein paar erste Eindrücke:
Der Text von M. Campanella und W.R. Penuel mit dem Titel „Design-Based Research in Educational Settings. Motivations, Crosscutting Features, and Considerations on Design“ setzt sich mit den Besonderheiten von DBR auseinander. Diese sind aus Sicht der Autorinnen: (a) DBR ist zukunftsorientiert; (b) DBR generiert Theorie und Wissen über Lernen UND Design; (c) DBR möchte nützlich sein; (d) DBR ist iterativ. Die Ankündigung, dass die Herausarbeitung der Besonderheiten einen etwas anderen Akzent verfolgt als üblich, kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn die genannten Merkmale scheinen mir doch längst Konsens zu sein. Es folgen ein paar Bespiele – allerdings (wie gesagt) aus dem Kontext Schule.
Für alle, die zu DBR publizieren – als schon etabliertere Wissenschaftlerinnen oder als Doktoranden – dürften zwei Texte ganz besonders interessant sein. Zum einen: Der Beitrag von M.A. Hjalmarson, A.W. Parsons, S.A. Parsons und A.C. Hutchins „Adressing Publication Challenges in Design-Based Research“ und der Beitrag von S. McKenney und T. Reeves „Graduate Students Writing Design-Based Research Dissertations“. Beide Autorenteams verweisen treffend auf die immer noch bestehenden Hürden bei der Publikation von DBR-Studien. Hjalmarson et al. beschreiben anschaulich und exemplarisch, mit welchen Kritikpunkten Reviewer um die Ecke kommen, wenn sie, wie leider oft der Fall, wenig Berührung mit DBR haben. Vieles von dem dürfte denen, die DBR praktizieren und dazu publizieren, bestens bekannt sein. Es werden in beiden Texten eine Reihe von Ratschlägen genannt, deren Berücksichtigung aber – so meine Einschätzung – sicher keine Erfolgsgarantie sind. Trotzdem: Die beiden Texte liefern wichtige Anker für das Thema „DBR publizieren“. Hjalmarson et al. verweisen aus meiner Sicht noch besser als McKenney und Reeves, wie wichtig es ist, bei der Veröffentlichung von DBR klar zu machen: „What distinguishes a DBR project from other types of research“? (p. 29). Beide Texte werde ich sicher nochmal lesen und zusammenfassen – unter anderem für die Studentinnen und Studenten in unserem Master Higher Education.
Zumindest Bezüge auch zur Hochschule (über die Lehrerbildung) liefern folgende drei Texte: (1) J. van den Akker und N. Nieveen führen im Beitrag „Combining Curriculum and Teacher Development through Design Research“ unter anderem den Begriff „curricular design research“ ein, der eine vielversprechende Perspektive eröffnet und gegebenenfalls auch für die Studiengangsgestaltung interessant sein könnte. (2) A. Pellegrino stellt in seinem Text ein Beispiel für „Purposeful Clinical Practices in Teacher Preparation through Design-Based Research” vor. (3) N.J. van der Walk, A. Bakker, A. Moes und P. Drijvers schließlich steuern einen Text zum Thema „Fostering Techno-Mathematical Literacies in Higher Technical Education“ bei.
Besonders gut hat mir schließlich das Vorwort von David Reinking gefallen, das aus meiner Sicht mehr ist als ein übliches Vorwort und auch als eigenständiger Text gelesen werden kann. Reinking beschreibt hier seinen Weg zu DBR und verbindet dies mit einer anschaulichen historischen Skizze von DBR. Er macht knapp und überzeugend deutlich (und man kann das nicht oft genug betonen), dass DBR nicht einfach ein zusätzlicher, anderer Ansatz ist, Daten zu erheben und auszuwerten. „Instead, it offers a different ethos that foreground an entirely different domain of research questions” (P. xv). Wichtig finde ich zudem Reinkings Hinweis, dass es inzwischen mehrere DBR-Varianten gibt, die keineswegs auf Unstimmigkeiten, sondern verschiedene Ausprägungen hinweisen – wie das bei anderen Forschungsstrategien auch oft der Fall ist.