Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Im letzten Drittel – Nachwuchskolloquium des DBR-Netzwerks

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Ziemlich genau ein Jahr nach unserem ersten Nachwuchskolloquium im Rahmen des wissenschaftlichen Netzwerks Design-Based Research – kurz DBR-Netzwerk – (siehe hier) fand am Freitag, den 20. Januar 2023 nun das zweite statt. Im Januar 2022 waren wir aufgrund der Pandemie eher zwangsweise online gegangen, denn ursprünglich waren Präsenz-Kolloquien geplant. Unsere Erfahrungen mit der Kombination von Social Video Learning (also vorab eingestellte Präsentationsvideos mit asynchroner Kommentierung und Rekommentierung vorab; siehe dazu auch hier) und einem synchronen Kolloquiumstag waren in diesem Zusammenhang allerdings durchweg gut. Daher haben wir uns 2023 sozusagen freiwillig erneut für den Online-Modus entschieden. Wir sehen mehrere Vorzüge: Es werden Wege und Kosten gespart; auch Personen können teilnehmen, die in Präsenz und auf eigene Kosten ansonsten nicht kommen könnten; das gewählte Verfahren bringt mehr Zeit für Diskussion und potenziell mehr Diskussionstiefe mit sich. In einer abschließenden Feedback-Runde haben die Referentinnen und Referenten, die ihre DBR-Vorhaben vorgestellt und diskutiert haben, bestätigt, dass das Verfahren die genannten Vorteile mit sich bringt.

Das Anliegen des kombiniert asynchronen und synchronen Online-Kolloquiums war ein Mehrfaches: Wir wollten den einzelnen Projekten ausreichend Raum geben zum Austausch über DBR, zum gemeinsamen Nachdenken über Hürden und Herausforderungen sowie zum Einholen von konstruktivem Feedback und Impulsen. Gleichzeitig wollten wir auf übergreifende Fragen zu DBR schauen und dazu in einen Dialog gehen. Schließlich galt unsere Aufmerksamkeit diesmal auch einem Schwerpunktthema, nämlich: Design-Based Research innerhalb von bildungspolitischen Förderprogrammen. Dieser Schwerpunkt geht auf die Initiative von Hubert Ertl aus dem DBR-Netzwerk zurück: Er ist Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Berufsbildung sowie Professor für Berufsbildungsforschung an der Universität Paderborn. Er hat diesmal mit uns, dem Koordinierungsteam des Netzwerks (Alexa Brase, Tobias Jenert und ich) das Kolloquium organisiert und mit einem Keynote den Auftakt der rund sechsstündigen Veranstaltung gemacht.

Hubert Ertls Vortrag gab einen instruktiven Überblick über „Gestaltungsorientierte Forschung innerhalb von bildungspolitischen Förderprogrammen“ (so auch der Vortragstitel). Einleitend wurde die Bedeutung von Förderprogrammen insbesondere im Bereich der Berufsbildung skizziert. Diese Programme zielen häufig darauf ab, neue Problemlösungen (also Innovationen) zu fördern; wie das genau aussehen kann, hat Hubert Ertl am Beispiel des Innovationswettbewerbs InnoVET aufgezeigt. Ein wichtiges Element in nahezu allen dieser Programme ist der Transfer – Transfer im Sinne von Verstetigung, Verbreitung und/oder systemischer Wirkung. Deutlich wurde im Vortrag nicht nur die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis; verdeutlicht wurde auch, wie im Rahmen dieser Förderprogramme die Politik und deren Interessen hinzukommen: Es handelt sich dann um Praxis-Wissenschaft-Politik-Kooperationen. In solch einem Gefüge eignet sich DBR prinzipiell sehr gut als Forschungsansatz, was der Vortrag konkretisiert hat. Allerdings lässt sich das Potenzial von DBR aufgrund der besonderen Bedingungen für Forschung im Rahmen von Förderprogrammen (mit politischen Intentionen) häufig nicht optimal entfalten, so das Resümee von Hubert Ertl.

An dieses Fazit knüpfte später die Podiumsdiskussion an, die das Nachwuchskolloquium abgeschlossen hat. Neben Hubert Ertl nahmen drei weitere Personen an der Podiumsdiskussion teil: Christoph Acker, Referent für die berufliche Weiterbildung im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Dr. Nina-Madeleine Peitz, Mitarbeiterin im Projekt InnoVET am Bundesinstitut für Berufsbildung, und Prof. Dr. Karl Wilbers, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Meine Aufgabe war es, das Podium zu moderieren. Rückblickend denke ich, dass es uns über die Besetzung der Diskussionsrunde ganz gut gelungen ist, verschiedene Perspektiven auf Chancen und Risiken von DBR-Projekten – auch in der Funktion von wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten – im Rahmen bildungspolitischer Förderprogramme zu beleuchten: Christoph Acker konnte die Perspektive des BMBF bzw. Mittelgebers einbringen und darlegen, warum manche politischen Ziele in der Berufsbildung nicht immer wie gewünscht mit den Erfordernissen von DBR-Vorhaben harmonieren. Nina-Madeleine Peitz konnte ihre Erfahrungen aus einer operativen Perspektive beisteuern und berichten, wie sich die Lage für Projekte im Programm InnoVET darstellt. Karl Wilbers nahm die Rolle des Wissenschaftlers ein, dem die Aufgabe obliegt, Nachwuchswissenschaftlerinnen zu begleiten; er brachte aus meiner Sicht prägnant auf den Punkt, welche Spanungsmomente sich hier auftun. Hubert Ertl schließlich war in der Lage, quasi aus der Vogelperspektive zu ergänzen, welche Aspekte für die wissenschaftliche Begleitung von bildungspolitischen Förderprogrammen angesichts diverser Reibungen zwischen praktischen, wissenschaftlichen und politischen Ansprüchen besonders wichtig sind.

Zwischen dieser Rahmung zum Schwerpunktthema befand sich – ich sage mal – der Hauptteil des Nachwuchskolloquiums, nämlich insgesamt neun Sessions zu je 45 Minuten in drei Tracks, und das heißt: Jeder Teilnehmer konnte an Diskussionen zu zwei Vorträgen (vorab verfügbar als Videos) und einer Poster-Session mit je zwei Postern bzw. einmal einem Poster (ebenfalls vorab als Videos verfügbar) teilnehmen. Hier kann man sich einen Überblick über das Programm verschaffen. Das Schöne an dem gewählten Verfahren ist: Auch wenn man nur in drei synchrone Sessions konnte, war es doch möglich, sich jeden Beitrag vorab anzusehen und im Prinzip auch zu diskutieren – jedenfalls asynchron. Inhaltlich deckten die Beiträge der Nachwuchswissenschaftlerinnen eigentlich alle Bildungskontexte ab: DBR in der Berufsbildung, Schul- und Lehrerbildung sowie Hochschulbildung. In diesem Hauptteil war das Kolloquium zweisprachig: In jedem Track gab es ein englischsprachiges Angebot – darunter auch mit einer Referentin aus Brasilien (Raquel Tusi Tamiosso).

Meine persönliche Einschätzung ist, dass das Nachwuchskolloquium gut gelaufen ist und immerhin elf Nachwuchswissenschaftlerinnen ein Forum zum Austausch gegeben hat. Eben dies ist im Kontext von DBR nach wie vor wichtig, weil dieser methodologische Rahmen noch längst nicht den Stellenwert in Forschungseinrichtungen hat wie andere, etablierte, Forschungsansätze. Gleichzeitig hat mir aber auch diese Veranstaltung wieder gezeigt, dass sich DBR als „Dach“ zunehmend weiter ausdifferenziert: Die Auslegung von DBR variiert durchaus und ich meine allmählich ein gewisses Muster erkennen zu können. Insbesondere fachdidaktisch ausgerichtete DBR-Vorhaben orientieren sich stark an empirischen Ansätzen und integrieren das Design zwar als wichtiges Ziel, das aber tendenziell getrennt vom Erkenntnisgewinn betrachtet wird – so jedenfalls mein Eindruck. Im Berufs- und Hochschulbildungsbereich scheint mir dagegen das Bild weniger homogen zu sein und verschiedene Interpretationen in Bezug auf den Stellenwert von Design und die Relation von empirischen und gestalterischen Aktivitäten zu umfassen. Mein eigenes Interesse gilt seit jeher der Lesart von DBR als „research through design“ und den damit zusammenhängenden Möglichkeiten, das Entwurfshandeln zum primären Mittel der Erkenntnis zu machen, was durch Empirie zu begleiten ist, aber davon nicht zu dominieren ist … doch das führt jetzt weiter weg vom Kolloquium und ist ein eigenes Thema.

Im Rahmen der Laufzeit des DBR-Netzwerks bis zum Frühjahr 2024 sind noch ein Symposium im September 2023 (in Hamburg) sowie ein letztens (internationales) Online-Kolloquium vermutlich wieder im Januar 2024 geplant. Mit anderen Worten: Wir befinden uns bereits seit einigen Monaten im letzten Drittel des DBR-Netzwerks, jedenfalls wenn man es von der Förderseite aus betrachtet. Zu hoffen ist freilich, dass die Vernetzung an sich, die wir hier anstoßen, von längerer Dauer ist.

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