Frei denken

Es gibt ja schon einen Grund, warum ich zwei Jahre an der Zeppelin Universität war (2013 bis 2015): Das vierjährige Bachelorstudium, ein interdisziplinärer und vor allem forschender Studieneinstieg (und einjährige Masterprogramme) hatten mein Interesse geweckt; meine Hoffnung damals war, dass ich dort – quasi am Modell – lernen kann, wie sich Universitäten generell kreativer den jeweils neuen Herausforderungen in der Lehre stellen könnten. Jetzt macht André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, in einem Interview (siehe hier) genau diesen Vorschlag.

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Lehre statt Professur!?

Sollen Profs im Bachelor lehren? – so fragt die Deutsche Universitätszeit (duz) hier und druckt die Antworten von zwei Professoren ab, deren Meinung dazu nicht unterschiedlicher sein könnte.

Wolfram Koepf, Professor am Institut für Mathematik an der Universität Kassel, meint „Auf jeden Fall sollen Profs im Bachelor lehren“: Warum? „Der Umgang mit Studienanfängern ist eine wichtige Erfahrung, die ich in meiner Tätigkeit nicht missen möchte und die mich als Dozenten auch immer wieder aufs Neue eicht. Diese Erfahrungen prägen auch die Neuerungen unserer Studiengänge. […] Zum anderen sind Lehre und Forschung die beiden akademischen Säulen, die nach meiner Ansicht für Professorinnen und Professoren denselben Stellenwert haben sollten, auch wenn dieser Grundsatz möglicherweise nicht bei jedem Berufungsverfahren vollständig zur Geltung kommt. Meiner Meinung nach ist Forschung nicht „wertvoller“ als Lehre, unsere Studierenden haben einen Anspruch auf die bestmögliche Ausbildung. […] Wenn die Lehre in den Bachelor-Studiengängen hauptsächlich von Lehrbeauftragten geleistet würde, führte dies unweigerlich bei den Professorinnen und Professoren zu einer Verschiebung ihrer Tätigkeit in Richtung Forschung […] Dies halte ich allerdings für völlig falsch. […] Worin würden sich dann Universitäten noch von außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterscheiden? Die Trennung von Lehre und Forschung mag an außeruniversitären Forschungseinrichtungen angebracht sein, an Universitäten hat sie meines Erachtens nichts zu suchen.“

Volker Haucke, Direktor des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie, dagegen ist überzeugt: „Auf keinen Fall sollen Profs im Bachelor lehren“: Warum? Von einer Einheit von Bildung und Forschung könne schon lange keine Rede mehr sein, zumindest die unteren Semester betreffend. Zudem kämen Studienanfänger mit immer mehr Defiziten, die man erst beheben müsse. Von daher seien festangestellte Dozenten, die nur lehren, die Lösung: „Sie könnten die Ausbildung vom ersten bis zum vierten Semester übernehmen. Professoren sollten vom fünften Semester an Forschungspraktika und Bachelor-Arbeiten betreuen. Idealerweise würden die Stellen mit ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzt werden, die die Lehre als Berufung erkannt haben. Realistischerweise würde man auch diejenigen einstellen, die das selbstgesteckte Ziel einer Professur nicht erreicht haben, aber Engagement in der Lehre zeigen. […] Unbefristete Stellen im Sinne hervorragender Forschung sind nicht sinnvoll und werden auch in Zukunft nur einer kleinen Gruppe vorbehalten bleiben; doch die vielen guten und engagierten Leute, die nicht alle an die Spitze gelangen können, haben Besseres verdient, als mit Anfang vierzig auf der Straße zu stehen. Professoren könnten verstärkt Master-Studenten betreuen – und das unterrichten, was sie selbst begeistert, in einer echten Einheit von Forschung und Lehre.“

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Turbo-Bachelor oder doch lieber länger?

Laut eines kurzen Zeit-Online-Artikels gibt es sie: die Langzeitstudenten auch im Bachelor (hier ist der Artikel). Der Beitrag erzählt die Geschichte eines Studierenden der Medienwissenschaft und macht klar: Lange studieren geht offenbar auch im Bachelor (jedenfalls an manchen Unis) und muss keinesfalls Ausdruck von Faulheit sein. Voraussetzung freilich ist, dass Studierende nicht eine bestimmte CP-Zahl bis zu einem vorgegebenen Zeitpunkt vorweisen müssen oder nach Ablauf der Regelstudienzeit aus der Uni fliegen. Immerhin zeigt die Einzelfallgeschichte: Etwas mehr individuelle Flexibilität stünde wohl jedem Studiengang gut, denn es gibt viele Gründe, warum Lern- und Bildungsprozesse mal länger dauern oder Umwege brauchen ODER eben mal in vergleichsweise kurzer Zeit oder auf direktem Wege möglich sind. Vom Weg immer gleich auf die Qualität des Ergebnisses zu schließen, ist unangemessen. Das gilt aus meiner Sicht aber auch für den „Turbo-Bachelor“, also auch für die, die ihr Studium schnell beenden. Auch da muss man schon genau hinschauen und die einzelne Person im Blick haben, denn: Zügig ist sicher nicht gleich oberflächlich.

Zeit für ein Resümee

Der Bildungsstreik ist ein guter Zeitpunkt für ein persönliches Resümee zum Thema Bologna, wie es mich nun seit gut neun Jahren begleitet – und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, denn: Bereits im Wintersemester 2001/02 haben wir mit unserem Studiengang „Medien und Kommunikation“ in Augsburg begonnen – quasi in einer Phase, wo man noch nicht mit allzu vielen Regeln konfrontiert war.

Ich habe meine Gedanken mal auf ein paar Seiten zusammengestellt – meine Gedanken dazu, wie ich mir inzwischen einen „idealen Studiengang“ vorstellen könnte – vielleicht ein Bologna oder Bachelor 2.0 ;-). Zu verstehen ist das also als Gedankenskizze, die vorrangig auf meinen eigenen Beobachtungen und Vorstellungen aufbaut. Ich freue mich auf Kommentare und weitere Anregungen!

Der ideale Studiengang

Ein großes Dankeschön an die Bildungspolitik

Auf der Web-Seite der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wird u.a. in den FAQs die Frage beantwortet, ob alle, die einen Bachelor haben, in einen Master-Studiengang wechseln können. Da heißt es: „Grundsätzlich berechtigt der Bachelor zur Aufnahme eines Master-Studiums. Zusätzlich zu einem ersten berufsqualifizierenden Studienabschluss kann die Hochschule weitere Zulassungskriterien festsetzen, zum Beispiel ein Test oder ein Auswahlgespräch. Der Bachelor gilt zunächst als Regelabschluss, d.h. sicherlich werden nicht alle Studierenden direkt im Anschluss einen Master-Studiengang beginnen. Ein Teil der Studierenden wird zunächst in das Berufsleben eintreten und unter Umständen nach oder begleitend zu einer Berufstätigkeit ein Masterstudium aufnehmen.“ Soweit die Theorie oder sollten wir besser sagen: die unbestimmte Ahnung der HRK?

In einer bereits einige Jahre zurückliegenden Befragung der HIS GmbH wird deutlich, dass immerhin 4/5 der Bachelor-Absolventen einen Master machen wollen. Das entspricht auch in etwa unserer Erfahrung im Studiengang Medien und Kommunikation. Davon, dass der Bachelor also Regelabschluss ist, kann keine Rede ist. Interessanter Weise erkennt nicht mal die Universität (jedenfalls die unsrige) einen BA-Abschluss als Voraussetzung dafür an, z.B. als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Drittmittelprojekt arbeiten zu können (gleichzeitig wird diskutiert, ob und wann man gleich nach dem BA promovieren könnte – wie absurd!)

Zwei Probleme tun sich aus meiner Sicht aktuell besonders stark auf:

  1. Investitionen seitens der Länder konzentrieren sich komplett auf den Bachelor: Es zählen neue Studienplätze, aber ausschließlich Bachelor-Plätze (damit die Abiturienten versorgt werden können)! Diesen Studierenden suggeriert man zwar, dass sie nachher einen Master dranhängen können, man verschweigt ihnen aber, dass es in vielen Fächern viel zu wenige Master-Plätze gibt, denn dafür dürfen neue Ressourcen, die man den UNiversitäten gibt, gar nicht verwendet werden (vielleicht hofft man darauf, dass vielen nach einem Klausur-bestückten BA-Studiengang die Lust auf Uni ohnehin vergangen ist). Das ist nicht nur eine üble Täuschung der Studierenden, sondern das nimmt uns auch die Chance für eine vernünftige Nachwuchsförderung.
  2. Selbst auf der operativen Ebene hat man irgendwie alles nur zur Hälfte, aber bestimmt nicht zu Ende gedacht: Wer wie wir als Einzelperson im Schnitt ca. 30 Erstgutachten pro Semester zu erstellen hat und wer, wie wir alle, ganz offiziell drei Monate Zeit für Gutachten erhält, der kann innerhalb weniger Wochen nicht alle Abschlussarbeiten gelesen und korrigiert haben – aber genau das wäre für die Studierenden nötig, um anschließend an den Bachelor- in einen Master-Studiengang übergehen zu können. Diese Studierenden hängen komplett in der Luft – sowohl an der eigenen Uni und noch mehr, wenn sie nach dem Bachelor in den Master einer anderen Uni wechseln wollen. Selbst die Mobilität im eigenen (Bundes-)Land wird da schnell zum Spießrutenlauf. Die Studentenkanzleien und Prüfungsämter scheinen mir allerorten überfordert zu sein – und überrannt von Beschlüssen, die keine praktische Grundlage haben.

Vielen Dank an die Bildungspolitik, kann ich da nur sagen: Vielen Dank für die sorgfältigen Planungen und realistischen Einschätzungen. Vielen Dank auch, dass es völlig egal zu sein scheint, welche Erfahrungen sich aktuell an vielen Universitäten anhäufen, ohne dass diese auch nur irgendwie zur Kenntnis genommen werden!