CRAFT – das Handwerk der humanen Hochschulbildung

Im letzten Blog-Post (hier) habe ich auf das Whitepaper „Generative AI in higher education: Current practices and ways forward” von Danny Liu und Simon Bates verwiesen. Es beschreibt ein Rahmenmodell für die Nutzung und Akzeptanz von generativer KI an Hochschulen: das CRAFT-Modell, das (so erklärt sich das Akronym) die Komponenten Culture, Rules, Access, Familiarity, Trust enthält. Diese decken nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse und Erfahrungen relativ gut ab, was wichtig für den Einsatz von KI in der Hochschulbildung ist. Verhandelbar dürfte hingegen sein, wie man diese inhaltlich ausgestaltet.

Im Folgenden versuche ich, die CRAFT-Komponenten so zu formulieren, dass sie mit einer humanen Hochschulbildung als Referenzwert vereinbar sind. Dabei wähle ich eine Formulierungsform, die beschreibt, wie die fünf Komponenten umgesetzt wären, wenn es gelänge, den KI-Einsatz an einer humanen Hochschulbildung auszurichten. Es handelt sich also um eine Darstellung, die – würde ich mir etwas wünschen können – aus meiner (derzeitigen) Sicht ideal wäre.

Rules: Es gibt auf mehreren Ebenen Regeln für den Einsatz von KI in der Hochschulbildung; diese stecken jeweils Spielräume ab, innerhalb derer Institutionen oder Personen Verantwortung übernehmen. Zunächst geben einfache grundlegende Regeln für die Nutzung von KI an Hochschulen Studierenden, Lehrenden und Hochschulleitungen Rechtssicherheit in der eigenen Organisation; im besten Fall gelten sie unterschiedslos an allen Hochschulen Deutschlands (oder gar Europas). Auf einer Ebene darunter bestimmen die Fächer über Organisationsgrenzen hinweg, wie sie KI in Lehre und Forschung nutzen, und reflektieren diese regelmäßig. Innerhalb dieses Spielraums bestimmen Lehrende aus didaktischen Gründen Regeln für die KI-Nutzung in Studium und Lehre, die sie Studierenden begründen und/oder mit diesen gemeinsam festlegen. Diese Form des Umgangs mit Regeln entwickelt sich zu einer von allen Mitgliedern der Hochschule getragenen kulturellen Praxis.

Access: An Hochschulen haben Studierende und Lehrende Zugang zu rechtssicherer und ressourcenschonend arbeitender KI. Dazu bilden Hochschulen Kooperationen, damit die Investitionen bezahlbar bleiben. Auf Konkurrenz zwischen den Hochschulen wird in Bezug auf KI bewusst verzichtet; stattdessen werden technische KI-Infrastrukturen als akademische Gemeingüter behandelt und weiterentwickelt. Diese Denkweise wird Teil der Hochschulkultur. Gleichzeitig ist sichergestellt, dass Studierende Zugang im Sinne von Kontakt zu Lehrenden haben; dies ist verbunden mit einer dauerhaft guten Betreuungsrelation, die den Aufbau sozialer Beziehungen zulässt. Zugang bezieht sich also nicht nur auf Maschinen, sondern auch auf Menschen, um zu gewährleisten, dass Hochschulen Orte sind und bleiben, an denen Studierende und Lehrende einander kennen und sich vertrauen können.

Familiarity: Lehrende und Studierende sind in dem Sinne mit KI vertraut, dass sie – vergleichbar den Fähigkeiten zum Lesen und Schreiben – eine grundlegende KI-Literacy ausbilden, also mindestens so viel über KI wissen, dass sie diese in ihren Potenzialen und Grenzen einschätzen können und in der Lage sind, sich die Handhabung von KI-Systemen anzueignen und diese verantwortungsvoll und begründet anzuwenden. Dazu kommen ein vertieftes Wissen und Können in Bezug auf KI im eigenen Fach. In diesem Sinne werden grundlegende und fachspezifische KI-Literacy unverzichtbarer Teil der Hochschulbildung. Gleichzeitig stellen Hochschulen sicher, dass Studierende ausreichend KI-freie Lernräume haben und nutzen, um Expertise als Grundlage für kritische Urteilskompetenz in ihrem Fach zu entwickeln. Lehrende und Studierende sind zudem vertraut mit den Regeln zur Nutzung von KI in der Hochschule und in ihrem Fach.

Trust: Studierende und Lehrende können darauf vertrauen, dass ihnen die Hochschule Zugang zu KI und Lehrenden ermöglicht und bestehende Regeln zur KI-Nutzung stets verantwortungsvoll formuliert sind und umgesetzt werden. Da eine vertrauenswürdige KI kaum realisierbar ist, basiert Vertrauen bei der KI-Nutzung in der Hochschulbildung darauf, dass Wissenschaft generell bzw. die Fachwissenschaften vertrauenswürdige KI-Praktiken ausbilden, an denen sich Studium und Lehre orientieren. Studierende und Lehrende bauen untereinander stabile Vertrauensverhältnisse auf, weil sie regelmäßigen Kontakt haben und eine offene Kommunikation pflegen.

Culture: Die Nutzung von KI an der Hochschule wird grundsätzlich getragen von demokratischen und akademischen Werten. Im Umgang mit KI besteht eine Kultur des Aushandelns in der Wissenschaft bzw. in den Fachwissenschaften und ebenso zwischen Lehrenden und Studierenden sowie eine Kultur des Vertrauens zwischen Menschen an der Hochschule. Studierende wie Lehrende sind intrinsisch motiviert, die eigenen Potenziale zu entfalten und das eigene Wissen und Können bestmöglich zu entwickeln – als Voraussetzung für kritisches Urteilsvermögen im Umgang mit KI. Die persönliche und fachliche Bildung durch Wissenschaft stehen über der Zertifizierung von Leistungen.

Eine solche Ausgestaltung von CRAFT (Culture, Rules, Access, Familiarity, Trust) hätten vielleicht das Potenzial, zum „Handwerk der humanen Hochschulbildung“ mit und trotz KI zu werden. Mit den neu interpretierten CRAFT-Komponenten müsste wohl auch die Visulisierung anders gestaltet sein. Daher auch hierzu noch mein Vorschlag für eine visuelle Darstellung.

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