Mut zur Lehre

„Die zählebigste Grundannahme ist die, der zufolge Lehren eine unverzichtbare Voraussetzung für die Initiierung und Begleitung von Lernprozessen sein soll“ – schreibt Rolf Arnold in der FAZ.net (hier) angesichts der nie endenden Klagen über die Lehre an deutschen Universitäten (danke an Sandra für den Link-Hinweis). Bologna, so Arnolds Argumentation, versuche, grundlegende Probleme des Lernens und Lehrens an unseren Unis durch „Mehr vom selben“ zu lösen, indem man z.B. den Präsenzunterricht erhöht und unter anderem auch die physische Präsenz kontrolliert. Dass dies keine sinnvolle Lösung ist, da stimme ich Arnold zu, wie ich kürzlich selbst in einem Interview (Blogbeitrag hier) erklärt habe. Meine volle Zustimmung hat Arnold auch in dem Argument, dass man im Zuge von Bologna dem Irrglaube unterliegt, dass man allein mit der Einrechnung des Selbststudiums in die Punktelogik der neuen Studiengänge sicherstellen könne, dass Studierende ein effektives Selbststudium praktizieren. Das Gegenteil dürfte (eben wegen mehr Präsenz-Anforderungen) der Fall sein.

Allerdings meine ich, dass Lehre sehr wohl etwas dazu beitragen kann, das Studierverhalten und damit das Lernen an sich (auch das Selbststudium) zu verbessern: Muss Lehre denn darauf beschränkt werden, langweile Vorlesungen zu halten, die – so Arnold – mit „aberwitzig geringen Behaltensquoten“ einhergehen und der „Verkündigungstradition der Kirche“ folgen? Nicht ganz klar ist mir außerdem, warum Arnold die Entwicklung von Selbstlernmaterialien von der Lehre abgekoppelt sieht: Vor mich besteht Lehren zum einen darin, geeignete Inhalte auszuwählen und aufzubereiten (Inhaltsdesign) und sich dann Gedanken darüber zu machen, mit welchen Methoden man Lernende darin unterstützen kann, aktiv mit diesen Inhalten umzugehen (Aufgabendesign). Wer Selbstlernmaterialien erstellt, der lehrt – finde ich! Aus dem Grund habe ich meinen Studientext (hier) auch genau so aufgebaut (nach Inhalts- und Aufgabendesign).

Wenn man ein solches Verständnis von Lehren hat, dann entsteht erst gar nicht eine so große Kluft zwischen Lernen und Lehren, wie Arnold sie sieht, und in der Folge empfiehlt, das Lehren besser nicht mehr so in den Vordergrund zu stellen. Bringt es uns weiter, wenn wir das Lehren zum Feind des Lernens erklären? Wollen dahin kommen, dass sich jeder alles selbst beibringen soll? Ist das ein kultureller Fortschritt? Ich würde alle drei Fragen mit nein beantworten und mich für mehr „Mut zur Lehre“ aussprechen. Mut braucht man deshalb, weil man sich mit dem Anspruch, anderen etwas beibringen zu können (und zu wollen), natürlich angreifbar macht, weil man viele Fehler machen kann, weil man mit seiner Inhalts- und Aufgabenwahl danebenliegen kann, weil man es NIEMALS allen recht machen kann …. Aber ist das ein Grund, es sein zu lassen?

Diskussion ohne Vorbehalte

Am letzten Freitag hat Christian Kohls, wie angekündigt, seinen „Gastvortrag“ gehalten, wobei – das gleich als Vorwarnung – er dazu einlud, auch gleich während seiner Ausführungen in die Diskussion einzusteigen. Und das haben wir dann auch gemacht – zweieinhalb Stunden lang. Wer also tatsächlich Interesse an der Audio-Aufnahme hat, sei hiermit gleich vorab informiert: Das ist die Aufnahme eines „Kolloquiums“ im wahrsten Sinne des Wortes (lat. colloqui = sich besprechen). Wir waren in einem normalen Seminarraum und haben diskutiert. Ich bitte also um Verständnis, wenn die die Qualität jetzt nicht so überaus hoch ist. Hier der Mitschnitt.

Frank hat sich (hier) in seinem Blog bereits ausführlicher mit den inhaltlichen Ergebnissen beschäftigt. Relativ lange haben wir uns in der „Musterdiskussion“ gleich zu Beginn bei den „Kontexten“ und den dort auftretenden „Wirkkräften“ aufgehalten, die man bei einer (didaktischen) Problemlösung beachten muss und die einen wesentlichen Aspekt in Mustern ausmachen. Ein weiterer längerer Diskussionspunkt waren der Begriff und die Rolle von „Normen“ in der Musterforschung. Wegen meines Esoterik-Vorbehaltes hatte Christian besonders viele Überlegungen zum Ganzheitlichtskeitsbegriff mitgebracht, den er dann auch etwas ausführlicher mit dem der „Gestalthaftigkeit“ verglichen hat. Interessant waren dabei vor allem die interdisziplinären Vergleiche.

Mir haben Christians Ausführungen auf jeden Fall geholfen, nochmal einen anderen Zugang zu und Blick auf die Musterforschung zu werfen. Wenn man Vorbehalte hat, ist dieser Weg des interaktiven Austausches mit Sicherheit der beste, um sich trotzdem mit einem Ansatz zu beschäftigen und ihn daraufhin abzuklopfen, was er zu bieten hat. Ich hoffe, den anderen Teilnehmern des Kolloquiums ist es auch so gegangen.

Silvias Präsentation zum Stand ihrer Arbeit im Themengebiet des Assessments hat gut in den vom Muster beherrschten Nachmittag gepasst. Allerdings stehen bei Silvia erst mal das Suchen und Finden von lernförderlichen und praxistauglichen Assessment-Verfahren an der Hochschule im Mittelpunkt der ersten Phase, bevor dann auch die Frage virulent wird, wie man diese sinnvoll darstellen kann, damit sie breiter genutzt werden. Ihre bzw. unsere Annahme ist, dass sich hierfür eine Darstellung als Muster eignet – womit eine gute Verbindung zu Christians Vortrag vorlag.

Ein insgesamt betrachtet interessanter Kolloquiumstermin mit unserem externen Gast, der hoffentlich auch etwas von der Diskussion mitgenommen hat.

Kollaboratives Schreiben für Lesefaule?

Die Autorenliste ist beeindruckend lang, die Sandra Schaffert und Martin Ebner nun beisammen haben, um ihr ehrgeiziges Lehrbuchprojekt L3T (Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien) zu realisieren – hier die dazugehörige Web-Seite. Ich vermute, dass es mehreren so geht wie mir: Ich bin beeindruckt, wie rasch die Idee in der Community eingeschlagen ist. Ich finde das zugrundeliegende Ziel gut, auch wenn es natürlich durchaus bereits eine ganze Reihe von Büchern gibt, die man AUCH in der Lehre einsetzen kann. Unschlagbar ist die damit verbundene Entscheidung, dass es sich am Ende um einen Open Content handeln wird. Und WEIL das alles so ist, auch weil man der Idee eine Chance geben will, ohne natürlich von vornherein einschätzen zu können, wie gut das alles gelingt, macht man mit – auch ich. Gespannt bin ich, ob und wie sich das jetzt organisieren lässt und wie es sich innerhalb der bereits vororganisierten Teilbereiche „selbst organisiert“. Ich will nicht sagen, dass Selbstorganisation nicht funktioniert. Aber meine persönliche Erfahrung ist die, dass sie selbst unter Experten nur im Falle spezieller Bedingungen funktioniert (meist die, dass man dieselbe Arbeitshaltung hat). Deshalb finde ich das gesamte Vorhaben nicht nur inhaltlich, sondern auch aus einer Metaperspektive ausgesprochen interessant. Vielleicht sollte man nebenher eine begleitende Studie machen? Eine Studie also zum kollaborativen Schreiben?

Eine für mich noch nicht geklärte (und über das Lehrbuch-Projekt natürlich hinausgehende) Frage dabei ist, was ein Buch eigentlich zu einem „Lehrbuch“ macht: Sind es formale Kriterien, wie die direkte Ansprache des Lesers, die Tatsache, dass man nicht viel (aber sicher etwas?) voraussetzt, um das Geschriebene verstehen zu können, eingestreute Fragen, Aufgaben und Zusammenfassungen u. ä. All das aber kann ich auch in einem klassischen Handbuch finden, das eher als Nachschlagewerk dient und natürlich AUCH in der Lehre eingesetzt werden kann. Meine Erfahrung mit Novizen ist, dass sich diese schwer tun, mit Texten, die aus sehr verschiedenen Federn stammen, so zu lernen, dass sich erste belastbare mentale Modelle bilden. Aus dem Grund bin ich bei Inhalten, die mir sehr wichtig sind, zu eigenen Studientexten (als Einstieg) übergegangen. Aber das beantwortet noch nicht meine Frage, was ein Buch zu einem Lehrbuch macht, wobei fraglich ist, ob man überhaupt allein mit einem Buch lernen kann – bzw. wann man das kann. Gerade erst habe ich das kleine Büchlein von Kuckarts et al. von 2008 mit dem Titel „Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis“ gelesen: Das darin geschilderten Beispiel aus einer Vorlesung deckt sich mit meinen Erfahrungen (siehe z.B. auch hier), dass Studierende überhaupt eher nicht so gern lesen, schon gar nicht viel Text, sondern lieber Zusammenfassungen auf Folien. Was bedeutet das für Lehrbücher? Wie gesagt: Ich habe keine abschließenden Antworten. Zumindest aber habe ich bei mir selbst festgestellt, dass Texte „aus einer Hand“ für den Einstieg mehr bewirken als z.B. Reader mit Texten verschiedener Autoren.

Entwurfsmuster zwischen Esoterik und Ernsthaftigkeit

Ich möchte eine kleine Ankündigung zum nächsten Doktorandenkolloquium machen: Neben Silvia wird am 04.06.2010 Christian Kohls (der bereits beim ersten Münchener Termin bei uns zu Besuch war) einen Gastvortrag zu seinem wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkt halten (hier der Kolloqiumszeitplan). Der Titel lautet: „Entwurfsmuster für die Gestaltung von Unterrichtsrealität.

Christians Abstract

„Unterrichtsgeschehen ist in der Regel komplex, vielschichtig und von verschiedenen Einflussfaktoren der jeweiligen Situation abhängig. Zur Erfassung von Regelmäßigkeiten guter Praktiken im Unterricht bedarf es daher einer Herangehensweise, die diese Komplexität reduziert ohne die Vielseitigkeit und Anpassbarkeit an konkrete Kontexte zu zerstören. Entwurfsmuster erfassen nicht nur ganzheitliche Bestandteile des Unterrichts (Szenarien, Methoden, Werkzeuge, Medienformen) sondern bereiten sie in einem Format auf, das die Übertragbarkeit auf neue Unterrichtssituationen und deren Gestaltung ermöglicht. Wesentlich ist daher nicht nur die Beschreibung der Form, sondern auch Nennung der passenden Kontexte, Situationen und Umwelten in denen diese Form angemessen, d.h. zum Ziel führend, ist. Diese Bewertung der Angemessenheit erfordert eine Begründung für die Gestaltungsform, d.h. eine Erörterung welche Einflussfaktoren eine bestimmte Vorgehensweise erforderlich oder zumindest brauchbar machen. Die Übertragbarkeit auf neue Unterrichtssituationen und die damit verbundene Forderung nach Umsetzbarkeit macht es zudem erforderlich, dass eine Entwurfsmusterbeschreibung weder zu abstrakt noch zu konkret ist. Abstrakte Modelle geben zu wenig Struktur vor wenn Allgemeinheit zu Beliebigkeit und damit zu Bedeutungslosigkeit wird. Rezeptartige Anleitungen, die keine Freiräume lassen, sind auf der anderen Seite nicht mehr geeignet den variablen Gegebenheiten von Lehr-/Lernsituationen gerecht zu werden. Die Herausforderung besteht demnach darin, Muster zu finden und zu erklären, die sowohl gestalthaftig als auch gestaltbar sind. Aus dieser Forderung leiten sich erkenntnistheoretische Fragestellungen für die Bildungsforschung ab, die in diesem Vortrag aufgegriffen werden.“

Ich persönlich sehe ja immer noch nicht so recht das wirklich Neue am Entwurfsmusteransatz, wenn man es mal aus einer didaktischen Perspektive betrachtet, aber wahrscheinlich nervt mich manche in diesem Umfeld anzutreffende esoterisch angehauchte Literatur (mit Stichworten wie „lebende Strukturen“, „Ganzheitlichkeit“, „Lebenseigenschaften“ u.ä.) zu sehr, sodass ich mich noch nicht ausreichend und ernsthaft genug damit beschäftigt habe. Doch ich bin ja lernfähig (hoffentlich) und daher sehr froh um unseren Gatsvortrag am Freitag. Zwischen Silvias Dissertationsplänen (zum Thema Assessment) und Christians inzwischen mehrjährigen Entwurfsmusterarbeiten gibt es zudem einige Verbindungslinien, sodass ich mich auf einen diskursreichen „Master-Nachmittag“ freue. Sollte jemand Interesse haben, dazuzukommen, bitte eine kurze Mail an mich. Wir freuen uns immer über Gäste.

Anwesenheitslisten als Schlüsselreiz

Anlässlich eine Vortrags am 11. Juni in Wien (hier die Ankündigung) habe ich der Zeitung „Der Standard“ (Österreich) ein Interview gegeben, das online hier verfügbar nachzulesen ist. Es geht mal wieder um Bologna und die Frage, was da so alles schief läuft und wer dafür verantwortlich ist. Viele der Fragen sind/waren wirklich sehr schwer zu beantworten und was ich da sage, ist meine persönliche Meinung, die natürlich nur auf einem bestimmten Erfahrungsschatz – nämlich meinem – beruht. Interessant sind die vielen Kommentare (unter dem Interview), was man sonst selten beobachtet! Die meisten Kommentare sind zustimmend und erläuternd. Nicht wenige der Kommentare beziehen sich hauptsächlich auf die willkürlich herausgegriffene Aussage zu Anwesenheitslisten, die die Journalistin als Überschrift gewählt hat – nämlich dass ich KEINE Anwesenheitslisten führe (scheint also eine besonders attraktive Aussage zu sein ;-)). Daran sieht man mal wieder, wie aufmerksamkeitslenkend Titel sein können (übrigens auch ein Effekt bei Veranstaltungen). Unter den vielen Kommentaren sind auch einige (wenige), die sich unmittelbar auf die Universität der Bundeswehr beziehen. Nun ja, das ist mir klar, dass dies nun immer wieder ein Punkt sein wird, auf den ich angesprochen werde. Ich gebe zu, dass das auch lange ein Aspekt war, der mir bei der Rufannahme eine ganze Reihe Zweifel beschwert hat.

Also, vielleicht kann ich ein paar Punkte klar stellen. In einem Kommentar wurde angemerkt, dass man einer Universität der Bundeswehr ja wohl keine Anwesenheitslisten brauche. Also: Auch an einer Universität der Bundeswehr ist es – das kann ich jetzt in meinem ERSTEN Trimester sagen – keineswegs so, dass die Studierenden tatsächlich alle quasi „auf Befehl“ kommen – eher im Gegenteil. Meine ersten Erfahrungen sind so, dass es im Studierverhalten zwischen BA-Studierenden etwa der Uni Augsburg und der UniBw München im Hinblick auf „ökonomisches Denken bei Workload und Co.“ keine großen Unterschiede gibt. Auch die Sorgen wegen der Umstellung auf BA (in München nämlich ganz neu) sind vergleichbar mit dem, was ich Anfang 2000 in Augsburg erlebt habe. Übrigens: Auch an der Uni Augsburg habe ich keine Anwesenheitslisten geführt. Anfangs hatte ich das versucht und nicht den Eindruck, dass das irgendeinen wirklich gewinnbringenden Effekt hat. Deswegen habe ich es sehr schnell wieder sein gelassen. Ein weiterer Kommentator bezweifelt, ob man an der UniBw in München überhaupt frei denken dürfe. Dazu: Beide Universitäten der Bundeswehr unterliegen jeweils dem Hochschulgesetz des jeweiligen Landes (in München also Bayern). Es ist natürlich schon ein ziemlicher Unsinn zu sagen, man dürfe dort nicht frei denken. Natürlich ist der Kontext ein anderer als an anderen Unis. Aber Helmut Schmidt hat sich maßgeblich für die Gründung beider Unis eingesetzt, DAMIT genau die lernen, eigenverantwortlich zu denken, die später mal besonders große Verantwortung tragen. Ich nehme das ernst und finde es von daher besonders wichtig, die Grundsätze eines Universitätsstudiums dort umzusetzen, die im Zuge einer wachsenden Ökonomisierung übrigens an ALLEN Hochschulen in Gefahr sind!

PS: Leider sind die Angaben zu meiner Person in diesem Interview nicht so ganz richtig: Werder bin ich Medienpsychologin, sondern einfach „nur“ Dipl.-Psychologin 😉 noch habe eine Professur für Medienpädagogik, sondern für Lehren und Lernen mit Medien.

Kolloquium als Übungsplatz

Am Freitag (21.05.2010) fand mit Tamara, Hannah und Diana der zweite Termin in unserem Doktorandenkolloquium statt, bei dem wir – eingebettet in kurze schriftliche Zusammenfassungen für alle vorab und kurze Reflexionen im Anschluss – jeder Präsentation und Diskussion „nur“ ca. 75 Minuten gewähren. Auch diesmal war das zeitlich gut zu schaffen. Alle drei Arbeiten befinden sich in einem anderen Stadium und mir wird bei den Diskussionen immer bewusst, dass es gar nicht so einfach ist, die Besprechungen so zu moderieren, dass man den individuellen Entwicklungsstadien gerecht wird. Am Freitag hatten wir tatsächlich drei Beispiele für ganz unterschiedliche Stadien, in denen man in der Regel (insgesamt ist das natürlich individuell recht verschieden) mit jeweils typischen Schwierigkeiten zu kämpfen hat:

In der ersten Phase, die meiner Erfahrung nach in Abhängigkeit vom Thema und Forschungskontext auch recht lange dauern kann, geht es vor allem darum, ein Thema einzugrenzen, einen Schwerpunkt zu definieren, Fragestellungen wie auch Prämissen (die man nicht untersuchen will) festzulegen und zu entscheiden, was wünschenswert und was machbar ist. Das ist mitunter schwierig und kostet vielen auch eine ganze Menge Energie.

In der längeren mittleren Phase kommen Doktoranden oft (und das ist jetzt ein Beispiel für mehrere Knackpunkte in dieser Phase) zu dem Punkt, an dem sie das Gefühl haben, das „big picture“ aus den Augen zu verlieren – wobei es aus meiner Sicht bereits ein gutes Zeichen ist, wenn man dieses Gefühl hat! Denn das zeigt, dass man den Zusammenhang wahren, sich nicht in gar nicht so relevanten Teilästen verlieren will u.ä. Geprüft wird dann, ob die Fragestellung überhaupt noch passt; erste positive und negative Erfahrungen mit theoretischen und/oder empirischen Teilarbeiten müssen verarbeitet werden. Oft beginnen da die ersten ganz großen Zweifel: Man ist schon ein zu weites Stück gegangen, um umkehren zu können, aber das Ziel scheint einfach noch zu weit weg zu sein.

Gegen Ende der Dissertation steht man wieder vor anderen Herausforderungen: Nun gilt es, die Arbeit auch im Detail zu gliedern, den roten Faden hinzubekommen, die rechte Gewichtung verschiedener inhaltlicher Aspekte zu finden und sich der Frage zu stellen, wann man den Schlusspunkt setzen kann, wann die persönliche und gemeinsam definierte „Bestmarke“ erreicht ist.

In all diesen Phasen braucht man – so meine ich – unterschiedliche Unterstützung, man muss verschiedene Hürden nehmen, aber es ergeben sich dabei auch jeweils besondere Lernchancen. In unserem Kolloquium ist das manchmal so ein Balanceakt zwischen für mich ausgesprochen positiver offener Kritik durch die ganze Gruppe einerseits und einem an sich notwendigen individuellen, manchmal vielleicht etwas behutsameren, Coaching andererseits. Der Umgang mit Kritik ist in der Wissenschaft ja eine wichtige und unerlässliche Aufgabe, die – so behaupte ich mal – für niemanden immer leicht ist. Ich meine, man muss jede Kritik prüfen, aber sie muss keinesfalls immer Anlass für Änderungen sein. Auch dafür bieten unsere Kolloquien sicher einen guten Übungsplatz und so sollte es wohl sein: Mit einer Gruppe zusammenzuarbeiten, der man soweit vertraut, dass man genau das auch üben kann.

Wer ist verantwortlich?

Die Frage, wer die Verantwortung trägt, stellt sich im Moment ja ziemlich oft: Wer ist verantwortlich für die aktuelle Ölpest, wer für die Euro-Krise und wer dafür, dass die Ziele, die man für Forschung und Hochschulbildung in Deutschland gesteckt hat, nicht erreicht werden? In der Hochschulrektorenkonferenz, unterstützt vom Bundespräsidenten und Ministerin Schavan (von der man ja sonst nicht mehr viel hört) wird der Ruf laut, Bildung und damit auch die Hochschulen (wieder) unter eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu stellen und folglich dem Bund mehr Rechte, aber natürlich auch Pflichten zu geben, auch wenn es um die Hochschulen geht. Ob da wirklich so viel mehr Finanzkraft als von den Ländern kommt, kann ich nicht beurteilen; zumindest habe ich da meine Zweifel. Dass Kleinstaaterei bei so grundsätzichen Fragen wie in der Bildung aber mehr als verzichtbar ist, das glaube ich schon. Mal schauen, was aus diesem Vorstoß wird. Hier die dazugehörige (kurze) Pressemeldung der HRK.

Aufwand und Nutzen für Doktoranden

Am Freitag letzter Woche (05.05.2010) hatten wir bereits den zweiten Termin des Frühjahrskolloquiums. Zu den Neuerungen gehört, dass wir die Zeit von 12.30 bis 17.00 Uhr nicht mehr nur mit zwei Doktoranden füllen, die den Stand ihrer Arbeit präsentieren, sondern mit drei. Warum? Weil ich gerne in jedem Zyklus etwas mehr Zeit für (a) mindestens einen Gastvortrag und (b) allgemeine Themen, die wir eher in Form eines Workshops bearbeiten, in das Kolloquium integrieren möchte. Um aber den Doktoranden dennoch die gleiche Aufmerksamkeit wie früher zukommen lassen zu können, haben wir vereinbart, dass jeder Doktorand ca. 10 Tage vor seiner Präsentation auf ca. zwei (maximal drei) Seiten verbal zusammenfasst, was der Stand seiner Arbeit ist und vor welchen offenen Fragen er gerade steht, die er in der Gruppe vordringlich besprechen möchte. Ich bekomme zunächst diese erste Fassung und kann dann schon mal Rückmeldung geben, die ich mir im Kolloquium selbst sparen kann. Die zweite Version des kurzen Status-Berichts wird dann allen aus der Doktorandengruppe ca. eine Woche vor dem Kolloquiumstermin zur Verfügung gestellt, sodass sich jeder vorbereiten kann. Der Vorteil: Lange Präsentationen über an sich schon bekannte Dinge (vor allem wenn die Arbeiten schon länger laufen) entfallen und wir kommen schneller und intensiver ins Gespräch.

Der erste Versuch, es mal so zu machen, wie beschrieben, hat gut funktioniert. Sandra, Mandy und Detlev haben sich in das nun straffere Zeitkonzept ohne besondere Schwierigkeiten begeben können und waren mit der Besprechung ihrer Arbeiten in der Gruppe recht zufrieden. Im Nachgang soll dann noch eine kurze Reflexion über die Resultate für die eigene Arbeit aus der Diskussion verfasst werden. Auch das scheint zielführend zu sein. Besonders froh bin ich über die in Sandras Blog (hier) dargestellten Meinungen dazu. Ich empfehle auch, die kurze Diskussion zu diesem Post zu lesen, in dem der Aufwand noch einmal besprochen wird.

Wir dokumentieren die genannten Dinge (also auch die Vorbereitungen und Reflexionen) alle auf Mahara – einem System, an dem wir gerade noch ein bisschen herumbasteln (hier). Im Laufe der Zeit wird sich zeigen, wer von den Doktoranden für welche Kreise seine Aufzeichnungen zugänglich machen will. Wir wollen da nichts überstürzen und müssen uns auch alle erst mit der neuen Software vertraut machen.

Ich denke einerseits nicht, dass sich ein solches Vorgehen in Doktoranden-Veranstaltungen eins-zu-eins im BA-Studium umsetzen lässt. Andererseits habe ich auch mit BA-Studierenden schon gute Erfahrungen damit gemacht, sie ab und zu (wo es ihnen selbst wichtig ist!) zum Verschriftlichen ihrer Gedanken zu „zwingen“. Das nämlich gibt mir auch die Möglichkeit, direkt darauf (ebenfalls schriftlich) zu reagieren, was dann mehrfach nachgelesen und wirklich „verarbeitet“ werden kann; im flüchtigen Gespräch ist genau das nicht immer möglich.

Neues virtuelles Zuhause

Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir in Augsburg einen neuen Web-Auftritt für das imb erarbeitet haben – dummerweise konnte ich davon nicht lange zehren. Aber so ist das eben, wenn man etwas (bzw. sich selbst) verändern will, wenn man was Neues anfangen und neue Erfahrungen sammeln möchte, wozu eben auch Kontextwechsel gehören. Und das bedeutet natürlich viel Neu-Aufbau – auch was die Web-Präsenz (http://lernen-unibw.de/) betrifft, die nun weitgehend steht – wie üblich mit noch einigen „Baustellen“. Vielen Dank an der Stelle vor allem an Alex und alle anderen, die mitgeholfen haben und weiter mithelfen.

Nun ging bzw. geht es aber diesmal nicht um ein ganzes Institut (aber das gab es 2001 in Augsburg auch nicht), sondern nur um eine kleine Professur – „back to the roots“ sozusagen. Wir fangen also wieder klein an – und es gibt womöglich auch gute Gründe, klein zu bleiben … na ja, mal sehen, was die Zukunft bringt.

Einstieg in den Ausstieg

Von wegen keine Kommentarkultur: Es kommt eben auf die Art der Meldung an, ob und wie viele Kommentare man erhält. Persönliche Meldungen, die uns berühren, regen offenbar mehr dazu an, sich mitzuteilen, als wissenschaftliche Beiträge. Und wenn es dann noch eine Ankündigung des Einstiegs in einen weitgehenden Aussteig aus der Web 2.0-Welt ist, dann ist das auf diesem Kommunikationskanal (also Blogs) wohl nur verständlich. Christian fühlt sich im Netz verstrickt und kappt konsequenterweise etliche Verbindungen – ohne uns aber (wie er ankündigt) komplett verloren zu gehen. Ein sicher sinnvoller Schritt … und interessante zahlreiche Reaktionen – hier nachzulesen.

Nachtrag (08.05.2010): Christian hat seinen Ausstieg nun doch etwas näher erläutert (hier), worauf ich der Vollständigkeit halber noch kurz verweisen möchte.