Der November 2023 hat am HUL international begonnen: Wir hatten David Pace zu Gast, der einen Workshop zu Decoding the Disciplines angeboten hat. Wer in der Hochschuldidaktik aktiv ist, wird dieses Konzept kennen: Im Kern geht es darum, in Interviews zunächst diejenigen Stellen im Lehr-Lernprozess zu identifizieren, an denen Studierende oft „steckenbleiben“ (bottlenecks), um dann zu eruieren, wie Experten an diesen neuralgischen Stellen eigentlich selber denken und handeln. Letzteres ist vor allem im Falle langjähriger Expertise meist implizit, kann also nicht sofort artikuliert, sondern muss (im Dialog) erst explizit gemacht bzw. zum Sprechen gebracht werden. David Pace – eigentlich schon lange im Ruhestand (aber kann man als Wissenschaftler überhaupt in den Ruhestand gehen?) – beschäftigt sich seit langem mit diesem Vorgehen, bei dem allerdings weniger Disziplinen entschlüsselt werden als disziplinäre Expertise. Wer mehr dazu wissen will, wird unter anderem hier fündig. Für den deutschsprachigen Bereich hat sich Peter Riegler für das Verfahren stark eingesetzt, was man zum Beispiel hier nachlesen kann.
Wir hatten einen ganze Nachmittag Zeit und die ist schnell vergangen: Zunächst hat David Pace ins Konzept eingeführt. Auch wenn ich es kannte, war es doch eine schöne Sache, den Begründer von Decoding the Disciplines mal live zu erleben und sprechen zu hören; der Zugang ist dann doch ein anderer als über Lektüre von Büchern und Artikeln. Einen Ausschnitt aus einem Decoding-Interview hat er dann exemplarisch vorgeführt – am Beispiel der Rechtswissenschaft. Im Anschluss haben wir es in Kleingruppen selbst versucht. Das ist generell eine sinnvolle Form, wie ich finde, einen mehrstündigen Workshop zum Thema durchzuführen. Der Nachmittag hat mich durchaus noch einmal darin bestärkt, dass Decoding the Disciplines zusammen mit Scholarship of Teaching and Learning wichtige Verfahren für die Hochschuldidaktik sind und diese – als einen Zweig zumindest – in Richtung fachspezifische Wissenschaftsdidaktiken weiterentwickeln könnten (siehe dazu auch hier).
Noch eine Anmerkung zum methodischen Ablauf des Decodings: Beim Ausprobieren ist mir persönlich gleich eine Variante für Decoding-Interviews durch den Kopf gegangen. Vermutlich aufgrund meiner intensiven Beschäftigung mit Design-Based Research bzw. Research Through Design kam mir im Dialog mit den anderen in unserer Kleingruppe der Gedanke, über eine mentale Simulation möglicher „Lösungen“ für ein noch nicht klar erkanntes Problem zu dessen Schärfung beizutragen. Das stieß bei einigen aus der Gruppe auf Widerstand, vermutlich, weil man ein solches Vorgehen schnell missverstehen kann als Versuch, sofort eine Lösung zu liefern, noch bevor man das eigentliche Problem verstanden hat. Das würde ich auch für nicht sinnvoll erachten: Ganz im Sinne eine iterativ-zyklischen designorientierten Vorgehens aber scheint es mir möglich, mit einem Herantasten mithilfe der Frage „Was könnte helfen?“ das Problem als solches einzukreisen – also eine Art gedankenexperimentelle Vorgehensweisen als Mittel zur Problemschärfung zu verwenden.
Zum Schluss noch ein Link zu einem der aktuellen Texte von David Pace – nämlich hier.