Ich kann mich erinnern, dass ich mal eine Art Pappdrehscheibe hatte, mit der man Sätze zum Thema Qualitätsmanagement bilden konnte – also mehrere Drehscheiben übereinander in verschiedenen Größen, mit denen man mehrere Satzteile so kombinieren konnte, dass Sätze resultierten, die alle immer irgendwie richtig, fast schon eindrucksvoll, geklungen haben, aber keinen nennenswerten Informationsgehalt hatten (man könnte auch sagen, es kommt am Ende so etwas wie Bullshit heraus). Leider habe ich dieses schöne analoge Teil nicht mehr. Ich musste aber daran denken, als ich die aktuellen Folien von Beat Döbeli angesehen habe (online hier), die er auf der Veranstaltung EduDays 2015 in Krems als Grundlage für seinen Vortrag mit dem Titel „Aus dem fernen Digitalien …“ nutzte.
In diesem Vortrag ist unter anderem die Rede von einem Blahfaselgenerator – quasi dem digitalen Pendant zu dieser Pappdrehscheibe. Beat macht in seinem Beitrag darauf aufmerksam, dass nun schon seit Jahrzehnten ein Leitmedienwechsel vorhergesagt wird – und das ziemlich unkreativ mit auswechselbaren Phrasen. Zudem ruft er dazu auf, nicht immer nur in der eigenen Gemeinschaft der bereits praktizierenden Mediennutzer überzeugen zu wollen, sondern auch mal aus dieser Gemeinschaft herauszutreten, mit den Kritikern zu sprechen, deren Argumente genauer kennenzulernen und selber kritisch zu bleiben – auch gegenüber der eigenen Mediennutzung (wobei er sich auf den Kontext Schule bezieht).
Aber hängen geblieben bin ich eben vor allem am Blahfaselgenerator – schon allein wegen des Klangs dieses schönen Wortes ;-). Ich denke, einen solchen Blahfaselgenerator wirft man seit vielen Jahren in wohl jedem Bildungskontext in regelmäßigen Abständen an – leider auch an der Hochschule (ein Beispiel dafür ist der Text „Digital wird normal“ – online hier). Das eigentlich Verwunderliche, vielleicht sogar Schlimme, dabei ist, dass das immer wieder zu funktionieren scheint und zudem immer wieder gleiche Gräben aufreißt: Über die digitalen Medien gelangt man in der Regel rasch zu verschiedenen Lehr-Lernmethoden generell oder – wie an der Hochschule üblich – nochmal übergeordneter zu der Frage, ob man denn überhaupt so etwas wie eine Hochschuldidaktik (ob mit oder ohne integrierter Mediendidaktik) braucht. Ein Blahfaselgenerator dürfte in beide Richtungen funktionieren: in die der Befürworter hochschul- und mediendidaktischen Engagements und in die der Gegner.
Digitale Medien aber eignen sich offenbar besonders gut als Impuls für die Diskussion um die Zukunft von Schulen und Hochschulen bzw. um die Zukunft des (formalisierten) Lehrens und Lernens. Und besonders leicht scheint man im Zusammenhang mit „Digitalität“ die letztlich sinnentleerten Botschaften generieren und verbreiten zu können.
Was hilft dagegen? Präzise formulieren und argumentieren, meint Beat z.B. – und da stimme ich ihm zu. Sätze wie „Die DNA der Generation Y ist kollaborativer“ (aus dem oben genannten Text „Digital wird normal“) etwa tragen wenig zu einer fundierten Argumentation über den Einsatz digitaler Medien in der Lehre bei. In Sowohl-als auch-Kategorien denken, so Beat, könnte ebenfalls helfen – und auch da kann man nur beipflichten. Das scheint aber besonders schwer zu sein, vielleicht, weil es am Ende halt auch unspektakulär ist. Aussagen wie „Massifizierung ist der erste Schritt hin zu Personalisierung“ (wiederum aus dem bereits zitierten Text “Digital wird normal“) jedenfalls klingen nicht nach einem reflektierten Abwägen der Potenziale und Risiken digitaler Anwendungen wie beispielsweise Learning Analytics (und das soll es wohl auch gar nicht, denn im weiteren Textverlauf – auf Seite 10 – heißt es: „Nur wer seine Lerndaten preisgibt, kann von Algorithmen erfolgreich durch den Lernprozess geführt werden […] Persönliche Vorzüge im Tausch gegen persönliche Daten“).
Und hier kommt wieder Beats Blahfaselgenerator ins Spiel – nämlich als Instrument für das eigene Ausprobieren: Denn die beste Sensibilisierung gegen das digitale Gefasel ist wahrscheinlich, sich in der Formulierung sinnarmer Sätze zur Notwendigkeit der „Digitalisierung von Bildung“ zu üben. Früher nannte man das aktive Medienarbeit.
Wer den Blahfaselgenerator übrigens ausprobieren will, kann das unter http://doebe.li/nonsense/ict tun.
Und wer als aktive Medienarbeit selbst einen Blahfaselgenerator programmieren will, kann das bereits mit 5./6. Klässlern tun, z.B. mit Scratch, siehe im Vortrag ab Folie 85.
Ich habe sogar noch eine dieser Drehscheiben und sie macht mir immer noch großen Spaß hin und wieder. Fotos s. https://plus.google.com/+LukaPeters