Dann gute Nacht

Der Thementeil der aktuellen Ausgabe von Forschung und Lehre blickt ins Jahr 2030 und fragt nach Entwicklungen in der Wissenschaft. Es ist klar, dass sich da die Digitalisierung stark nach vorne drängt. Unter den Beiträgen findet sich ein interessantes Interview mit dem Informatik Professor Gerhard Lakemeyer, der zu den Chancen und Risiken technischer Systeme, die selbständig entscheiden und handeln (also zur Künstlichen Intelligenz – KI) befragt wird. Lakemeyer weist im Interview mehrfach auf den großen Mangel an Forschung und Lehre zur Ethik hin: Die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen sei ganz zentral für die KI – in der Ausbildung ebenso wie in der Forschung, die entsprechend interdisziplinär sein müsse. Menschen z.B. setzen sich intuitiv über Regeln hinweg, wenn es einem höheren Zweck dient – Maschinen tun genau dies nicht. Menschen kommen auch, nach erster Orientierung, in Situationen irgendwie zurecht, die sie noch nie erlebt haben – für Maschinen sei das fast unmöglich. Weniger das Wegfallen bisheriger Berufe bereitet Lakemeyer die größte Sorge (hier müsse die Politik allerdings endlich aktiv werden), sondern das Aufkommen automatischer Waffensysteme, mit denen Menschen einen immensen Schaden anrichten können: „Wenn bspw. Autonome bewaffnete Drohnen in falsche Hände geraten, dann gute Nacht“.

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Seit 18 Jahren das gleiche Theater

Nein, ich war dieses Jahr nicht auf der Campus Innovation – also keine digitalen Medien im November. Stattdessen war ich in Berlin auf der BMBF Tagung Bildungsforschung 2020. Aber bevor ich in Kürze darüber berichte, möchte ich noch schnell auf einen Blogpost von Beat aufmerksam machen, weil er mich an meine eigenen inneren Monologe angesichts der viel diskutierten „Digitalisierung“ schon sehr erinnert.

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Was haben Sie falsch gemacht?

„[…] in der SPIEGEL-Rangliste steht die Universität Hamburg auf dem vorletzten Platz. Fühlen Sie sich für dieses schlechte Abschneiden mitverantwortlich?“ – „Nein, überhaupt nicht. Ich finde diese Untersuchung aber nützlich, weil sie den Finger auf eine Wunde legt, die von uns Hochschuldidaktikern schon lange beklagt wird. Es ist bestimmt hilfreich, wenn bei den Hochschullehrern, auch den Hamburgern, der Leidensdruck mal erhöht wird.“

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Selbstbewusste Expansion

Die Zeitschrift für Erziehungswissenschaft hat im Oktober ein Sonderheft herausgegeben mit dem Titel „Empirische Bildungsforschung. Der kritische Blick und die Antwort auf die Kritiker“ (Volume 19, Issue 1 Supplement, October 2016). Das Editorial beginnen Klaus-Jürgen Tillmann und Jürgen Baumert mit der Feststellung, dass die Entwicklung der empirischen Bildungsforschung in Deutschland seit den 1990er Jahren eine Erfolgsgeschichte sei – bis hin zu einer gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit. Es ist von einer selbstbewussten Expansion die Rede, die aber auch kritische Stimmen hervorgerufen hat – polemische ebenso wie ernsthafte, so Tillmann und Baumert. Ungewöhnlich an der wissenschaftstheoretischen und wissenschaftspolitischen Kritik seien nun weder ihre Existenz noch die Schärfe und Zuspitzung, die man beobachten könne. Ungewöhnlich sei eher der Verlauf: „Während die erziehungswissenschaftlichen Kritiker der empirischen Bildungsforschung […] ihre Positionen in einer Vielzahl von Büchern und Aufsätzen formuliert haben, hat es bisher bei den Akteuren der empirischen Bildungsforschung nur eine eher verhaltene Reaktion auf diese Kritik gegeben“. In der Folge habe sich kein wissenschaftlicher Disput entfalten können. Eine Feststellung, der ich mich nur anschließen kann.

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Rauskommt, was man reingesteckt hat

Kürzlich habe ich einen interessanten Text von Malte Brinkmann zur „pädagogischen Empirie“ gelesen – in der Zeitschrift für Pädagogik, 61 (4), 2015 (S. 527-545). Ausgangspunkt ist die Debatte bzw. Kontroverse über das Verhältnis von „erziehungswissenschaftlicher Theorie, qualitativer oder quantitativer Empirie und pädagogischer Praxis“ (S. 527) bzw. das „Zirkelproblem sozialwissenschaftlicher Forschung“ (S. 529). Mit den Worten Brinkmanns: „Der vermeintlich deskriptive Anspruch empirisch-quantitativer Bildungsforschung setzt nicht nur Normativität voraus, sondern diese wird – zirkulär – in der Praxis wieder hervorgebracht“ (S. 529). Oder mal ganz vereinfacht ausgedrückt: Rauskommt, was man reingesteckt hat, und dann richtet sich danach.

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Erklären, was Philosophen tun

Was hat Hochschuldidaktik mit Philosophie zu tun? Vermutlich würden viele darauf antworten: Nichts! Faktisch ist es auch so, dass sowohl im deutsch- als auch im englischsprachigen Bereich Forschung auf Datensammeln beschränkt wird und philosophisches Argumentieren darin eher nichts zu suchen hat. Zu diesem Schluss kommt auch der Neuseeländer Clinton Golding in einem Text von 2013:

Golding, C. (2013). Must we gather data? A place for the philosophical study of higher education. Higher Education Research & Development, 32 (1), 152-155.

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Unplanbar?

Agile Software-Entwicklung kennt man – aber agile Hochschuldidaktik? Die gibt es auch, und es gibt ein Buch darüber von Christof Arn (Hochschule Luzern). Mir war der Autor bis dato nicht bekannt, aber Infos zum Buch hatten mich neugierig gemacht. Die Neugier hat sich gelohnt. Mit großem Gewinn habe ich Arns Buch gelesen: Ich würde sein Thema eher als situative Didaktik bezeichnen, die er der „Plandidaktik“ gegenüberstellt. Gemeint sind (vereinfacht gesagt) die Entscheidungen in der Lehr-Lernsituation, die nicht geplant waren oder grundsätzlich unplanbar sind. Es geht um das „Hier-und-Jetzt“ der sozialen Interaktion zwischen Lehrenden, Lernenden und – so möchte ich ergänzen – der Sache.

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Eine zu respektierende Entscheidung

Ich bin Psychologin – „von Haus aus“, wie man so schön sagt. 1990 habe ich mein Diplom gemacht. Und sogar meine Habilitation fand immerhin (2000) noch in der Psychologie statt. Aber von einer „theoretischen Psychologie“ hatte ich nie (bewusst) gehört. Psychologie war für mich immer eine „empirische Wissenschaft“. Und heute ist sie eine naturwissenschaftlich-empirische Wissenschaft, und den Dr. phil. (wie meiner noch lautet) gibt es vermutlich auch kaum noch irgendwo in der Psychologie. Und jetzt, 2016, lese ich dieses Buch von Uwe Laucken mit dem spröden Titel „Theoretische Psychologie“ – und von einem spröden Text kann nicht die Rede sein. 434 Seiten – unscheinbar gedruckt an der Universität Oldenburg, gebunden wie eine Dissertation, die vor allem dazu bestimmt ist, im Regal zu stehen. Wie schade! Denn dieses Buch hat mich beeindruckt; dieses Buch sollte genau nicht im Regal verstauben, sondern gelesen werden; dieses Buch hat mir „meine“ Psychologie wieder ein bisschen zurückgegeben.

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Weg aus der schulpädagogischen Engführung

Vor einiger Zeit habe ich das Buch „Allgemeine Didaktik. Ein erziehungstheoretischer Umriss“ von Rotraud Coriand gelesen (Kohlhammer Verlag 2015). Von besonderem Interesse war für mich, wie die Autorin die Allgemeine Didaktik konzipiert und in den erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Gesamtzusammenhang einordnet, denn: Auch die Hochschuldidaktik ist in weiten Teilen eine allgemeine Didaktik; die Auseinandersetzung mit eben dieser scheint mir daher ganz besonderes wichtig zu sein.

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Noch mehr vom Gleichen

Sind wir so schlecht, dass wir uns – durch unsere Kopie – selbst abschaffen wollen? Muss da, wo die natürliche Intelligenz nicht auf der Höhe ist, die künstliche ran? Diese Fragen treiben Wolf Lotter um – in einem Beitrag (hier) der aktuellen Ausgabe von brand eins, die sich der Digitalisierung widmet (auch Jochen Robes hat bereits darauf verwiesen). Der Autor aber ist skeptisch und mahnt eindringlich zu einer neuen Nüchternheit, zu Pragmatismus und Vernunft. Seine Argumente formt er vorrangig aus Ereignissen und Entwicklungen der Vergangenheit, der Geschichte des Computers und des Internets.

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