Was kennzeichnet das akademische Lehren und Lernen und damit auch die Hochschuldidaktik im Vergleich zu anderen Didaktiken? Aus meiner Sicht ist das die Wissenschaft als Medium und Gegenstand des Lehrens und Lernens. Und in genau diese Richtung geht auch ein aktueller Artikel von Rüdiger Rhein mit dem Titel „Hochschulisches Lernen – eine analytische Perspektive“, erschienen (als Open Access!) in der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung. Die Zeitschrift (siehe hier) lief viele Jahre über den Bertelsmann Verlag. Jetzt ist (hier) Springer am Zug – und gibt die Artikel frei, was mich ehrlich gesagt ziemlich überrascht hat.
Mich hat an Rheins Artikel jetzt nicht so sehr interessiert, wie und warum die Hochschuldidaktik auch Teil einer „Erwachsenenbildungswissenschaft“ sein kann – ein Begriff, den ich hier übrigens zum ersten Mal gelesen habe. Vielmehr interessiert mich, wie der Autor das akademische Lernen und Lehren spezifiziert. Im Kern betrachtet der Text dann aber vor allem das akademische Lernen (und weniger das Lehren), das – so die wesentliche Eigenschaft – Wissenschaft zum Gegenstand habe (S. 358).
Ein wichtiger Aspekt in Rheins Analyse besteht darin, dass es eine Koppelung gibt zwischen der Wissenschaft als Ort der Wissensproduktion einerseits und dem Studium als Ort der Erschließung von Sinn- und Handlungsressourcen andererseits. Dies hat großen Einfluss darauf, wie er das „Studieren“ versteht. Ich zitiere mal ein paar Umschreibungen: „Studieren bedeutet, die Eigenstrukturen akademischer Disziplinen hinsichtlich ihrer epistemischen, poietischen und praktischen Potenziale verstehend anzueignen und praxeologisch zu erschließen“ (S. 353). „Studieren bedeutet nicht, Wissenschaft als System abstrakter Aussagen zu erlernen. Vielmehr muss, wer studiert, verstehen, wie Wissenschaft zu ihren Erkenntnissen kommt, und wie sie den Anspruch auf Geltung dieser Erkenntnisse begründet. Studieren bedeutet somit, den spezifischen Charakter wissenschaftlichen Wissens zu begreifen …“ (S. 354). „Das Ziel des Studiums ist, eine eigenständige Handlungsfähigkeit zu entwickeln, und selbst gemäß fachlich-disziplinärer Sinnstrukturen tätig werden zu können. Studieren bedeutet dann, sich Teilhabeoptionen an inner- und außerwissenschaftlichen Praxen zu erarbeiten“ (S. 356).
Ich glaube, dass derartige Herangehensweisen neben lernpsychologischen Zugängen enorm wichtig, ja geradezu unerlässlich sind, um die Hochschuldidaktik als eine eigene bildungswissenschaftliche Disziplin voranzubringen. Leider ist mir bisher noch kein Text untergekommen, in dem eine wissenschaftstheoretische Perspektive auf das akademische Lehren und Lernen mit einer psychologischen Perspektive auf das Lehren und Lernen so miteinander verbunden werden, dass beide Sichtweisen nicht nur nebeneinander gestellt, sondern aufeinander bezogen werden.