Wegen eigener Veranstaltungen konnte ich gestern leider nicht persönlich der Einladung folgen, auf der Nachwuchstagung der Fachgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd), Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW), Sektion Medienpädagogik (DGfE) und der Fachgruppe E-Learning (GI) an der Universität Potsdam (hier das Programm) einen Vortrag zu Design-Research zu halten. Daher habe ich eine kleine „Vortragskonserve“ gemacht und gehe davon aus, dass Sandra und Mandy, die mich ja gut kennen, mit diesem Inhalt vor Ort eine gute Diskussion in Gang bringen konnten. Den Vortrag kann man online hier abrufen (falls das nicht funktioniert, bitte über diesen Link gehen).
Autor: Gabi Reinmann
Jetzt regen sich die Männer auf
Vor kurzem habe ich den jungen Kabarettisten Till Reiners (toll!) gehört und mir ist folgende Passage (hier nur sinngemäß skizziert) im Kopf hängen geblieben: Man regt sich ja oft über Dinge auf, die genau genommen ziemlich irrelevant sind – z.B. darüber, dass kaum mehr jemand das Futur II richtig verwenden kann. Man regt sich darüber dann so auf, dass für Meldungen über Waffenlieferungen in Krisengebiete keine Wutreserven mehr da sind. Die sind verbraucht – z.B. für das Futur II.
Das ist mir eben wieder eingefallen, als ich gelesen habe: „Uni Leipzig verweiblicht ihre Grundordnung“. Weil es Streit über die ewigen Bindestrichschreibweisen gab, hat man kurzerhand entschieden, jetzt nur noch die weibliche Form zu nutzen. Ja, warum nicht? Von mir aus; Hauptsache diese sprachlichen Stacheldrähte sind weg. Auf die Frage „Ist das ein Signal für das Binnenklima an den Hochschulen?“ erklärt Prof. Dr. Friederike Maier von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin in einem kurzen duz-Interview: „Natürlich, denn wenn wir Frauen klagen, dass wir uns ausgegrenzt fühlen, dann ruft das in der Regel ein mildes Lächeln der Kollegen hervor. Jetzt läuft das mal andersrum und die Männer regen sich auf.“
Und die Frauen lächeln milde oder schadenfroh? Was für eine Wende – ich bin beeindruckt, denke dann aber doch noch lieber über das Futur II nach. Wenn wir nämlich das verlieren, dann fehlen uns vielleicht irgendwann die Möglichkeiten, in Gedanken durchzuspielen, was sein wird, wenn wir die Leipziger Regelung flächendeckend durchgeführt haben werden.
Nichts für das Tagesgeschäft?
Im September 2011 habe ich hier erstmals über das Format der Zeitschrift „Erwägen – Wissen – Ethik“ geschrieben, das so funktioniert, dass auf einen längeren Auftaktartikel Weiterführungen von anderen Autoren geschrieben, ein Zwischenfazit des ersten Autors erstellt und von einem der Herausgeber eine „Synopse“ erarbeitet wird, um am Ende noch einmal von allen Beteiligten Bilanzen zu erhalten. Gut ein Jahr später (im Oktober 2012) konnte ich (hier) davon berichten, dass „nur“ noch die letzte Stufe, nämlich die Bilanz, aussteht. Geplant war, dass das Heft im März 2013 erscheint. Es ist dann doch ein klein wenig später geworden: Anfang Mai aber lagen die Heft auf meinem Tisch und ich konnte noch einmal von 19 Autoren insgesamt 17 Bilanzen lesen – und alle Beteiligten natürlich auch. An sich ist ein ganzes Buch entstanden. Das Inhaltsverzeichnis kann man hier anschauen. „Nichts für das Tagesgeschäft?“ weiterlesen
Zusammen 130 Jahre alt
Was verbindet Rolf Schulmeister und Peter Baumgartner? Viel!! Und genau das haben beide auch noch einmal in einem Online-Treffen vor zwei Tagen betont, als wir ihnen eine Doppelfestschrift überreicht haben (Peter hat bereits hier darüber berichtet), denn: Zusammen werden Rolf und Peter dieses Jahr 130 Jahre alt. In Rekordzeit, weil recht kurzfristig geplant, ist ein Open Access-Band zur Hochschuldidaktik für die beiden Jubilare entstanden. Wer sich wundert, dass die Hochschuldidaktik und nicht E-Learning im Fokus steht, dem sei gesagt: Das Feld des Lehrens und Lernens im Kontext Hochschule verbindet Rolf und Peter (aus meiner Sicht) mindestens genauso wie das Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Beide sind außerdem seit längerem davon überzeugt, dass Hochschuldidaktik und Mediendidaktik Hand in Hand gehen müssten und eine isolierte Betrachtung dieser beiden Felder wenig sinnvoll sei. Und deshalb vereint der Band „Hochschuldidaktik im Zeichen von Heterogenität und Vielfalt“ Beiträge, die hochschuldidaktische Themen ebenso wie mediendidaktische Themen mit Bezug zur Hochschule behandeln.
Dank der Unterstützung von Sandra Schön und Martin Ebner ist es gelungen, das Buch als Open Access-Publikation zu produzieren. Es ist daher frei im Internet zugänglich, nämlich hier. Selbstverständlich kann es aber auch gedruckt bestellt werden (demnächst z.B. hier). Und ein kleines Video gibt es auch dazu ebenso, nämlich hier.
Wir (die Herausgeber und Autoren) hoffen, dass Rolf und Peter die Texte mit Gewinn lesen. Ebenso hoffen wir natürlich auf viele andere interessierte Leser/innen und darauf, dass das Buch einen weiteren Impuls für das Zusammenwachsen der E-Learning-Community auf dem Hochschulsektor mit der hochschuldidaktischen Community gibt. Ich bin überzeugt, dass beide „Seiten“ davon nur profitieren können.
Hilfe, mein Prof bloggt!
Warum bloggen Professoren? So lautet die Frage zu einer Blogparade hier. Und dann stehe ich da an erstere Stelle – ja, natürlich muss ich darauf antworten – das ist klar! Aber das ist nach kurzem Nachdenken gar nicht so einfach. Wahrscheinlich ließe sich die Frage leichter beantworten, warum Professoren in aller Regel NICHT bloggen. Die Antwort steht vielleicht schon im Aufruf zur Blogparade: „Blogposts werden auf keiner Publikationsliste erwähnt. Blogposts werden bei Anträgen um Drittmittel nicht berücksichtigt.“ Genau! Ob Profs jetzt so viel Wert darauf legen, dass ihre Studierenden den Blog lesen, das glaube ich jetzt mal nicht. Vielleicht hoffen sie sogar, dass sie ihn NICHT lesen. Die eigenen Mitarbeiter lesen den Blog „ihres“ Profs dagegen vermutlich schon. Aber es gibt sicher noch andere Gründe dafür, als Prof nicht zu bloggen: Die Leserschaft in der Blogosphäre ist vielleicht nicht so „gewinnbringend“. Und außerdem hat man als Prof natürlich für solche Sachen keine Zeit bzw. braucht seine Zeit für wichtigere Dinge.
Und ich? Vielleicht blogge ich, weil ich zu viel Zeit und nichts Besseres zu tun habe – oder weil ich die Leserschaft mag (die man freilich aber so genau nicht kennt) – oder weil ich eh keine Drittmittel mehr will (weil man dann nämlich wieder mehr Zeit hat) – oder weil die Publikationsliste lang genug oder wegen fehlender International Journals ohnehin schon lange nichts mehr wert ist – oder: Es ist der Selbstdarstellungstrieb. Diesen Verdacht haben ja vor allem diejenigen, die nicht bloggen und sich fragen, wie man dafür seine Zeit verschwenden kann. Und wenn sie dann Christians letzten Blogposts zur Selbstdarstellung im Gruftie-Gewand auf dem Weg zur Unsterblichkeit (hier) lesen, dürfte der letzte Zweifel über die Richtigkeit dieser Überzeugung zerstreut sein
Aber so ist es freilich nicht ganz … Natürlich fehlt auch mir schon mal die Zeit für Dinge, die ich an sich noch gerne machen würde. Natürlich frage ich mich manchmal selber, ob ich nicht besser einen weiteren Artikel schreiben statt mehrere Stunden im Monat meinem Blog widmen sollte. Natürlich wundere ich mich bisweilen, warum so wenig kommentiert wird und ob sich das „lohnt“. Aber: (1) Es gibt viele Vor- und Falschurteile über Wissenschaftler und Hochschullehrer – und da bietet gerade ein Blog eine schöne Gelegenheit, das eine oder andere ein wenig geradezurücken. (2) In Diskussionen sind Argumente und Meinungen recht flüchtig – in einem Blog lassen sich diese abgewogener und dauerhafter darstellen. (3) Auch Professoren haben persönliche Meinungen, die man in wissenschaftlichen Texten in der Regel nur indirekt zum Ausdruck bringen kann – ein Blog bietet die Chance, wesentlich informeller aufzutreten und die eigene Meinung zu sagen. (4) Neue Menschen kann man nicht nur in der physischen Welt kennenlernen – schon oft bin ich via Blogs auf interessante Personen gestoßen, die wirklich etwas zu sagen hatten.
Mein Tipp an Profs: Lasst die Hände vom Bloggen, wenn ihr euch davon einen bestimmten Nutzen versprecht! Bloggen aus strategischen Gründen (Marke „Peerblog“) ist sicher Zeitverschwendung, und Spaß macht das auch nicht – weder den Schreibenden noch den Lesern. Schön fände ich es trotzdem, wenn es mehr bloggende Wissenschaftler z.B. in den Bildungswissenschaften gäbe, die einem Einblicke in ihre Arbeits- und Gedankenwelt geben. Vielleicht bringt ja die Blogparade noch ein paar Gründe mehr zum Vorschein, warum sie es NICHT tun – die Profs …
Denkzettel
Wie manche vielleicht schon bemerkt haben, stehen in meinem Blog ein paar Neuerungen an. Nach gut sechs Jahren war mal ein neues Design fällig. Außerdem werde ich bis Sommer die Seite um weitere Informationen ergänzen – neben Publikationen auch solche über Forschung und Lehre. Das Ganze ist also noch ein bisschen Baustelle und wird es auch noch eine Weile bleiben. Bei der Gelegenheit fand ich auch, dass ich mal den Namen ändern könnte. Mir ist schon klar, dass das immer eine schwierige Sache ist, weil sich über Jahre hinweg Bezeichnungen (in dem Fall: E-Denkarium) einprägen. Ich versuche es trotzdem – nämlich mit DENKZETTEL. Mir gefällt der Name, weil man ihn vielfältig deuten und einsetzen kann … Ansonsten wird sich nicht viel ändern: Ich werde nach wie vor versuchen, mindestens einmal pro Woche meinen digitalen Zettel mit hoffentlich brauchbaren Gedanken zu dem zu füllen, was mir so auffällt und durch den Kopf geht und öffentlich mitgeteilt werden kann
Zum Bild: Nein, ich verkaufe keine Gartenmöbel, ich mag sie einfach nur – unsere bunten Stühle zuhause …
Wissenslücken – ohne schlechtes Gewissen
Meine Habilitationsschrift – (sehr) LANG ist es her! – beginnt mit einem Zitat von Mittestraß: “Wer nur Wege geht, die auch andere gehen, übersieht allzu leicht das Unwegsame, das wirklich Neue, den Schwindel des Nichtwissens und den Umstand, daß wir nicht nur in einer Welt der Gegenstände, sondern auch in einer Welt der Aneignung, der Bedürfnisse und schwächer werdenden Orientierungsleistungen leben” (Mittelstraß, 1998, S. 43). Das mit dem „Nichtwissen“ hat mich immer schon fasziniert und gleichzeitig mit Fragezeichen versorgt, was allerdings auch daran liegen dürfte, dass ich die Sprache der Soziologen nicht immer besonders gut verstehe. Recht gut verstanden (soweit man das selber beurteilen kann) habe ich aber in den 1990er Jahren die Texte von Nico Stehr. Für meine Habil habe ich damals sein Buch mit dem Titel „Arbeit, Eigentum und Wissen: Zur Theorie von Wissensgesellschaften“ (1994) gelesen. Heute Morgen dann (als Ausgleich zu ein paar Tagen schrecklicher Bürokratie-Arbeit) bin ich auf einen seiner aktuellen Texte gestoßen: „Wissen und der Mythos vom Nichtwissen“ (online hier).
In diesem Beitrag vertritt Stehr die These, dass die Dualität von Wissen und Nichtwissen wenig erhellend ist. Das Nichtwissen sei zu einem Mythos geworden – auch in den Medien. Aus meiner Sicht fragt Stehr zu Recht, was denn genau die Bezugsgröße dieser Dualität sei: das Individuum oder das Kollektiv? Für Steht arbeitet unsere heutige Gesellschaft notgedrungen „kognitiv arbeitsteilig“ – und das sogar ganz erfolgreich. Eine strikte Gegenüberstellung von Wissen und Nichtwissen passe da genau genommen denkbar schlecht hinein. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es ihm unter anderem darum, uns ein wenig das schlechte Gewissen zu nehmen, wenn wir immer wieder feststellen, was wir alles nicht wissen (wobei das schon schwierig genug ist, weil man ja an sich nicht wissen kann, was man nicht weiß, da es in dem Moment schon wieder Wissen ist). Gleichzeitig lese ich aus dem Text heraus, dass Expertentum notwendig ist. „Es ist unrealistisch zu glauben, dass der Durchschnittsbürger, einschließlich der gut ausgebildeten, ausreichend ´technisches´ Wissen hat oder haben sollte, um in komplexe Entscheidungsfindungen einzugreifen“ (S. 49).
Stehr schlägt vor, Wissensformen nach der „Art der involvierten Partizipation“ (S. 51) zu unterscheiden. Das hört sich für mich interessant hat, wird aber leider nicht näher ausgeführt. Interessant finde ich das deshalb, weil es auch Auswirkungen auf didaktische Aufgaben haben könnte. Vielleicht wäre es fruchtbar, hier weiterzudenken und soziologische Impulse dieser Art für didaktische Fragen zu nutzen? Allerdings kann ich dem Vorschlag nicht zustimmen, Wissen vor allem als soziologisches Konstrukt zu fassen (S. 51). Man muss es aus meiner Sicht in jedem Fall AUCH als ein psychologisches Konstrukt sehen und bearbeiten. Stehrs Definition von Wissen als „Fähigkeit zum sozialen Handeln“ hat aber durchaus das Potenzial, sowohl psychologisch als auch soziologisch verstanden zu werden. Wenn noch hinzukommt, dass sich mit Wissen im so verstandenen Sinne die Handlungsmöglichkeiten erweitern, freuen sich auch die Pädagogen, weil das ja nun Zweck jedweder Form von Bildung ist (also die Erweiterung der Handlungsspielräume). Und siehe da: Man kommt hier ganz ohne den Kompetenzbegriff aus
Und was ist jetzt mit dem Nichtwissen? Stehr plädiert dafür, sich des Gegensatzes von Wissen und Unwissen (entspricht das dem Nichtwissen?) zu entledigen (S. 54). Besser sei es, davon zu sprechen, dass Personen mal mehr, mal weniger wissend oder unwissend (je nach Kontext) seien. Guter Vorschlag – jedenfalls für mich, denn: Ich verliere bei diesen „Negationsdiskursen“ regelmäßig den Faden und frage mich: Was genau sollen wir mit den „Erkenntnissen“ anfangen?
Ist das nicht ganz erstaunlich?
Was muss man tun, um bekannt zu werden? Einen Wettbewerb veranstalten. Allerdings muss es sich schon lohnen. Mal eben 5.000 Euro (oder gar nur eine ideelle Anerkennung) auszuschreiben, lockt heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor. 100.000 Euro sollten es schon mindestens sein – jedenfalls hatte auf diesem Weg der Medidaprix viele Wissenschaftler und Lehrende an Hochschulen zehn Jahre lang (bis 2009: hier die letzte Runde) dazu bewegt, an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Klar, dass bei 250.000 Euro (insgesamt) noch mehr Leute aktiviert werden (da immerhin auch mehr gewinnen können) – selbst dann, wenn es eine ganze Reihe von Bedingungen gibt, die man einhalten muss. Aktuell ist dies der Fall beim MOOC Production Fellowship von iversity: Ich wollte mir einen Überblick verschaffen, welche MOOC-Veranstaltungen da eingereicht worden sind. Aber es sind so viele (leider kann ich nirgendwo erkennen, wie viele genau), dass ich es nicht geschafft habe, diese alle anzusehen. Mich versetzen zwei Dinge nun wirklich in Erstaunen:
Das erste Erstaunen ist positiver Art. So viele Professoren, Juniorprofessoren und Privatdozenten (und nur die dürfen einreichen – warum eigentlich?) zeigen, dass und wie sie sich Gedanken um die Lehre machen; man findet eine Fülle an Kursideen und interessanten Themen und hat dabei das Gefühl, dass die alten Klagen über verstaubte Hochschullehre, die sich den digitalen Medien verschließt, der Vergangenheit angehören. Und es ist eine tolle Sache, dass sich da einem Ort Leute mit ihren Lehrvorschlägen versammeln, weil man davon eine Menge lernen kann. Nur schade, dass man 250.000 Euro braucht, damit Lehrende in dieser Form ihre Ideen öffentlich machen und damit einen gegenseitigen Austausch ermöglichen.
Das leitet mich über zum zweiten Erstaunen und das ist eher negativ gefärbt: Es geht mir nicht um die 250.000 Euro. Natürlich wirken (für den Einzelnen gesehen) 25.000 Euro motivierend und die nimmt man im besten Fall mit – würde ich auch, ist ja wirklich eine ganze Menge Geld! Nein, mich erstaunt, dass so viele mitmachen, obschon die Bedingungen des Wettbewerbs (z.B. im Vergleich zum Medidaprix) recht eng gesteckt sind (siehe hierzu die Guidelines): (a) Inhalte müssen in kurzen Lehrsequenzen gegliedert sein – und als Videoinhalte präsentiert werden (mit Ergänzungsmöglichkeiten), (b) im Anschluss an jede kurze Lehrsequenz muss eine Interaktionsmöglichkeit für Studierende kommen – am besten ein Quiz; (c) es sind zwar auch andere Interaktionsformen möglich, aber: sie sollen sich möglichst direkt in iversity abbilden lassen. So viele kreative Köpfe lassen sich in dieser Form vorgeben, wie sie ein Lernangebot zu konzipieren und anzubieten haben? Ist das nicht ganz erstaunlich?
Ich lerne daraus: Man nehme richtig viel Geld, sage ganz genau, wo es lang geht und viele folgen einem … Ja, das ist es vielleicht etwas übertrieben – gebe ich zu. Aber mal ehrlich: Warum ist es denn nicht möglich, dass wir uns an unseren Hochschulen um kreative Lehre, neue Ideen und einen fundierten Austausch bemühen, ohne dass wir dafür Wettbewerbe, Rankings und hohe Preisgelder brauchen und – das ist jetzt aus meiner Sicht das Entscheidende – uns dabei weitgehend vorschreiben lassen, wie wir etwas zu gestalten haben?
Ich habe nichts gegen MOOCs – im Gegenteil: Ich finde es hervorragend, dass da jetzt so viel experimentiert wird. Das ist EIN interessantes Format. Und wie gesagt: Wenn man sich die eingereichten MOOC-Beispiele anschaut, dann ist das beeindruckend, was man da sieht. Ich will hier wirklich niemanden diskreditieren! Vielleicht geht es auch einfach nicht anders. Aber ich finde, man sollte mal über den Mechanismus nachdenken, der da im Hintergrund zu wirken scheint und in didaktischen Engführungen münden kann, vor denen Rolf Schulmeister bereits vor vielen Jahren im Zuge der Einführung von Lernplattformen gewarnt hat.
Oh – jetzt weiß ich wieder, warum ich Pädagogik studiere
„Bepflanzung und gutes Raumklima inkl. Farben, ein mobiles Mobiliar, ein Touchscreen sowie eine Projektionsmöglichkeit aus allen Punkten des Raumes“ – so die relativ übereinstimmende Wunschliste von Studierenden, die Martin Ebner (mit Team) 2012 zum Thema Lehr-Lernraum in Workshops hat nachdenken lassen. Nun ist an der TU Graz so ein Raum versuchsweise eingerichtet worden (Text und Bilder hier).
Leider ist das an vielen Hochschulen nicht Realität: Wenn ich an Mobiliar in Unis denke, fallen mir (aktuell z.B.) unglaublich schwere Stühle und Tische ein, bei denen man sich zweimal überlegt, ob man auch nur Kleinigkeiten umstellt (die müssen da irgendwo Blei reingegossen haben). Oder man ist mit Hausmeistern und anderen „Raumwächtern“ konfrontiert, die einen bereits als potenziellen Vandalen im Visier haben, wenn man mal die Sitzordnung ändert.
Ab und zu mache ich es dann aber doch: Ein großer Effekt entsteht bereits, wenn man die Tische entfernt (was natürlich voraussetzt, dass die Studierenden nicht zwingend mitschreiben müssen). Das irritiert erfahrungsgemäß erst einmal stark – schon allein deshalb, weil man jetzt nicht weiß, wohin mit dem Kaffeebecher und der Wasserflasche (auch die Brotzeit kann man schlecht auspacken), und es ist schwerer, hinter dem geöffneten Notebook zu verschwinden. Überhaupt: Das ist erst mal ungemütlich – ungewohnt. Dumme Sprüche („oh – jetzt weiß ich wieder, warum ich Pädagogik studiere“) muss man freilich auch hinnehmen. In der Regel lohnt es sich trotzdem: Die Aufmerksamkeit ist anders fokussiert – der Tisch als Barriere zwischen Studierenden und Lehrenden ist weg. Es entsteht mehr Nähe, die natürlich (vor allem wenn sie ungewohnt ist) auch abgelehnt werden kann. In jedem Fall zeigen die meisten Personen in solchen Situationen mehr Präsenz – und die wünscht man sich als Lehrender ja schon (was gibt es Schlimmeres als in völlig abwesende Gesichter zu blicken).
Was ich auch nicht schlecht fände, wären Stehtische. Sitzt man nicht ohnehin genug? Ich selber stehe als Lehrende zwar die meiste Zeit – aber die Studierenden: Sitzen sie nicht ohnehin zu viel? Also wären auch Stehtische an den Wänden ganz gut, z.B. um sich da dann Notizen zu machen, oder auch mal im Netz etwas nachzuschauen etc. Auf Pflanzen könnte ich dagegen verzichten (wer denkt immer dran, die auch zu gießen?), aber mehr Farben: Ja, auf jeden Fall! Überhaupt: Etwas mehr Ästhetik – das Auge lernt ja mit, oder?
Man muss auch dran glauben
Peter Baumgartner und Claudia Bremer haben es bereits gepostet: Es wird, nachdem die „Zeitschrift für E-Learning“ (ZEL) in der gewohnten Form aus unserer Sicht nicht mehr sinnvoll war, wieder eine deutschsprachige Zeitschrift geben, die sich dem Themengebiet „Lehren, Lernen, Bildung und digitale Technologien“ widmet. Unter dem Akronym iTeL – steht für „Interdisziplinäres Journal für Technologie und Lernen“ – wollen wir künftig noch interdisziplinärer agieren und vor allem eine Open Access-Publikationsmöglichkeit mit neuem Peer Review-Verfahren auf die Beine stellen. „Wir“ sind ein (im Vergleich zur ZEL) erweiterter Kreis von Wissenschaftler/innen, die sich für das neue Vorhaben begeistern.
Ich möchte jetzt nicht wiederholen, was Claudia und vor allem, etwas ausführlicher, Peter schon über die bisherigen Entwicklungen und noch anstehenden Aufgaben gesagt haben. Am besten auf Peters Blog (hier) und dem GMW-Blog (hier) nachlesen.
Meine persönliche Hoffnung auf einen Erfolg von iTeL schöpfe ich vor allem aus dem größeren Kreis der beteiligten Personen, denn: Mehr Mitdenker schaffen einfach mehr, können sich gegenseitig besser Ideen zuspielen und unterstützen, aber auch Spitzen in der Arbeitsbelastung angemessener ausgleichen. Wichtig erscheint mir, von der dahinterstehenden Idee überzeugt zu sein, also davon, (a) dass es sich AUCH lohnt, Deutsch zu publizieren, (b) dass es trotz aller damit verbundener Schwierigkeiten möglich ist, AUCH im Open Access-Format eine hochwertige Zeitschrift zu machen, und (c) dass es NEBEN der Begutachtung zum Zwecke der Selektion noch so etwas wie eine Feedbackkultur in der wissenschaftliche Auseinandersetzung um Theorie, Empirie und Entwicklung und deren Beitrag für Wissenschaft und Praxis geben kann – auch wenn damit der Aufwand steigt. Ja, ein bisschen dran GLAUBEN muss man da schon, sonst wird es nichts – sonst holen einen die vorweggenommenen „Wenns und Abers“ schnell wieder ein, sonst gibt man bei den ersten Hürden (die sicher kommen werden) zu rasch wieder auf.
Ich ergänze also Peters „Unterstützt uns!“ durch ein „Glaubt dran!“ (auch wenn es LEIDER keine Sicherheiten gibt)