Produktiver Mai: Kurz nachdem der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre (in diesem Blog siehe dazu hier) veröffentlicht hat, gibt es bereits ein zweites, für alle Disziplinen geltendes, wichtiges Papier – diesmal von der Deutschen Forschungsgemeinschaft: ein Positionspapier zum wissenschaftlichen Publizieren als Grundlage und Gestaltungsfeld der Wissenschaftsbewertung.
Das Positionspapier enthält eine gute Zusammenfassung, die über die wichtigsten Analyseergebnisse und Empfehlungen informiert. Es lohnt sich allerdings, den Text auch ganz zu lesen: Das erste Kapitel gibt einen prägnanten Überblick über das Publikationswesen. Das zweite Kapitel befasst sich mit fünf „aktuellen Herausforderungen“ beim wissenschaftlichen Publizieren. Besonders ausführlich wird die Wechselwirkung zwischen Wissenschaftsbewertung und Publikationswesen beleuchtet, darunter auch der unselige Publikationsdruck (an ganz bestimmten Publikationsorten) und entstehende Fehlanreize – wobei ich mich ja schon frage, ob nicht auch die DFG selbst in nicht unerheblichem Maße eben dazu beigetragen hat … Die Autoren des Positionspapiers bleiben erfreulicherweise nicht bei der Analyse stehen. In Kapitel 3 werden Handlungsfelder bzw. Verantwortlichkeiten bestimmt, nämlich bei der Wissenschaft selbst und bei Geldgebern, und Anforderungen für das künftige wissenschaftliche Publizieren formuliert.
Bezugnehmend auf die verbreitete bibliometrische Wissenschaftsbewertung stellen die Autoren beispielsweise fest, dass der Wissenschaft auf diesem eingeschlagenen Pfad nachhaltiger Schaden drohe: „Negative Auswirkungen eines angeheizten Publikationsdrucks lassen sich zum einen am Einzelfall festmachen. Beispiele sind die einengende Wirkung auf die Wahl von Publikationskanälen, Anreize zu Abstrichen bei der guten wissenschaftlichen Praxis und zu nicht primär dem wissenschaftlichen Austausch dienenden Publikationspraktiken. Zum anderen drohen aber auch langfristige, strukturelle Folgen z. B. durch eine Abkehr von im Reputationswettbewerb benachteiligten Forschungsfragen oder -formaten mit Auswirkungen auf die Besetzung von Stellen, Lehrstühlen und schließlich die Ausrichtungen ganzer Forschungsinstitutionen“ (S. 45).
Mit Blick auf die erforderliche Adressatenorientierung wissenschaftlichen Publizierens wird unter anderem darauf verwiesen, dass es wichtig sei, Ergebnisse und Erkenntnisse zweckmäßig bekannt zu machen und sicherzustellen, dass die Zielgruppe diese auch rezipieren kann: „Es sollte in einer Weise publiziert werden, dass die Adressaten die Publikation wahrnehmen und diese inhaltlich sowie hinsichtlich ihrer Qualität bewerten und überprüfen können“ (S. 49). Zur Wissenschaftssprache in diesem Zusammenhang sagt das Papier nichts, was ich schade finde. Überall da nämlich, wo (was auch immer man von dem Begriff halten mag) „Transfer“ Teil der wissenschaftlichen Zielsetzung ist, muss man sich aus meiner Sicht schon auch die Frage stellen, ob es wirklich immer „zweckmäßig“ ist, ausschließlich in englischer Sprache zu publizieren, wenn es denn etwas gelten soll.
Schließlich plädieren die Autorinnen dafür, das „Spektrum akzeptierter Publikationsformate“ zu verbreitern – und sogar die in die Jahre gekommenen Blogs werden hier noch genannt (S. 56 f.) – und mehr und verschiedene Peer-Review-Verfahren zu praktizieren (S. 47). Das letztgenannte Thema hat mich schon oft bewegt, ohne dass es mir selbst im Kleinen gelungen wäre, mit meinen Ideen etwas zu bewegen. So sind etwa meine Vorschläge für ein Triple Peer Review-Verfahren (nun auch schon wieder über sieben Jahre alt) in der Zeitschrift EDeR – siehe hier – weitgehend Theorie geblieben: Es gelingt einfach nicht so recht, Wissenschaftlerinnen von gewohnten Wegen abzubringen und Neues auszuprobieren (eine Reflexion dazu – auch schon wieder etliche Jahre her – siehe hier).
Von daher: Ich freue mich über die verschiedenen Vorschläge der DFG. Jetzt wäre es noch ganz wunderbar, wenn sich davon etwas realisieren ließe :-).