Hat in diesen dauer-verrückten Zeiten eigentlich noch jemand ein Ohr für Scholarship of Teaching and Learning? Im Oktober hatte ich (hier) auf einen Text hingewiesen, in dem die Autoren dazu ihre Zweifel äußerten (SoTL under stress). Trotzdem habe ich es gewagt, einen Termin im Professor:innen-Programm „Wissenschaftsdidaktik im Gespräch“ anzubieten, der sich dem Thema SoTL widmet.
Tatsächlich haben sich zum gestrigen (digitalen) Treffen auch nur vier interessierte Kollegen (ja, alles Männer) angemeldet: aus der Physik, Linguistik, Fachdidaktik und Informatik. Für die wissenschaftsdidaktischen Gespräche sind auch kleine Zahlen wie diese kein Problem – im Gegenteil: fünf bis sieben Personen kommen erfahrungsgemäß gut in einen Austausch. Das Wissen um und die Erfahrungen mit SoTL waren auch in der kleinen Gruppe breit gestreut: von recht spezifischen bildungswissenschaftlichen Kenntnissen über erste Ideen zum Konzept bis zu keiner Vorstellung, aber Interesse. Im Text von
Kern, B., Mettetal, G., Dixson, M. D., & Morgan, R. K. (2015). The role of SoTL in the academy: Upon the 25th anniversary of Boyer’s scholarship reconsidered. Journal of the Scholarship for Teaching and Learning, 15(3), 1-14. (online hier)
gibt es auf Seite 5 eine Grafik, die ich ganz hilfreich finde. Ich habe sie mal nachgezeichnet und ein wenig verändert:
Ausgehend von dieser Grafik haben wir erst einmal die Erfahrungen der vier Teilnehmenden besprochen, doch es zeigte sich schnell, dass deren Bedarf in ganz unterschiedliche Richtungen und (mit einer Ausnahme) deutlich vom gesetzten SoTL-Thema weg ging. Das ist aus meiner Sicht kein grundsätzliches Problem, denn das Hauptziel der Veranstaltung ist der Austausch zwischen den lehrenden Fachwissenschaftlern. Es gab einige Momente, in denen deutlich wurde, dass genau dieser Austausch sehr wichtig ist: etwa als es um das Wissenschaftsverständnis ging, mit dem man Hochschullehre beforschen kann oder soll (hier gibt es – fast immer – disziplinspezifisch deutliche Unterschiede) oder als wir über die Rolle der Fächer für Fragen der Gestaltung von Lehre (z.B. bezogen auf heterogene Studierendengruppen) gesprochen haben.
Ich bin immer wieder ein wenig hin- und hergerissen, wie ich die Wissenschaftsdidaktik-Gespräche strukturieren soll: Als ich mit dem Programm vor einigen Jahren gestartet bin, habe ich diese zunächst recht (themen-)offen gestaltet. Es kristallisierte sich dann aber doch der Wunsch heraus, einen klareren thematischen Anker zu haben und dazu auch – von meiner Seite – einen kleinen Input zu bekommen. Das funktioniert mitunter auch ganz gut. Dann aber gibt es wieder Termine (und das hängt vermutlich von der Zusammensetzung der Gruppe ab), bei denen ich sehr flexibel das gesetzte Thema doch wieder hintanstellen und erst einmal verstehen muss, was die Kolleginnen und Kollegen bewogen hat, zu dem Gespräch zu kommen. Vielleicht aber muss es eben genau so sein: Mit einem Thema starten und es dann auch wieder loslassen, wenn die Mehrheit eigentlich etwas anderes erwartet?
Noch kurz zurück zu SoTL: Als ich das Thema gesetzt hatte, war noch nicht ganz absehbar, wie sich das Semester in pandemischer Hinsicht entwickeln wird. Angesichts der gerade wieder sehr dynamischen bis chaotischen Bedingungen für die Hochschullehre haben die angesprochenen Professorinnen und Professoren in jedem Fall andere Probleme und Fragen als solche, die das Beforschen der eigenen Lehre betreffen – ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt also: SoTL under stress … mal wieder. Dass immerhin vier Personen dafür Zeit fanden, ist also schon wieder bemerkenswert. Was diese Erfahrungen (immer wenn es eng wird, hat man nicht nur wenig, sondern gar keine Zeit mehr für Aktivitäten wie SoTL) für das Thema langfristig bedeutet, darüber bin ich mir auch noch nicht im Klaren.