Jeder muss unterschreiben

Mir geht es manchmal so, dass ich gar nicht mehr merke, wenn ich selber Mainstream-Begriffe benutze, weil sie sich schon so sehr eingebürgert haben und/oder weil man den Eindruck hat, dass man nicht mehr darum herum kommt. Aber das ist freilich falsch, denn selbstverständlich kann man etwas immer auch anders, am besten einfach und präzise, sagen als es eine scheinbar umfassend legitimierte Sprachregelung nahelegt. Ein schönes Beispiel dafür dürfte (neben anderen) das Qualitätsmanagement sein.

Sowohl die Sprache als auch der „Geist“ des (aus der Wirtschaft stammenden) Qualitätsmanagements hat die Hochschulen seit den 1990er Jahren im Griff – aber es scheint immer schlimmer zu werden. Wie schlimm es schon ist, lässt sich kaum pointierter und anschaulicher auf den Punkt bringen, als es Rainer Dollase in einem Text in der duz (Mai 2015) macht:

„Man stelle sich einmal vor, die 1. Bundesliga würde sich anschicken, Standards für die Durchführung von Fußballspielen zu formulieren: Der Fußballspieler bemüht sich auf dem Platz, den Ball in das gegnerische Tor zu treten. Er achtet in Zweikämpfen darauf, dass er gewinnt, dabei aber fair bleibt. Er bemüht sich, hohe Bälle im Falle der sofortigen Weitergabe mit dem Kopf, im Falle des Weiterspielens mit dem Fuß zu stoppen etc. Zielvereinbarung: Die Mannschaft bemüht sich, das nächste Spiel zu gewinnen. (Jeder muss unterschreiben.) Interne Evaluation: Wir prüfen, ob wir das Ziel erreicht haben. So oder ähnlich würden Qualitätsmanager ihr QM-Nachschlagewerk für die 1. Bundesliga formulieren. Banal und überflüssig wäre das, wie QM an Hochschulen.“

Wer jetzt Interesse am ganzen Beitrag hat, kann diesen hier online lesen.

Diskrete Form der Verweigerung

Vertrauen statt Misstrauen, wissenschaftlicher Habitus statt ökonomischem Verhalten, Wertschätzung statt Missgunst, Ehre statt Prominenz … „Kann man ein Wissenschaftsunternehmen als akademische Republik führen?“ Das sind ziemlich beeindruckende Worte und eine große Frage, die in einem neuen Text von Dieter Lenzen behandelt werden.

Lenzen, D. (2014). Hochschule – Unternehmen oder akademische Republik? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17 (Supplement), 11-24.

Leider ist der Beitrag nicht online (Abstract hier), aber es lohnt sich, sich ihn zu beschaffen. Lenzen setzt sich hier mit dem Einfluss des Wirtschaftssystems auf das Wissenschaftssystem und damit auch auf die Lehre an Universitäten auseinander. Er wählt einen historischen Weg und führt den Leser in aller Kürze durch einzelne Stationen der Universitätsgeschichte, um seine Vorstellungen von den Chancen und Möglichkeiten der Zukunft der Universität darzulegen und zu begründen. Die Systemtheorie steht ihm dabei zur Seite, was die Verständlichkeit des Textes keineswegs einschränkt, dessen Nachvollziehbarkeit für mich persönlich allerdings an einigen Stellen etwas mindert. Aber das ist eben die gewählte Perspektive und als solche sicher eine (aber eben vermutlich nicht die einzige) Sicht auf den Zustand deutscher Universitäten und deren Entwicklung.

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Unverzichtbares Instrument oder verzichtbare Gängelei?

Evaluation ist ein Thema, das in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten in der deutschen Hochschullandschaft kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Erfasst und bewertet wird alles, was sich irgendwie greifen lässt: Forschungsleistungen, Publikationen, Forschungsanträge, Reputation, und eben auch die Lehre und die Lehrenden. 2008 ist ein Buch mit dem Titel „Wissenschaft unter Beobachtung“ erschienen. Bruno Frey spricht darin von einer neuen Krankheit: der Evaluitis.

Lehrevaluationen gelten den einen als unverzichtbares Instrument der Qualitätssicherung und -entwicklung, den anderen als verzichtbare Gängelei von Lehrenden und Studierenden. Einerseits wird Transparenz in der Lehre gefordert, andererseits sind kleine Beteiligungsquoten überall ein Problem. Von nützlichen Rückmeldungen für eine bessere Lehre ist ebenso die Rede wie unnützen Befindlichkeitsmessungen. Lehrevaluationen erhitzen schnell die Gemüter und polarisieren mitunter stark.

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Ernst gemeinte Exzellenz?

„Datenqualität als Schlüsselfrage der Qualitätssicherung von Lehre und Studium an Hochschulen“ – so lautet der Titel einer bereits 2008 online veröffentlichten Dissertation von Philipp Pohlenz, auf die ich vor kurzem gestoßen bin. Die Arbeit gibt einen guten Überblick über Qualitätsmanagement und Evaluation an Hochschulen und thematisiert vor allem die Gütekriterien der verwendeten Verfahren und resultierenden Ergebnisse. Online ist die Arbeit hier abrufbar.

Die Ergebnisse der Studie von Pohlenz lassen (was jetzt nicht so erstaunlich ist, aber immerhin nicht als Polemik abgetan werden kann) erhebliche Zweifel vor allem an der Validität studentischer Qualitätsurteile aufkommen – jedenfalls verglichen mit den Intentionen der Evaluierenden und im Zusammenhang mit der Art der Nutzung dieser Daten für Hochschulentwicklung und -politik! Das Interesse der Studierenden, die Studienphase, in der sie sich befinden, aber auch die Infrastruktur des Hochschulortes (um nur ein paar Beispiele zu nennen) beeinflussen das Urteil über Lehre und Studium erheblich und schränken die Aussagekraft entsprechend ein. Aber sogar die meist als objektiv geltenden Hochschulstatistiken halten, so eine Erkenntnis der Arbeit, nicht immer, was sie versprechen. Pohlenz kommt zu dem Schluss, dass vor allem die in der Praxis bevorzugten einfachen Evaluationsverfahren mit simplen Indikatoren zahlreichen Fehlerquellen ausgesetzt sind.

In den ersten Teilen der Arbeit werden auch andere Funktionen von Evaluationen thematisiert als z.B. die Leistungsbewertung von Hochschulen oder von Hochschullehrern (z.B. die Partizipation der Studierenden). Dies ist aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Punkt, der dann aber doch wieder in den Hintergrund rückt.

Das Abschluss-Statement in der Dissertation lautet: „Evaluation steht vor der Aufgabe, Routinen zu entwickeln, die der Vielgestaltigkeit der Qualität der Lehre sowie der Realität des Hochschulalltages gerecht werden. Nur so kann sie den Anspruch darauf erheben, als Instrument der Hochschulentwicklung ernst genommen zu werden. Insofern dies den Einsatz komplexer und verschiedene Ansätze versöhnende Verfahren und damit einen stärkeren Mitteleinsatz erfordert, ist das Hochschulwesen insgesamt gefragt, inwieweit die vielfach verkündete Formel von der Entwicklung von Exzellenz durch qualitätssichernde Verfahren ernst gemeint und mit der Bereitschaft verknüpft ist, die entsprechend notwendigen Investitionen in die Zukunft zu tätigen.“ Dem kann man nur zustimmen …

Didaktische Szenarien trotz Entwurfsmuster

Die Diskussion über die Chancen und Grenzen von didaktischen Entwurfsmustern in Peters Blog (z.B. hier) geht ebenso weiter wie das Bemühen, überhaupt zu einer tragfähigen Definition und theoretischen Rahmung zu kommen. Wem das zu hoch ist ;-), der kann sich einstweilen mit einem neuen Vorschlag zur Kategorisierung didaktischer Szenarien begnügen. Das mir schon ein paar Wochen vorliegende kleine Büchlein mit dem Titel „Didaktik und IT-Service-Management für Hochschulen“ von Schulmeister et al. (2009) ist jetzt dankenswerter Weise auch online – hier – verfügbar. Der neue Kategorisierungsversuch greift einige ältere Überlegungen auf und entwickelt diese u.a. für ein Qualitätsmanagement zu mehreren Skalen weiter. Ich finde den Vorschlag sehr interessant, habe mir dazu auch so meine Gedanken gemacht und hoffe, bald etwas ausführlicher dazu Stellung nehmen zu können. Im Moment komme ich nur nicht dazu. In der Zwischenzeit aber will ich es nicht versäumen, darauf zu verweisen.