Bologna und die HRK – eine nicht immer ganz harmonische Verbindung, aber in der aktuellen Empfehlung Europäische Studienreform ist man trotz kritischer Hinweise um ein klares Ja zu Bologna und um Lob für das bisher Erreichte bemüht. So steht gleich im ersten Abschnitt „Die HRK unterstreicht, dass die deutschen Hochschulen seit Beginn des Bologna-Prozesses enorme Reformleistungen erbracht haben“. Trotzdem, so die Kritik, würden die bestehenden Spielräume zu wenig genutzt und Bürokratie und Detailsteuerung unnötig einengen. Mantra-artig wird die zu geringe Mobilität beklagt, was ich einerseits nachvollziehen kann; andererseits vermisse ich es, dass man sich auch um den Zweck von Mobilität etwas mehr Gedanken macht und darum, wie man Erfahrungen aus seinen „mobilen Phasen“ eigentlich sinnvoll in die Bildungsbiografie integrieren kann (und wie man das unterstützen müsste). Beklagt wird, dass immer noch die konsekutive Anordnung von Bachelor- und Masterprogrammen dominiert. Wundern sollte einen das allerdings nicht, nachdem fast überall dreijährige Bachelorprogramme aufgesetzt wurden – meist durchorganisiert und vollgestopft mit zusätzlichen Auslands- und Praxisanforderungen. Was ist das für ein Studium – zumal an Universitäten? Ich finde das nachvollziehbar, dass Studierend da im Anschluss den Master machen, sich vielleicht mal in etwas vertiefen wollen etc. Lehrende präferieren für ihre Lehrtätigkeit häufig auch den Master, wenn man sie wählen lässt … in der Hoffnung, sich dann mehr auf Wissenschaft in IHREM Sinne konzentrieren zu können. Ich kann es bis zu einem gewissen Grad gut verstehen.
Weitere Themen in der Empfehlung sind Heterogenität und Flexibilität. Letzteres liest sich vielversprechend: Abweichungen in der Anzahl von Credit Points nach oben und unten sollten ebenso möglich sein wie unterschiedliche Geschwindigkeiten im Absolvieren des Bachelors und Masters. Hört sich gut an, aber werden das alle Universitäten auch logistisch schaffen? Wird die Idee bis hinein in Prüfungsordnungen und Modulhandbücher finden? Die machen ein Studium nämlich oft genug zum Hindernislauf (was die HRK möglicherweise mit „Detailsteuerung“ meint), weil man zig Voraussetzungen erfüllen muss, um A oder B zu machen, was dann aber nicht immer angeboten werden kann und wenn dann jemand gerade im Ausland ist? … Und was wird die Akkreditierungsagentur dazu sagen? Oh, machen wir lieber doch nicht … Flexibilisierung wird unter anderem als Antwort auf die wachsende Heterogenität der Studierenden gesehen. Angeregt wird z.B. „eine alternative Gestaltung der Studieneingangsphase, um die heterogene Studierendenschaft an das Leben und Lernen an den Hochschulen heranzuführen“. Ja, das sehe ich auch so, denn so sehr man Heterogenität auch als Diversität lobpreisen kann, so häufig bringen doch sehr verschiedene Voraussetzungen im Wissen und Können die eine oder andere Veranstaltung gewaltig in die Schieflage – mit viel Unzufriedenheit auf Seiten der Lehrenden und der Lernenden.
Und dann das HRK-Highlight des Jahres: In der Empfehlung wird (auf Seite 16) gefragt, „ob die klassische Notengebung zumindest in den ersten Semestern noch angemessen ist und nicht z.B. durch Portfolios abgelöst werden sollte.“ JA! ENDLICH! Das ist doch mal eine schöne Unterstützung – ganz unerwartet – in Sachen „anderes Denken bei Prüfungen“ (siehe z.B. in diesem Blog hier und hier). Das Ganze firmiert unter „gestalterischen Freiräumen für Lehre und Prüfung“. Das ist wunderbar, dass das explizit von der HRK kommt, denn wenn das von hochschuldidaktischer Seite so formuliert wird, haftet dem leider immer noch zu oft der Geruch von Verpackung, Entmündigung oder Trivialisierung an (siehe z.B. hier). Auch das forschende Lernen wird thematisiert, wenn auch nur als Schlagwort, aber immerhin mit dem Hinweis, dass sich dann auch Prüfungen ändern müssen und Lehrende sowohl Zeit als auch Ressourcen und Unterstützung brauchen, um derart anspruchsvolle Lehrformate auch umzusetzen. Umsetzen … genau: Jetzt müsste man das nur noch umsetzen 😉