Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Vielleicht unbeabsichtigt, aber beunruhigend

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Vor wenigen Monaten hat Bruce Macfarlane einen Text zur Lehrfreiheit veröffentlicht.

Bruce Macfarlane (2021). Why choice of teaching method is essential to academic freedom: a dialogue with Finn. Teaching in Higher Education. DOI:10.1080/13562517.2021.2007473

Nach der Lektüre habe ich den Eindruck, dass es da einige Gemeinsamkeiten mit der Auseinandersetzung in der Folge des Wissenschaftsratspapiers von 2017 zu Strategien für die Hochschullehre gibt: In beiden Fällen geht es um die Streitfrage, wie sich (didaktische) Entscheidungen in der Hochschullehre auf individuelle und/oder institutionelle Verantwortung verteilen (siehe dazu auch hier einen dazugehörigen Text und hier ein Streitgespräch zum Thema Hochschullehre im Spannungsfeld zwischen individueller und institutioneller Verantwortung auf der 15. Jahrestagung der GfHf).

Macfarlanes Essay hat einen konkreten Bezugspunkt, nämlich folgenden Text: Finn, S. (2020). Academic freedom and the choice of teaching methods. Teaching in Higher Education, 25 (1), 116-123. Der Autor widerspricht vehement Finns Auffassung, dass man Fragen der methodischen Gestaltung von Lehre stärker zentralisieren bzw. kontrollieren und nach (fachübergreifenden) Erkenntnisse etwa der Lehr-Lernforschung ausrichten solle, was keine Verletzung der Lehrfreiheit sei; Lehrfreit (bzw. „academic freedom“) legt Finn nämlich eher eng als die Freiheit aus, die eigene akademische Meinung äußern und auch kontroverse Inhalte in die Lehre integrieren zu können. In seiner Argumentation stellt Macfarlane dieser Auffassung zunächst ein anderes Verständnis gegenüber und beruft sich dabei interessanterweise auf die deutschsprachige Tradition: „ […] the freedom to teach – or lehrfreiheit – is a comparatively neglected concept originating in the German tradition of the university“.

Lehrfreiheit ist für Macfarlane also pädagogische oder didaktische Autonomie, die er in Gefahr sieht durch eine Auffassung wie sie Finn formuliert, und wie sie, so seine Beobachtung, im Zuge der Pandemie unmittelbar erlebbar geworden sei. Auch wenn es natürlich immer diverse Einschränkungen bei didaktischen Entscheidungen gäbe, würden forschende Lehrpersonen in jedem Fall besser als Akteure aus anderen Bereichen der Universität dazu in der Lage seien, didaktisch angemessen zu handeln ebenso wie didaktische Neuerungen hervorzubringen. Macfarlane argumentiert im Laufe des Textes sowohl historisch als auch mit Bezug auf die Lehr-Lernforschung. Unter anderem setzt er sich mit der viel gescholtenen Vorlesung (kritisiert etwa als langweiliger und lehrerzentrierter Monolog) auseinander (siehe dazu auch hier) sowie mit der naiven Lobpreisung studierendenzentrierter Formate (siehe dazu auch hier). Zu Recht, wie ich meine, stellt er fest, dass es unsinnig sei, einzelne Formate oder Methoden zu verordnen, weil es am Ende immer darauf ankomme, wie und wozu man diese umsetzt: „[…] the choice of any method is no guarantee that the teacher will execute it in the manner in which it is theoretically intended”.

Wenn Macfarlane davon ausgeht, dass Lehrpersonen, die in ihrem Fach auch forschen und damit auf den neuesten wissenschaftlichen Stand in ihrer Disziplin sind, die zentralen Akteure in der Hochschullehre und deren Entwicklung sein müssen, kommt darin, so meine Einschätzung, eine wissenschaftsdidaktische Haltung zum Ausdruck. Ein weiterer wissenschaftsdidaktischer Bezug in Macfarlanes Argumentation ergibt sich, wenn er feststellt, dass die Lehrfreiheit von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Disziplinen ist. Zudem würde eine fachübergreifende didaktische Qualifizierung am Ende weniger bewirken als die Weiterentwicklung der eigenen forschenden Haltung, wobei er mit Forschung einen breiten Ansatz (und keine Einengung auf Empirie) verfolgt. Ähnliche Überlegungen habe ich selber kürzlich (hier) auch angestellt.

Macfarlanes Fazit am Ende seines Textes zitiere ich am besten in seinen eigenen Worten: „Finally I believe that Finn’s argument provides a worrying illustration of the changing role of the educational developer from one focused on the development of individual academics to that of an institutional change agent; […]. The threat to academic freedom, especially in relation to the freedom to teach, is conventionally understood as coming from outside the walls of the university from undemocratic governments and aggressive lobby groups. However, in the day-to-day business of learning and teaching in higher education it is the university itself, and those charged with a responsibility to improve it, who appear to be playing a perhaps unintentional role in undermining the freedom to teach turning Finn’s vision into a disquieting reality.“

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