Sollen Profs im Bachelor lehren? – so fragt die Deutsche Universitätszeit (duz) hier und druckt die Antworten von zwei Professoren ab, deren Meinung dazu nicht unterschiedlicher sein könnte.
Wolfram Koepf, Professor am Institut für Mathematik an der Universität Kassel, meint „Auf jeden Fall sollen Profs im Bachelor lehren“: Warum? „Der Umgang mit Studienanfängern ist eine wichtige Erfahrung, die ich in meiner Tätigkeit nicht missen möchte und die mich als Dozenten auch immer wieder aufs Neue eicht. Diese Erfahrungen prägen auch die Neuerungen unserer Studiengänge. […] Zum anderen sind Lehre und Forschung die beiden akademischen Säulen, die nach meiner Ansicht für Professorinnen und Professoren denselben Stellenwert haben sollten, auch wenn dieser Grundsatz möglicherweise nicht bei jedem Berufungsverfahren vollständig zur Geltung kommt. Meiner Meinung nach ist Forschung nicht „wertvoller“ als Lehre, unsere Studierenden haben einen Anspruch auf die bestmögliche Ausbildung. […] Wenn die Lehre in den Bachelor-Studiengängen hauptsächlich von Lehrbeauftragten geleistet würde, führte dies unweigerlich bei den Professorinnen und Professoren zu einer Verschiebung ihrer Tätigkeit in Richtung Forschung […] Dies halte ich allerdings für völlig falsch. […] Worin würden sich dann Universitäten noch von außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterscheiden? Die Trennung von Lehre und Forschung mag an außeruniversitären Forschungseinrichtungen angebracht sein, an Universitäten hat sie meines Erachtens nichts zu suchen.“
Volker Haucke, Direktor des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie, dagegen ist überzeugt: „Auf keinen Fall sollen Profs im Bachelor lehren“: Warum? Von einer Einheit von Bildung und Forschung könne schon lange keine Rede mehr sein, zumindest die unteren Semester betreffend. Zudem kämen Studienanfänger mit immer mehr Defiziten, die man erst beheben müsse. Von daher seien festangestellte Dozenten, die nur lehren, die Lösung: „Sie könnten die Ausbildung vom ersten bis zum vierten Semester übernehmen. Professoren sollten vom fünften Semester an Forschungspraktika und Bachelor-Arbeiten betreuen. Idealerweise würden die Stellen mit ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzt werden, die die Lehre als Berufung erkannt haben. Realistischerweise würde man auch diejenigen einstellen, die das selbstgesteckte Ziel einer Professur nicht erreicht haben, aber Engagement in der Lehre zeigen. […] Unbefristete Stellen im Sinne hervorragender Forschung sind nicht sinnvoll und werden auch in Zukunft nur einer kleinen Gruppe vorbehalten bleiben; doch die vielen guten und engagierten Leute, die nicht alle an die Spitze gelangen können, haben Besseres verdient, als mit Anfang vierzig auf der Straße zu stehen. Professoren könnten verstärkt Master-Studenten betreuen – und das unterrichten, was sie selbst begeistert, in einer echten Einheit von Forschung und Lehre.“
Meine eigene Einstellung zu diesem Thema ist: Professoren sollten in allen Phase von Studiengängen lehren. Ein akademisches Studium ergibt aus meiner Sicht nur unter der Leitidee „Bildung durch Wissenschaft“ Sinn und das erfordert zwingend, dass Lehre und Forschung nicht getrennt und auf verschiedene Personen verteilt werden. Sicher wird es hier in Bezug auf Details erhebliche Unterschiede in den (Teil-)Disziplinen geben (siehe hierzu etwa unser Forschungsvorhaben FideS); auch die Frage, wie man den Übergang zwischen Schule und Universität besser hinbekommt als bisher, ist zweifellos nicht mit einem bloßen Ruf nach „forschendem Lernen“ zu beantworten.
Die beiden Positionen in der duz zeigen schön, dass die Frage nach der Lehre von Profs im Bachelor die Haltung zur Lehre generell und zum Verhältnis von Forschung und Lehre offen legt: Lehre als Feld für gescheiterter Forscherkarrieren zu definieren (also für die, die nicht „an die Spitze gelangt“ sind und ihr selbst gestecktes Ziel zur Professur nicht erreicht haben), ist durchaus verbreitet, wird aber selten so unverblümt formuliert. Dass es jemand mal so deutlich ausspricht wie im duz-Artikel, ist vielleicht gar nicht so schlecht, denn erst dann lässt sich darüber auch ehrlich diskutieren. Ich selbst kann diese Haltung nicht nachvollziehen. Aus meiner Sicht riskieren wir damit die Existenz akademischer bzw. universitärer Studiengänge. Natürlich ist ein forschungsnahes Lehren und Lernen ein Ideal ist, das man nicht immer erreicht (in dem Fall wäre es ja auch gar kein Ideal mehr), aber um das man kämpfen muss, will man noch so etwas wird Bildung anstreben und dazu eine akademisches Studium rechtfertigen. Hier sei dann doch nochmal auf Nida-Rümelins „Akademisierungswahn“ (hier) hingewiesen, der andere Lösungen (als eine Auslagerung der Lehre) für Probleme wie Niveauverlust in universitären Studiengängen vorschlägt, die zumindest mir wesentlich sympathischer sind.
Eigentlich kein Widerspruch. Einer schildert ein großenteils vergangenes Ideal, die andere Position stammt aus einer sich ausbreitenden, „realen“ Lebenswelt. Das merkt mam schon am Schreibstil, finde ich.
Die „reale“ Lebenswelt ist aber doch eine gestaltbare, und Ideale können die Gestaltung lenken. Was real ist, bestimmen Menschen selbst; sie haben zumindest mit Verantwortung für die Realität – jedenfalls in dem hier im Interesse stehenden Kontext! Man macht es sich als Prof zu leicht, wenn man sich hinstellt und nur noch feststellt: Ist so – kann ich eh nicht ändern. Und außerdem: Was wäre denn ein Leben ohne Ideale? 🙂
Gerade die Ansicht Herrn Hauckes stammt doch aus einer vergangenen Zeit: Einer Epoche, in der sich Professor_innen/Lehrer_innen als altehrwürdige Lehrmeister verstanden haben, die den ihnen Anvertrauten im besten Fall gerademal einen Teil ihres altehrwürdigen Wissens vermitteln können. Rancière hat das – ich finde: zurecht – als die „Praxis der Verdummung“ bezeichnet. Neues Wissen (oder auch nur das Interesse daran) entsteht dabei zumindest weder bei Lehrendem, noch bei den Studierenden. Und die Lehre verkommt dann tatsächlich zu der lästigen Pflicht, als die Herr Haucke sie offensichtlich versteht.
Denn eines fällt leider bei beiden Argumentationen unter den Tisch: Dass es bei der Lehre nicht nur darum geht, dass die Student_innen eine bestmögliche Ausbildung erhalten, sondern auch um den Dialog, um die gegenseitige Inspiration, um das Infinizieren diskussionsbereiter Geister mit neuen Gedanken. Das passiert in den guten Seminaren nicht nur unter den Seminaren, sondern auch zwischen Student_innen und Professor_innen.
Für mich war das – zunächst als Hoffnung, und mit dem Studienbeginn an der Zeppelin Universität dann tatsächlich auch in der Realität – immer der Unterschied zwischen Schule und Universität. Wenn ich irgendetwas als existenziell für gute Hochschullehre betrachte, dann dieses Selbstverständnis der Professor_innen: Dass sie nicht nur gerne Bereicherung sein wollen, sondern auch gerne selbst bereichert werden.
@Gabi_
Wer möchte da schon widersprechen!
Ich habe eben ein Herz für Provokationen 😉
Gruß,
karsten
Etwas verspätet, mein Kommentar. Dennoch: M.E. sollte gerade die Studieneingangsphase, in der die Studierenden überhaupt erst hinein finden müssen in das, was wissenschaftliches Arbeiten im Rahmen eines Studiums heißt, von Lehrenden verantwortet werden, die eine wissenschaftliche, forschende Haltung gegenüber den Studieninhalten am überzeugendsten repräsentieren können. Wenn man meint, das seien gerade nicht die Professor/innen, dann wäre das allerdings ein bemerkenswerter Offenbarungseid. Wenn man meint, das brauchte es in der Studieneingangsphase (noch) nicht, weil da ohnehin nur vorgekauter Lernstoff rezeptiv anzueignen sei, wäre das ein ebenso bemerkenswertes Statement zum Verständnis eines BA-Studiums.