Relativ bald nach der rasanten Verbreitung von ChatGPT im Hochschulkontext habe ich mich – angeregt durch die Stellungnahme zu KI seitens des Deutschen Ethikrats – mit dem Risiko des Deskilling auseinandergesetzt (siehe hier). Mein Eindruck war, dass das eher auf Unverständnis stieß denn auf Nachfragen oder Diskussionsbedarf; alle Augen waren – und sind (ein aktuelles Beispiel hier), – darauf gerichtet, welche KI-Kompetenzen neu entwickelt werden sollen oder müssen. Inzwischen beobachte ich z.B. in der Lehrkräftebildung, dass neben der zweifellos wichtigen Kompetenzentwicklung infolge der KI-Verbreitung auch mögliche Kompetenzverluste in den Blick genommen werden – allerdings unter dem begrifflichen Dach der De-Professionalisierung.
Davon einmal abgesehen aber dominiert nach wie vor die Tendenz, die Reflexion potenzieller Risiken von KI im Hochschulkontext – jedenfalls jenseits der allgemein anerkannten rechtlichen und forschungsethischen Herausforderungen – als grundsätzlich technik- oder innovationsfeindlich zu deuten und abzulehnen. Es fällt dann regelmäßig schwer zu argumentieren, dass Risikoanalysen parallel zu einem Experimentieren mit und Explorieren von KI in der Hochschule möglich und sinnvoll sind.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich das Anliegen anders bzw. so formulieren lässt, dass keine reflexartige Ablehnung provoziert wird. Zusammen mit Frank bin ich zu folgendem Schluss gelangt: Es gilt herauszufinden, was KI zu einem „guten akademischen Leben“ beitragen kann. In dieser Formulierung ist implizit der Gedanke enthalten, zu unterlassen, was einem „guten akademischen Leben“ abträglich ist, ohne dass dabei aber potenzielle KI-Risiken im Vordergrund stehen.
Was ändert sich mit einer solchen Fragerichtung? Zum einen ließe sich damit vielleicht der Verdacht des Technik- und Innovationsfeindlichen ausräumen. Zum anderen – und das scheint mir noch wichtiger – wird KI hier nicht mehr als Zweck, sondern als Mittel betrachtet. Die aktuell oft zu hörenden Aufrufe, dass sich Hochschulen und Hochschulangehörige „für KI fit machen“ sollen, erklären KI zum Zweck. Wollen wir das?
Natürlich: Ein „gutes akademisches Leben“ ist ein offenes Konstrukt. Es verbirgt sich darin auch ein Hauch vom „guten Leben“ generell – einem Grundanliegen des Menschen, mit dem sich die (praktische) Philosophie seit jeher beschäftigt, ohne dass es auf die Frage, was ein gutes leben genau ist, die eine Antwort haben zu können. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht vielmehr darum, sich zu fragen, wie wir uns Lehren, Lernen und Forschen an der Hochschule mit KI vorstellen können und wollen – auch in einer noch fernen Zukunft, als Orientierung und gegebenenfalls als Korrektiv für unser aktuelles Handeln: Welchen Platz wollen wir KI einräumen, welche Rolle zuweisen und was genau erhoffen wir uns davon für die Menschen an Hochschulen? Wo und wann fühlt es sich im Gegenzug befremdlich oder gar bedrohlich an, wenn KI zum selbstverständlichen Teil unseres Forschungs-, Lehr-, Lern-, Kommunikations- und Beziehungsgefüges ist und warum ist das so? Wie wird KI zu einem probaten und verantwortungsvollen Mittel zum Zweck eines „guten akademischen Lebens“?