Holländische Wohnzimmer

Gestern hatten wir Jan Schmidt (mit dt) bei uns in Augsburg zu Gast:  Vor unseren wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitern am Institut, Doktoranden und auch einer ganzen Reihe von Studierenden hat er einen Vortrag zum Thema „Persönliche Öffentlichkeiten im Web 2.0“ gehalten und dabei – so der Untertitel des Vortrags – „Merkmale und Konsequenzen des onlinegestützten Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagements“ erläutert.  Der Begriff der „persönlichen Öffentlichkeit“ wurde allem voran über die Merkmale und Prozesse bei der Nutzung von Social Networks verdeutlicht, wobei ein interessanter Hinweis darin bestand, dass man – wie im „echten Leben“ – in verschiedenen virtuellen Netzwerken natürlich auch verschiedene Rolle (Identitäten?) haben kann. Blogs, so eine der Botschaften, scheinen ihre Multifunktionalitäten langsam zu verlieren: die Netzwerkbildung verschiebt sich auf Xing, StudiVZ oder Lokalisten; das Micro-Blogging findet auf Twitter statt – es bleibt der längere, reflektierte Beitrag auf dem Blog? Das sind natürlich nur Thesen, aber mir leuchten diese durchaus ein.

Am Ende seine Vortrags brachte Jan Schmidt eine interessante Analogie – nämlich die von holländische Wohnzimmern, deren Fenster traditionell keine Vorhänge haben: Ein Foto zeigte nun ein Haus, das kompletten Einblick in die Wohnzimmer ließ – nicht nur über ein kleines Fenster (ohne Vorhänge), sondern über eine große Glasfront. Der Holländer – so Jan Schmidt – bliebe nun aber auf der Straße nicht stehen und schaue den anderen unverhohlen ins private Zimmer, denn das mache man einfach nicht. Was damit schön deutlich wird: Es gehören immer zwei zum viel diskutierten „Entblößungsproblem“: der, der zeigt, und der, der sucht und schaut. Wir haben, weil es ein schöner Einstieg in die Diskussion war, natürlich erst einmal durchaus kontrovers diskutiert, inwiefern dieser Vergleich passend, aber eben auch schief ist (was ja das Geniale an einer guten Analogie ist, dass man mit ihr arbeitet und eben Parallelen UND Unterschiede sucht). Beispiel: Spricht es gegen den Bewerber, wenn er neben einem sachlichen Profil in Xing auch in StudiVZ ein Profil mit vielleicht nicht immer ganz glücklichen Schnappschüssen für sein informelles Netzwerk hat, oder spricht es eher gegen den Personaler, der in Communities, die nicht für ihn bestimmt sind, nach zusätzlichen Informationen sucht?

Ich sage danke an Jan Schmidt und die interessierten Zuhörer und Diskutanten für den anregenden Nachmittag (PS: Wir haben zuhause auch keine Vorhänge).

Standards für die Bildung: Geht das?

Stolze 577 Seiten umfasst die Expertise von Jürgen Oelkers und Kurt Reusser zum Thema Bildungsstandards, die bereits vor genau einem Jahr, nämlich im Januar 2008, vorgelegt wurde. In Auftrag gegeben hat die Expertise das bmbf. Ich bin darauf gestoßen, weil ich an sich etwas über Standards, Kompetenzen und Assessment zur Hochschule gesucht habe, und dann bin dann da hängen geblieben.  Ich habe NICHT alles gelesen, sondern nur einzelne Kapitel, die mich gerade interessierten und habe mir dabei so meine Gedanken gemact, was davon auch für die Hochschule von Interesse ist.  Ich denke aber, die Quelle sollte man sich merken, denn da wurde sehr gründlich recherchiert. Falls es jemanden interssiert, stelle ich mal mein Mini-Exzerpt zur Verfügung (bildungsstandards_2008), wobei ich beim nächsten Lesen mit anderen Fragen sicher andere Dinge notieren werde. Es gibt übrigens auch eine Kurfassung (hier).

Die Autoren sprechen sich alles in allem für Standards in der Bildung aus, und ich finde, sie begründen das auch sehr gut (leider aber so lang, dass es nicht viele lesen werden). Allerdings machen Sie auch klar, dass es keinen einfachen Weg gibt, Standards konsensfähig zu formulieren und sie dann auch erfolgreich zu implementieren. Ich war beruhigt zu lesen, dass eine stupide Testkultur nicht das ist, was die Autoren empfehlen, auch wenn sie die übliche Kritik an Bildungsstandards an manchen Stellen ziemlich heftig angreifen (und diese dabei aus meiner Sicht zu rasch in einen Topf werfen).

Auslaufmodell Vorlesung oder Chance einer Renaissance?

iTunes U – das war ein Beitrag in diesem Blog, der vergleichsweise viele Kommentare provoziert hat, weshalb ich an der Stelle mal zusammenfassen will, welche Aussagen mir aufgefallen sind, und überlegen will, welche Folgerungen ich daraus ziehe.

Ausgangspunkt ist die Vorlesung, die in aller Regel in einem Monolog besteht, den man heute mit Folien begleitet, die allerdings nicht wenigen Studierende inzwischen auch schon zum Hals raushängen (was ich verstehen kann). Die erste Grundsatzfrage ist nun die, ob wir diese Veranstaltungsform überhaupt noch wollen oder ob wir sie mangels deutlich erkennbarer Wirkungen nicht ganz einstellen sollten. Wenn ich mir die Modulhandbücher von neuen BA- und MA-Studiengängen ansehe und an den Zustrom der Studierenden in den kommenden Jahren denke, bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob wir uns diese Grundsatzfrage überhaupt noch stellen können, oder ob nicht die Realität ohnehin schon den Weg in Richtung „mehr Monologe“ geebnet hat – schlicht aus Ressourcengründen. Man kann diese Grundsatzfrage aber auch nutzen, um zu überlegen, unter welchen Bedingungen Zuhören doch einen Lerneffekt haben kann. Warum sollte ich nicht etwas lernen können, wenn mir jemand was erzählt, der mehr Wissen und Erfahrung hat? An sich ist das ein alltäglicher Vorgang – ich lerne von anderen, und zwar durchaus auch, wenn andere mir etwas erklären. An der Stelle kann man sich fragen, ob das Zuhören denn einen Vorteil gegenüber dem Lesen hat: Warum nicht gleich ein gutes Lehrbuch statt einer Vorlesung? Nun ja, oft genug ist es ja so, also dass Studierende, falls es passend zur Vorlesung ein Lehrbuch gibt, dieses vorziehen. Von daher gilt für mich: Wenn es einen guten Studientext, ein Lehrbuch oder ähnliches gibt, dann ist es wohl wenig sinnvoll, das Ganze nochmal „vorzulesen“. Und wenn das nicht gibt? Ja, wenn es das nicht gibt, wenn man statt dessen z.B. eine Sammlung verschiedener Texte aus verschiedenen Quellen hat (also das, was man gemeinhin einen „Reader“ nennt), dann kann es natürlich wieder extrem nützlich sein, wenn ein Lehrender mit dem, was er erzählt, die Lernenden durch diese Inhalte führt, ihnen Orientierung gibt in der Fülle an verfügbaren Informationen, die ein Reader und natürlich überhaupt Bibliotheken und digitale Ressourcen zu einem Themengebiet hergeben. Dann kann ein Vortrag quasi navigieren und der Lernende nutzt dann die Texte, um das Gehörte zu elaborieren. Hier nun stellt sich die Frage, wie man das macht, damit auch zugehört wird. Die meisten Kommentatoren waren sich einig, dass ein 90-minütiges aufmerksames Lauschen mehr als unwahrscheinlich sein dürfte. Ob es nun unbedingt die 15 bis 20 Minuten Podcast-Länge sein muss, oder ob auch 30 oder 40 Minuten möglich sind, wenn es sich um ein LERNangebot handelt, sei mal dahingestellt. Ich denke, das müsste man ausprobieren. Wenn man das ausprobiert, ja, dann kostet das eine ganze Menge Zeit und dann kann man sich als Lehrender NICHT auch gleichzeitig noch in den Hörsaal stellen und dasselbe nochmal in 90 Minuten erzählen. Es würde wohl ohnehin kaum jemand kommen.

Eine weitere Frage ist die, ob man solche Audio-Angebote als Nutzer „bearbeiten“ können soll: also verschlagworten, Fragen stellen (und dann logischerweise auch Antworten bekommen), kommentieren, natürlich auch beliebig anhalten und zu bestimmten Stellen „springen“ usw. Das hört sich zunächst einmal sinnvoll an, denn ein aktiver Umgang mit den Inhalten ist selbstverständlich gegenüber der reinen Rezeption zu bevorzugen. Aber vielleicht ist es doch nicht so einfach? Meine Beobachtung ist, dass es offenbar gar nicht so selbstverständlich ist, zusammenhängende Argumente zu verstehen, richtiggehend „mitzudenken“ und für sich nachzuvollziehen, worum es geht und was wichtig ist etc. (das ist schlicht anstrengend!). Um das aber hinzubekommen, muss man mal an einem Stück zumindest eine Zeitlang zuhören. Springen kann ich ja nur zwischen „Informationshappen“, bei denen es egal ist, was jeweils vorher war und was nachher kam. Aber genau das ist bei komplexeren Gedankengängen ja durchaus nicht immer der Fall. Man müsste also schon sehr genau überlegen, wo man das will und wo es zielführend ist: Das Springen von einer Stelle zur nächsten. Ähnlich ist das mit dem Fragen und Kommentieren – mal unabhängig davon, dass man bei einem frei zugänglichen Angebot von keinem Lehrenden verlangen kann, dass er Fragen von einer nicht kalkulierbaren Menge an Zuhörern beantwortet. Da bleibe ich bei der Position, die ich bereits in einem der Kommentare versucht habe deutlich zu machen: Man muss da verschiedene Strategien, von mir aus auch „Kanäle“ haben: offene Kanäle, auf denen man nur distribuiert, und geschlossene Kanäle, auf denen man mit einer begrenzten Anzahl an Personen auch kommuniziert. Dieser begrenzte Anzahl an Personen kann ich als Lehrende dann auch geeignete Anlässe bieten, um zu kommentieren, zu verschlagworten oder zu Inhalte zu erweitern – denn dass das komplett selbstorganisiert von vielen ohnehin gemacht wird – na, mal ehrlich: Wir wissen, dass das NICHT der Fall ist.

Die letzte Gruppe an offenen Fragen und Argumenten betrifft dann letztlich den Anbieter, von dem wir hier ausgegangen sind: iTunes U ja oder nein? Nutzt man den „Ort“, wo sich junge Menschen ohnehin tummeln, oder verweigert man sich, ein Unternehmen bei seiner Marketingstrategie zu unterstützen? Ja, das ist natürlich auch eine Grundsatzfrage (ähnlich wie bei Google-Angeboten) und für beide Seien gibt es gute Argumente. Im Moment würde ICH das eher pragmatisch sehen und sagen: Ja, klar, lasst es uns nutzen. Aber ich sehe schon auch, dass man wachsam sein und genau verfolgen muss, wie sich das entwickelt und an welcher Stelle negative Effekte auftreten könnten.

Sorry, es ist ein bisschen lang geworden – aber es geht halt nicht alls in Info-Happen 😉

WissensWert Blog Carnival Nr. 1: Träume und Traumata

Ob ich die Idee des „Blog Carnivals“ kenne, hat mich Andrea Back vor kurzem per Mail gefragt. Oh je, nein, klingt nach Fasching, mag ich gar nicht, kommt gleich hinter Silvester, mag ich auch nicht. Hier erklärt Andrea, was dahinter steckt, wobei die (Wikipedia-)Erklärung die nett gemeinte (bei mir eher negative Assoziationen auslösende) Metapher leider nicht so ganz rüberbringen kann. Aber egal. Besser verstanden habe ich das Thema bzw. die Fragen, die Andrea (und sicher auch viele andere) und Jochen Robes (die beiden Organisatoren) interessieren (siehe auch hier). Die übergeordnete Frage ist, was an den neuen Web 2.0-Anwendungen traumhaft und was traumatisch ist. Gerne will ich jetzt einfach mal versuchen, die darunter subsumierten Fragen wie in einem Interview zu beantworten:

Frage 1: „Kann ich mit Web-2.0-Tools effektiver mit Information und Wissen umgehen?“ Kann ich? Also in gewisser Weise ja: Ich kann Informationen durchaus rascher finden, ich bin über gute Blogs schneller und vorgefiltert informiert, und es ist eine unglaublich tolle Sache, dass ich viele Informationen inzwischen online finden kann, auch wenn man dabei natürlich an Grenzen stößt – vor allem dann, wenn man an wissenschaftlichen Erkenntnissen aus aktuellen Studien interessiert ist. Hier muss man aufpassen, dass man nicht zu träumen anfängt und sich der Illusion hingibt, man könne wirklich alles online finden, was gut und wichtig ist. Das ist mit Sicherheit falsch.

Frage 2: „Verbessern sich die Produktivität und Qualität der Arbeit?“ Na ja, meine Produktivität ist eher davon abhängig, ob ich motiviert bin, weil mal ein paar Dinge gelungen sind, man ein paar Studierende hat begeistern oder einige Doktoranden zum Abschluss hat bringen können etc. Misslungene Anträge, von denen ich ja auch schon mal berichte ;-), oder bürokratischer Wahnsinn führen wohl eher dazu, dass meine Produktivität mal eine kurze Zeit etwas eingeschränkt ist. DAS sind bei mir die Treiber oder Hemmnisse und nicht irgendwelche Tools. Ich glaube nicht, das ich früher (ohne Web 2.0) weniger geschafft habe. Man hat halt ANDERS gearbeitet. Ähnliches gilt für die Qualität: Ich denke, da sind personale Merkmale schon einflussreicher als technische Werkzeuge.

Frage 3: „Werden die Vorteile der neuen Arbeitsmittel durch negative Seiteneffekte überkompensiert?“ Also, ich habe jetzt die Frage ein paar Mal gelesen … hmm „überkompensiert“ – ich weiß nicht, ist das der richtige Begriff hier? Also, wenn jetzt gemeint ist, dass die neuen Werkzeuge möglicherweise mehr Trauma sind als Träume wahr werden lassen, dann würde ich ganz klar sagen „nein“! Ich fühle mich allerdings auch nicht unter Druck, alle Blogs, die ich in meiner Blogroll-Liste habe, immer zu lesen; ich nutze dazu z.B. Zeiten, in denen ich (siehe oben) eher unproduktiv, weil müde oder angenervt bin, um ein bisschen in der Blogosphäre zu stöbern, aber ich vermeide es, mich mit News unter Druck zu setzen. Dasselbe gilt für neue Anwendungen. Ich bin oft begeistert von neu aufkommenden Themen, Fragen rund um Wissen, Lernen, Medien sind mir wichtig, meistens macht es mir Spaß, mich damit zu beschäftigen, ich habe viel Respekt vor einer ganzen Reihe von Leuten auf unserem Gebiet, aber ganz sooo wichtig, dass man dadurch in die Stressfalle tappt, darf man all das wohl auch nicht nehmen. Entsprechend sollte die Welt (für mich) nicht untergehen, wenn ich mal was nicht mitbekomme.

Frage 4: „Wie verläuft der persönliche Lernprozess, sich diese Arbeitspraktiken anzueignen?“ Ich frage Frank oder meine netten wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiter/innen; ich schaue, wie es die anderen machen; ich lasse es sein, wenn ich es nicht gleich kapiere und mache dann lieber etwas später einen neuen Anlauf; ich achte darauf, dass neue Werkzeuge zu meinem Arbeitsstil passen (so weit käme es noch, das ich meinen Arbeitsstil an eine neue Mode oder ein neues Tool anpasse); ich ermahne mich, nicht zu faul zu sein und auch mal was Neues auszuprobieren (finde es dann aber doch meistens besser, wenn einige andere es vor mir ausprobieren 😉 )… ja, so in der Art ungefähr. Damit oute ich mich als Mitglied der „early majority“ und gebe offen zu, dass ich kein „early adopter“ bin – jedenfalls in technischen Fragen; anders dürfte es in pädagogisch-didaktischen Fragen sein … da scheue ich selten vor einem Experiment zurück  – außer es raubt mir allzu viel meiner Zeit.

Fazit: Traumatische Wirkung haben auf mich eher Ideologen aller Art; meine Träume enden hoffentlich nicht im Cyberspace und viele der neuen Web 2.0-Anwendungen sind einfach unglaublich praktisch und eine große Hilfe für Information und Kommunikation – und sie ermöglichen eine ganze Menge Lehr-Lernszenarien, die noch vor gar nicht so langer Zeit sehr, sehr mühsam und/oder viel zu teuer waren.

Und noch was: Es kann übrigens jeder mitmachen – bei einem solchen Blog Carnival – auch Faschingsmuffel.

GMW-Call 2009

Viele haben schon sehnsüchtig darauf gewartet – auf den Call für die GMW 2009 in Berlin. Nun ist er (hier) online unter dem Motto „Lernen im digitalen Zeitalter“. Gut, ein doch eher allgemeiner Titel ist nachvollziehbar angesichts der Tatsache, dass die GMW-Jahrestagung dieses Jahr zusammen mit der Fachtagung DeLFI.2009 durchgeführt wird – eine gute Chance für einen Austausch zwischen Psychologie, Didaktik, Pädagogik, Organisationstheorie einerseits und Informatik andererseits – eine Chance, die hoffentlich auch genutzt wird.  Die beiden Schwerpunkte unter dem gewählten Motto stellen zum einen die Lehr-Lernkultur und zum anderen auch Ökonomie und Organisation als Anker für Konzepte, Befunde und Projekte des E-Learning  heraus. Zudem wird von „Synergien zwischen taditioneller Lehre und technologiscehn Ansätzen“ gesprochen. Nun letzteres erscheint mir durchaus die Diskussion auf der Jahrestagung 2006 in Zürich wieder aufzugreifen, als es um niederschwellige und alltagstaugliche Innovationen ging.

Die Deadline für Einreichungen ist der 15. April, also unmittelbar nach Ostern.

Studierende tagen

Dass auch Studierende eine Tagung organisieren können, haben die Teilnehmer/innen einer Veranstaltung von Sandra Hofhues am Freitag Nachmittag gezeigt: Unter dem Titel „Open University oder: Die Zukunft der Hochschule“ haben Studierende selbst entschieden, welche Themen ihnen wichtig sind, haben selbst recherchiert, ausgewählt, präsentiert und diskutiert. Natürlich sind auf einer solchen Studierenden-Tagung die Ansprüche anders; natürlich können und müssen die Beteiligten (noch) dazulernen (aber wer kann das nicht – auch auf „normalen“ Tagungen) und natürlich wird man dort (als Wissenschaftler oder Nachwuchswissenschaftler) keine aktuellen Forschungsergebnisse erfahren, die man noch nicht kennt. Aber man erfährt die Meinungen der Studierenden, man erlebt, wie sie das Thema aus ihrer Sicht aufbereiten und man macht publik, was in einer Veranstaltung ein ganzes Semester lang so alles passiert. Und man kann mitunter auch die besonders begabten Studierenden schon erkennen, die vielleicht doch mal zu den Nachwuchswissenschaftlern zählen.

Dass eine solche Veranstaltung möglich ist, zeigt vor allem Sandra nun bereits zum zweiten Mal. Ihr und der aktiven Unterstützung durch das ganze w.e.b.Square-Team ist es zu verdanken, dass solche  Ereignisse Realität werden – einschließlich begleitendem Blog und schriftlicher Beiträge in w.e.b.Square (Online-Tagungsband) – schneller und besser als bei manchen „klassischen“ Tagungen. Wie Sandra selbst das Ergebnis der studentischen Tagung bewertet, kann man hier in ihrem Blog nachlesen.

Die Universität als Lernfabrik

Ist gerade ein Nachrichtenloch? An sich doch nicht: Israel führt Krieg, die Staatsverschuldung wächst, weil man den Banken helfen und die Konjunktur ankurbeln muss, und die ersten Grippefälle gibt es auch schon. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Presse dem Thema Lehre und Universität einiges an Platz widmet:

In der FAZ berichtet (hier) ein Theologieprofessor, warum er seinen Lehrstuhl räumt: Weil der Umwandlung der Universität in eine Lernfabrik nicht mehr ertragen kann (siehe hierzu auch Franks Beitrag). Ich kann den Mann verstehen, viele seiner Sätze kann ich unterstreichen (habe ja auch in diesem Blog schon öfter mal über die Bologna-Probleme berichtet). Gegenstand des Anstoßes ist allem voran die Lehre, die einem Kontroll- und Effizienzdiktat unterworfen wird, die den „Geist“ ersticke.

Auch die SZ beklagt heute (hier), dass es für Studierende nicht gerade einfacher wird, „selbst zu denken“. Nicht von ungefähr (Stichwort iTunes U) hat man die Vorlesung zum Gegenstand eines längeren Artikels gemacht, deren Virtualisierung nicht eben sehr positiv wegkommt.  Statt dessen wird die „persönliche Begegnung“ gefordert und gelobt, die – auch da kann man ja wirklich nur zustimmen – für Lernen und Studierende eben essenziell seien.

Ja …  schön, dass man sich in der Presse für Universität und Lehre interessiert, dass die Öffentlichkeit ein bisschen mehr davon erfährt, was an Universitäten geschieht.  Ich finde es auch gut, dass Professoren selbst zu Wort kommen, wie im Fall des oben genannten Theologieprofessors, denn diese Beiträge sind ohne Zweifel besonders gehaltvoll – das sollte öfter geschehen, dass man Betroffene (also auch die Studierenden) zu Wort kommen lässt! Denn diese Beiträge zeichnen ein viel besseres Bild von den Schwierigkeiten, die eine zeitgemäße Universitätsbildung mit sich bringt. So bleibt der SZ-Bericht in hohem Maße an der Oberfläche und jeder, der ein bisschen Ahnung von E-Learning hat, wundert sich, warum man immer und immer wieder dieselben Vorurteile und falschen Erwartungen wie auch kulturpessimistischen Befürchtungen von Neuem aufwärmt. Der FAZ-Bericht dagegen macht das Dilemma, in der sich z.B. Professoren in letzter Zeit oft befinden, viel besser deutlich. Dem sollte man jetzt noch eine Darstellung aus Studierendensicht gegenüberstellen.

iTunes U und die Hoffnung aufs Zuhören

Viele haben heute in ihren Blogs bereits auf iTunes U hingewiesen (z.B. Helge) – aus gutem Grund, denn nun sind auch deutsche Universitäten mit Audio-Mitschnitten von Vorlesungen, Podcasts u.a. online. Ich finde es in jedem Fall sehr schlau, bestehende, gut funktionierende Systeme (wie iTunes) zu nutzen, und für die Bildung kann es grundsätzlich nur gut sein, wenn wir auf diesem Wege viele „Open Educational Resources“ (siehe z.B. die letzte GMW-Jahrestagung) erhalten.

Wer aber mal in die eine oder andere Vorlesung reinhört (z.B. aus dem LMU-Angeboten, die zu unserem Fach passen, etwa hier unter Psychologie und Pädagogik), kann schon mal ins Gähnen verfallen (bei meiner Vorlesung sehen die Studierenden in der Regel auch nicht sonderlich wach aus – von Ausnahmen einmal abgesehen – das wäre als Audio-Angebot sicher nicht besser). Es ist ja schon anstrengend genug, wenn man im Hörsaal ist – aber 90 Minuten ohne visuelle Unterstützung zuhören – ich weiß nicht so recht. Da müsste man die Vorlesungen schon aufbereiten zu maximal 30-minütigen ausgefeilten Reden, die man auch mit Gewinn anhören kann. Dazu braucht man dann aber ein ausgearbeitetes Manuskript, und wenn man das ohne visuelle Unterstützung gut machen will, dann dauert das (also dann muss die Argumentation wirklich passen) – das kann man nicht leisten mit dem Stoff einer ganzen Vorlesung. Da sind denn doch z.B. besprochene Folien noch besser, wie sie Michael Kerres anbietet (hier der dazugehörige Blogbeitrag).

Ich denke, da haben wir noch ein weites Forschungs- und Entwicklungsfeld vor uns, wobei ich nicht nur die Frage der Effekte auf das Lernen, sondern auch die Herausforderung wichtig finde, wie man das als Lehrender einigermaßen effizient hinbekommt. Mit Aufkommen des Blended Learning (was ja nun schon eine Weile her ist), habe ich zwei Vorlesungen eingestampft, stattdessen Studientexte geschrieben, die ich den Studierenden online zugänglich mache und auf verschiedene Art und Weise bearbeiten lasse. Aber Zuhören ist natürlich überhaupt nicht generell schlecht – im Gegenteil. Nur ist es alles andere als leicht, Menschen zum Zuhören zu bringen. Immerhin: Die jetzt gestarteten ersten deutschen Angebote liefern dazu ja nun einen guten Anlass (zur Forschung und zu neuen Ideen).

Gemeinsame Sache

… machen Mandy Schiefner und Matthias Rohs ab 2009 in ihrem neuen head.z blog. head.z – so heißt es im Blog unter „about“ – „ist die Marke unter der wir, Mandy Schiefner und Matthias Rohs, uns der Öffentlichkeit vorstellen, Projekte realisieren, Vorträge und Workshops anbieten und uns für spannende Ideen begeistern lassen. … Im Mittelpunkt dabei steht „Bildung“ als vergessenes, multifunktionales und immer wieder bemühtes Konzept, dass uns in all seinen Facetten begleitet. Besonders beschäftigen uns dabei die Rolle der Didaktik und Medien in der Bildung.“ Ohne Zweifel ein breiter und damit für viele konsensfähiger gemeinsamer Nenner.

Schlau ist das allemal, wenn man zu zweit (oder mehreren) einen Blog pflegt – immerhin kostet das alles Zeit und nicht immer ist man erfolgreich bei seinen Recherchen, kreativ beim Schreiben, einfallsreich beim Nachdenken und oder einfach nur gesprächig im Alltag (und dann kommen nur die „Me-too-Beiträge“ dabei heraus).

Mandy, Matthias: Das wird sicher ein Pluspunkt für euch. Ich bin gespannt.

Selbstorganisation zum Zweiten

Im Sommer 2008 habe ich mich bereits anlässlich der EduMedia in Salzburg etwas kritischer mit dem Thema Selbstorganisation auseinandergesetzt. Dazu ist ein Arbeitsbericht entstanden, der weitgehend den Inhalt des Vortrags wiedergibt. Nun habe ich für einen Band von Ben Bachmair mit dem Titel „Medienbildung in neuen Kulturräumen“ die Selbstorganisation noch einmal aufgegriffen und stärker mit dem Web 2.0-Gedanken verknüpft. Wer den Arbeitsbericht gelesen oder den Vortrag gehört hat, wird vieles wieder erkennen. Allerdings habe ich die Argumentation verdichtet, neue Literatur hinzugezogen und auch eine Reihe von Modifikationen vorgenommen.

http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/files/1272/imb_Arbeitsbericht_18.pdf

Ja, also damit wäre auch die Frage beantwortet, was ich über Weihnachten gemacht habe ;-).