Zeit für ein Resümee

Der Bildungsstreik ist ein guter Zeitpunkt für ein persönliches Resümee zum Thema Bologna, wie es mich nun seit gut neun Jahren begleitet – und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, denn: Bereits im Wintersemester 2001/02 haben wir mit unserem Studiengang „Medien und Kommunikation“ in Augsburg begonnen – quasi in einer Phase, wo man noch nicht mit allzu vielen Regeln konfrontiert war.

Ich habe meine Gedanken mal auf ein paar Seiten zusammengestellt – meine Gedanken dazu, wie ich mir inzwischen einen „idealen Studiengang“ vorstellen könnte – vielleicht ein Bologna oder Bachelor 2.0 ;-). Zu verstehen ist das also als Gedankenskizze, die vorrangig auf meinen eigenen Beobachtungen und Vorstellungen aufbaut. Ich freue mich auf Kommentare und weitere Anregungen!

Der ideale Studiengang

Hörsaalbesetzer

Na ja, im Vergleich zur neuen Grippe halten sich die Schlagzeilen in den Medien in Grenzen, wenn es um Bildungsstreiks geht. Die großen Zeitungen berichten in ihren Online-Ausgaben nur kurz über Hörsaalbesetzungen (z.B. die SZ) und erste Polizeieinsätze. Was die inhaltlichen Forderungen betrifft, oder auch die Stimmung unter den Studierenden generell, wird eher nicht vertiefend behandelt. Wer aber Genaueres wissen will, kann sich auf der Web-Seite Bildungsstreik informieren.

Ich bin gespannt, ob sich in der Öffentlichkeit – wie teilweise im Juni 2009 – wieder nur die eher platten Forderungen in den Ohren festzsetzen, oder ob die durchaus anspruchsvollen Überlegungen etwa zu den Auswirkungen wettbewerbs- und marktorientierter Prinzipien im Bildungsbereich mal etwas deutlicher nach außen dringen.  Darüber zu urteilen, was die verschiedenen Aktionen wie Hörsaalbesetzungen bringen, fühle ich mich nicht berufen. Ich tue mir ehrlich gesagt schwer, die Wirkung und Wirkungslosigkeit solcher und anderer Maßnahmen einzuschätzen.  Ganz schlecht fände ich eine Polarisierung zwischen Lehrenden/Wissenschaftlern einerseits und Lernenden/Studierenden andererseits. Die Ökonomisierung trifft auch die Akteure der Wissenschaft, sodass ich nachhaltige Veränderungen an sich nur bei kooperativen Aktionen für wahrscheinlich halte. Schlecht wäre außerdem eine Spaltung der Studierenden in eine letztlich laute Minderheit, von denen womöglich einige die notwendige Artikulation von Missständen für eigene (ideologische) Zwecke missbrauchen, und eine schweigende oder gar angenervte Mehrheit, die mit all dem nichts zu tun haben will. Mal sehen, wie sich das weiter entwickelt.

Nachtrag (17.11.2009): Inzwischen schaffen es die sich ausweitenden Proteste ja doch ganz gut auf einen ansehnlichen Platz auf der Medienagenda – z.B. hier.

Banker oder Denker?

Diese Woche ist gekennzeichnet vom „Bildungsstreik“ – oder er soll es zumindest sein. Schüler/innen und Studierende sind gleichermaßen aufgerufen sich zu beteiligen. Ist das gut oder bringt es nichts? Überfällig oder überflüssig? Ein paar Stichpunkte, welche Gedanken zumindest mir durch den Kopf gehen – eine kleine „positiv-negativ-Stichwortliste“ (subjektiv und vorläufig):

Positiv: es werden endlich lauter Meinungen artikuliert und die ersten Unis reagieren nicht mit Verboten (anders als Schulen) – treffende Sprüche wie „Bachelor und Banker statt Dichter und Denker“ (Quelle hier) – neben Studienbedingungen werden auch Lehrbedingungen aufgegriffen, z.B. schlecht bezahlte Lehraufträge und prekäre Lebensverhältnisse vieler Nachwuchswissenschaftler (erwähnen könnte man auch mal die erhebliche Absenkung der Grundgehälter von Professoren mit der W-Besoldung, bei der ich mich frage, warum die gleiche Arbeit plötzlich weniger wert ist als früher) – klare Forderungen nach mehr Investitionen in Bildung und eine sinnvoll Verteilung derselben – sogar in Bayern soll es Proteste geben (laut GEW)

Negativ: einige Argumente klingen mir ein bisschen zu viel nach „Klassenkampf“ (das ist dann doch eher von vorgestern) – (noch) wenig Beteiligung – pauschale Forderungen etwa nach Wegfall von Zulassungsbeschränkungen an Hochschulen (das wird nirgendwo die Bedingungen verbessern: wie soll das gehen?) – Behauptungen dahingehend, dass früher alles besser war (das sehe ich nicht so!) – einige Passagen aus einem Interview von Martin Paul, Professor am Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie und Dekan der Fakultät für Medizin und Lebenswissenschaften an der Universität Maastricht, z.B. der Satz „In den Niederlanden … werden die Studenten als echte Kunden begriffen“, was wenig hilfreich dafür ist, die Bildungsbedingungen zu verbessern: Die Gleichsetzung von Lernen und Lehren mit wirtschaftlichen Transaktionen ist aus meiner Sicht falsch und einer der Gründe für die aktuelle Lage.