Wer eine Professur an einer Universität hat, soll forschen, lehren und sich in der akademischen Selbstverwaltung engagieren. Forschung und Lehre gelten als die Kernaufgaben. Geht es um Forschung, schaut man (seit langem schon) auf die gerade laufenden Forschungsprojekte – und das sollen natürlich Drittmittelprojekte sein, also Forschung, für die mal separat Geld eingeworben hat. Das ist heute Standard. Zu Recht? Nicht unbedingt.
In einem Interview in der aktuellen „Forschung & Lehre“ spricht Gero Bornefeld, Abteilungsleiter im Forschungsdezernat an der RWTH Aachen, zum Thema „Förderung interdisziplinäre Forschung“. Interdisziplinäre Forschung und unkonventionelle Ideen in der Forschung haben es seiner Einschätzung nach immer noch sehr schwer. Es fehle, so Bornefeld, an Risikobereitschaft und Vertrauen bei den Geldgebern. Auf die Frage, wie sich das ändern ließe, verfolgt Bornefeld zwei Wege:
Ein Weg ist für ihn das Losverfahren. Bornefeld plädiert entsprechend dafür, verschiedene Formen des Verlosens von Fördergeldern auszuprobieren. Er sieht darin eine faire Verteilungsoption. Nun mag es sicher richtig sein, dass der Zufall anders als Gutachter keinem Bias unterliegt und in diesem Sinne Fairness verspricht. Aber wäre es nicht wesentlich fairer, wenn man auf jeder Professur ausreichend Mittel für eine grundlegende Aufgabe wie Forschung bereithält?
Daher erscheint mir der zweite Weg, auf den Bornefeld im Interview hinweist, der bessere zu sein: nämlich die wettbewerbsorientierte Verteilung abzubauen und eine erhöhte Grundfinanzierung der Universitäten anzustreben.: „Es sollten […] insgesamt mehr Mittel in die Grundausstattung der Hochschulen fließen, denn Forschung mit eigenen Mitteln findet so gut wie gar nicht mehr statt. Die Eigenmittel werden stattdessen benötigt, um Drittmittelprojekte kozufinanzieren. Die Drittmittelförderung ist fast nie auskömmlich, insbesondere weil Overheads – wenn sie überhaupt gezahlt werden – die Kosten nicht decken. Mit einer erhöhten Grundausstattung könnten alle Universitäten eine interne Förderung für Ungewöhnliches und Neues aufbauen, was bisher Zusatzmittel erfordert.“ Ich finde, damit ist eigentlich alles gesagt, oder?
Nun könnte man noch auf die Idee kommen, die Nachteile des bisherigen Systems der Forschungsförderung durch den Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz (KI) erträglicher zu machen. Bornefeld Einschätzung hierzu lautet: „Im bisherigen Antrags- und Begutachtungssystem erleichtert KI Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das Antragsschreiben, so dass diese mehr Zeit für die Forschung gewinnen können – oder aber die gewonnene Zeit nutzen, um noch mehr Anträge zu stellen und damit das klassische Begutachtungssystem mehr und mehr zu überlasten. Dieses Szenario zeigt, dass die Nutzung von KI im Antragsprozess das Gesamtsystem vermutlich nicht effizienter machen wird“.
Da würde ich zwar prinzipiell zustimmen, wäre aber in der Folgerung doch deutlich radikaler. Stellen wir uns mal das Szenario vor: KI übernimmt zunehmend mehr das Verfassen von Anträgen und Geldgeber reagieren darauf mit dem Einsatz von KI bei der Begutachtung (denn auch die Akquise von Menschen, die Gutachten übernehmen, wird immer schwieriger). Werden wir dann auch die bewilligte Drittmittelforschung in die Hände von KI legen? Man könnte auf diese Weise sehr viele Mittel, weil Personal sparen. Im besten Fall wäre dann Geld übrig, um die Grundfinanzierung der Universitäten für Forschung zu erhöhen. Brauchen wir diesen Umweg?
Fazit aus meiner Sicht zu diesem Thema: Keine KI-Antragstellungen, weniger Drittmittelförderung, deutlich höhere Grundfinanzierung und mehr Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.