Wann kommt die Aufklärung 2.0?

Wird das Web 2.0 „entmündigte“ Mitarbeiter zu kreativen Intrapreneuren und den gelangweilten Schüler zum selbständigen Denker machen? Wenn es nach den Beiträgen zum Thema Web 2.0 in der taz seit Anfang des Jahres geht, dann ist das so. In loser Folge beleuchtet das Blatt das „Lernen 2.0 … mit Reportagen aus Laptop-Klassen, Porträts vom Lernen mit Blogs und Wikis, Interviews mit Vordenkern des neuen Lernens“. Das ist erst einmal gut und die bisherigen Artikel mit den Titeln „Die Entmündigten lernen, kreativ zu sein„, „Blogs – die Zukunft des Lernens“ und „Blogs geben Lernen wieder Sinn“ sind denn auch dazu geeignet, der vielleicht noch nicht in allen Punkten so Web 2.0-affinen Öffentlichkeit interessante Infos, Erfolgsbeispiele (die ja auch tatsächlich existieren) und spannende Visionen zu liefern. So weit so gut. Aber Leute! Wie kommt es, dass man alle Namen kennt? Natürlich sind da Thomas Rau, Lisa Rosa, René Scheppler und Martin Riemer – wer würde diese Namen nicht kennen, wenn er/sie sich für ein wie auch immer geartetes „Lernen 2.0″ interessiert. Was hat das zu bedeuten? Dass wir nur zu zehnt sind? Oder vielleicht zu 30? Und selbst wenn wir 100 oder sogar 300 sind – wie weit sind wir dann noch vom kreativen Intrapreneur im Unternehmen und vom selbständigen Denker in der Schule entfernt? Vielleicht kommt das von den Blogs: Da wir uns da vernetzen und uns – von kleineren Differenzen einmal abgesehen – so gut verstehen, bauen wir uns womöglich eine eigene Wirklichkeit und nehmen „die anderen“  gar nicht mehr richtig war? Ob unser holländischen Wohnzimmer gar Einwegscheiben haben? Gut, ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir so langsam mehr werden müssten, wenn die Hoffnung aufgehen soll, dass digitale Re- und Evolutionen so etwas wie Ermöglicher für ein sinnvolleres und aktiveres Lernen in Richtung von mehr Selbständigkeit, Partizipation und kritischem Denken gehen soll. Wann kommt die „Aufklärung 2.0″?

Spiegel Online entdeckt Lehrerblogs

„Vormittags einsam an der Tafel, nachmittags gemeinsam im Netz: Manche Lehrer schreiben sich als Blogger den Schulfrust von der Seele. Sie nutzen das Internet aber eher als erzählerisches Tagebuch, nicht als Mecker-Medium – denn die Schulleitung könnte mitlesen. ….“ So beginnt (hier) ein kurze Artikel über Lehrerblogs in Spiegel Online, in dem auch zwei unserer Studentinnen genannt sind, die sich auf meine Ausschreibung von Bachelorarbeiten zur Untersuchung von Lehrerblogs gemeldet haben.

Eine von ihnen – Tamara Specht – ist inzwischen studentische Mitarbeiterin bei uns (hier). Inhalt der Arbeiten ist zum einen eine Inhaltsanalyse von Lehrerblogs und zum anderen eine Online-Befragung. Natürlich werden wir die Ergebnisse online zugänglich machen und die beteiligten Lehrer haben auch schon eine kleine Zusammenfassung erhalten. Doch Abschlussarbeiten wollen begutachtet sein und das Zweitgutachten von Tamaras Arbeit steht noch aus; die zweite Abschlussarbeit ist noch nicht fertig. Die Ergebnisse bilden für uns ein wichtiges komplementäres Element zu einer zweiten Arbeit (eine Masterarbeit, die ebenfalls bald fertig ist) zu Blogs wissenschaftlich tätiger Personen (Tamara Bianco, die für die Online-Umfrage im April 08 auch in ihrem Blog hier geworben hatte). Beide Arbeiten zusammen sind das angekündigte empirische Pendant zu unseren theoretischen Überlegungen, ob und inwieweit speziell Knowledge Blogs dazu geeignet sind, grundlegende psychologische Bedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit zu erfüllen (Arbeitsbericht). Auch die Ergebnisse dieser Studie werden wir zugänglich machen. Vorweg nur eines: Ja, unsere Annahmen treffen in vieler Hinsicht zu; vor allem das Autonomiebedürfnis der Knowledge Blogger ist hoch und lässt sich auch weitgehend erfüllen. Es zeigen sich viele Parallelen zur Gruppe der Blogger insgesamt, wie sie z.B. Jan Schmidt untersucht hat, aber auch interessante Unterschiede. Ich hoffe, das macht schon mal neugierig 😉 auf unsere empirischen Befunde, die in Bälde zu lesen sind.

Wenn E-Mails nerven – eine Diskussion

Eine kleine Online-Diskussion kann man anlässlich meiner Ankündigung, E-Mails zu löschen, wenn ich sieben Tage oder länger offline bin, auf unserem Portal für persönliches Wissensmanagement (und zwar hier) nachverfolgen. In den Kommentaren zeigen sich unterschiedliche Meinungen dazu, wie man am besten verfährt, wenn einem der E-Mail-Verkehr bzw. die Mailbox vor allem bei längerer Abwesenheit über den Kopf wächst. Dabei greifen alle Kommentatoren einen Aspekt besonders auf: nämlich den Respekt vor dem E-Mail-Schreiber.

Ich bin dankbar für diese Diskussion, zeigt sich doch vor allem eins: Natürlich gibt es keinen Königsweg im Umgang mit E-Mails. Ich meine, es gilt da, eine ganze Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, die Einfluss darauf haben, welche Strategie im Einzelfall die beste ist: (a) die Anzahl der Mails, (b) die Art der üblicherweise eingehenden Mails; (c) die eigene Position, von der aus man E-Mails versendet; (d) der persönliche Arbeitsstil – und sicher noch eine ganze Menge mehr. Nun kann ich mir an der Stelle nicht über die zig Varianten Gedanken machen, die sich ergeben, wenn man bei jedem dieser Faktoren wenigstens zwei mögliche Ausprägungen annimmt …. sondern kann nur für mich sprechen:

Für mich hat dieser erste Versuch ganz gut funktioniert: also ein Löschen der eingegangen Mails anzukündigen mit der Bitte, diese nochmal zu senden, falls sich das Problem/die Frage noch nicht erledigt hat, bis ich wieder online bin. Im Vorfeld habe ich natürlich alle meine Mitarbeiter, Doktoranden und akut wichtigen Projekt-Partner vorab informiert und gebeten: „no input in den kommenden Tagen“ einschließlich der Vorwarnung, wie mein automatisches Reply aussehen wird. Das hat schon mal seine Wirkung gehabt – und mindert die mögliche Respektlosigkeit. Für Studierende, die Fragen an mich haben, ist mein Verfahren sicher auch ausreichend respektvoll, denn: Wenn ein klassisches „reply“ kommt, dass ich sieben Tage nicht antworten kann, dann versuchen die meisten ohnehin, ihr Problem erst mal anderweitig zu lösen – und das ist gut so. Leider bekomme ich in der Regel keine Benachrichtigung im Sinne von „hat sich erledigt“, sodass viel unnötige Arbeit bei der Aufarbeitung von an sich erledigten Mails anfällt. Und da diese Mails bei mir einen großen Teil ausmachen, hat das wirklich gut funktioniert! Unsere Studierenden wissen, dass sie von mir sehr rasch Antworten erhalten; das gebührt in der Tat der gegenseitige Respekt. Und ich finde es genau nicht so wie beim Brief (wie von Christian im Kommentar angemerkt), dass es egal ist, wann man antwortet. Mir jedenfalls geht es so, dass ich gar nicht mehr weiß, um was es ging, wenn Antworten auf Mails mehr als drei tage zurückliegen – und das nervt mich dann auch, weil es mich Zeit kostet zu rekonstruieren, worum es genau ging und wie ich in der jeweiligen Sache nun bereits verfahren bin. Ich denke also, die E-Mail-Schreiber werden es überleben, wenn Sie ein- bis zweimal im Jahr (öfter bin ich an sich nie als sieben Tage oder länger offline) eine solche Ankündigung von mir erhalten – wohl wissend, dass sie sich zu jeder anderen Zeit darauf verlassen können, dass ich antworte – und zwar gezielt und schnell. Und dass ich, wo immer ich auch bin, stets auf der Suche bin nach W-LAN, Internetcafés oder anderen Möglichkeiten, online zu gehen, das würde ich dann doch als Einschränkung meiner Autonomie empfinden, die mir wichtig ist – und die mich auch motiviert, all diesen Wahnsinn, den man sich bisweilen aufhalst, mit noch ausreichender Gelassenheit zu begegnen.

Fazit: Ich denke, beim Umgang mit E-Mails muss jeder seine Strategie finden. Rezepte oder auch Vorverurteilungen nach dem Motto „also DAS kann aber nicht machen“ halte ich nicht für sinnvoll. Insofern sollte man meinen Blogeintrag im Portal für persönliches Wissensmanagement bitte auch nicht als unbedingt nachahmungswürdiges Rezept, sondern allenfalls als EINE Möglichkeit sehen, über die man ja mal nachdenken kann und die unter ganz bestimmten Bedingungen auch funktionieren.