Was habe ich mit Nintendo zu schaffen? Kaum etwas, seitdem mein Sohn das Interesse an der Spielkonsole in weiten Teilen verloren hat. Dennoch habe ich meine Beteiligung an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Digitales Lernen in Schule und Freizeit“ auf der Frankfurter Buchmesse zugesagt. Gestern nun hat diese stattgefunden – initiiert von Nintendo auf dem Forum Bildung (umgesetzt wird das dann wieder von einem Zwischendienstleister, in diesem Fall von Süddeutscher Verlag onpact). Wie bereits vorab vereinbart, ging es in der Diskussion an sich nur als Aufhänger um neue Programme (u.a. von Cornelsen) für den Nintendo DS (siehe hier), mit dem einer der Diskutanten, der Hauptschullehrer Ulrich Stöger, mit seinen Klassen seit längerem erfolgreich (in Mathematik) experimentiert. Weitere Diskussionsteilnehmer waren der Leiter Geschäftsentwicklung Digitale Medien von Cornelsen, Dr. Carsten Kindermann, der Verlagsleiter der Langenscheidt KG, Rolf Müller, und eben ich. Moderiert hat Frank Patalong von Spiegel Online.
Viele Differenzen gab es nicht: Schulpraxis, Wissenschaft und Wirtschaft waren sich ziemlich einig, dass Spiele wie die auf dem Nintendo DS im Besonderen und digitale Medien im Allgemeinen nur differenziert in Bezug auf die angestrebten Lern- und Bildungsziele bewertet werden können. Keinen Widerspruch gab es auch bei dem Hinweis, dass die didaktische Kompetenz des Lehrenden das letztlich Ausschlaggebende darstellt. Überhaupt fand ich es erstaunlich, dass so große Einmütigkeit in den meisten Fragen herrschte. Es fehlte einfach ein Politiker in der Runde, den man hätte fragen müssen, warum denn so vieles nicht funktioniert, wo doch alle Seiten wissen, woran es liegt und was man besser machen könnte. Wobei klar ist, dass es in punkto Schule zwischen den Bundesländern einerseits und zwischen konkreten Schulen andererseits erhebliche Unterschiede gibt. Generalisierungen sind da also immer schwer. Nachdenklich machen sollte einen aber die ziemlich ehrliche Aussage von Rolf Müller, dass die Verlage von der Schwierigkeit an den Schulen profitieren, in immer weniger Zeit immer mehr und mit höherem Druck Wissen vermitteln zu müssen (was vor allem für den Bereich des Gymnasiums gilt) – des einen Freud des anderen Leid sozusagen.
Wieder einmal zeigte sich, dass man offenbar im Grundschul- und Hauptschulbereich mehr Freiheiten und Kreativität im täglichen Unterricht walten lässt als an den Gymnasien. Mir jedenfalls war es vor zwei Tagen (in der Elternrolle) auf dem Elternabend an einem bayerischen Gymnasium fast schon schwindelig von den Hinweisen der (übrigens sehr häufig wechselnden) Lehrer, wie wichtig ihr jeweiliges Fach doch sei und wie viel und kontinuierlich dies und jenes zu üben ist. Dabei habe ich Inhalte vernommen, von denen ich mir sicher war, dass sie in den 1970er und 80er Jahren (also zu meiner Zeit auf dem Gymnasium) Oberstufenstoff, aber kein Stoff der neunten Klasse waren. Gut, das sind persönliche und anekdotische Erfahrungen; trotzdem hatte ich diese in der Diskussion des Öfteren in meinem Kopf und sie haben stellenweise wohl auch meine Beiträge mitbestimmt.
Mein Fazit: Die Probleme, die ich in der Schule sehe, lassen sich sicher kaum mit digitalen Medien, also auch nicht mit dem Nintendo DS und neuer Software von (Schulbuch-)Verlagen lösen. Die liegen wohl tiefer in unserer „Idee von Schule“, den Zielen von Schule, dem Stellenwert von Bildung in unserer Gesellschaft, dem beruflichen Selbstverständnis von Lehrer/innen und dem politischen Willen, Schulbildung jenseits vom ökonomischen Wettbewerb als Eigenwert zu denken, die allem voran dem einzelnen Menschen zugute kommen muss.