Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Erklären, was Philosophen tun

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Was hat Hochschuldidaktik mit Philosophie zu tun? Vermutlich würden viele darauf antworten: Nichts! Faktisch ist es auch so, dass sowohl im deutsch- als auch im englischsprachigen Bereich Forschung auf Datensammeln beschränkt wird und philosophisches Argumentieren darin eher nichts zu suchen hat. Zu diesem Schluss kommt auch der Neuseeländer Clinton Golding in einem Text von 2013:

Golding, C. (2013). Must we gather data? A place for the philosophical study of higher education. Higher Education Research & Development, 32 (1), 152-155.

Über Forschung ohne Daten, so Golding, scheint in der Hochschuldidaktik bzw. im Kontext Higher Education kaum jemand nachzudenken. Daten aber sagen uns nicht, was wir tun sollten. Eine Kernfrage sei aber doch mindestens auch, was sein soll bzw. wie Konzepte, Normen, Praxen sein sollen (p. 153). Golding fordert eine epistemologische und ontologische Forschung und damit einen Platz für die Philosophie und das philosophische Denken und Handeln in der Hochschuldidaktik (p. 155). Einschränkend räumt Golding ein, dass das Vorgehen von Philosophen oft implizit bleibt, was eine Integration in andere Forschungsansätze schwierig macht: Philosophen denken, schreiben, diskutieren, aber, so Goldings Einschätzung, sie können schlecht erklären, was sie da genau tun (p. 154).

Über die Beziehung der Philosophie zu „Einzelwissenschaften“ generell machen sich Thomas Reydon und Paul Hoyningen-Huene (zu Hoyningen-Huene siehe auch hier) in folgendem Text Gedanken.

Reydon, T.A.C. & P. Hoyningen-Huene (2011). Philosophie und ihr Verhältnis zu den Einzelwissenschaften. In M. van Ackeren, T. Kobusch & J. Müller (Hrsg.), Warum Philosophie? Historische, systematische und gesellschaftliche Positionen (S. 127-145). Berlin: De Gruyter. (online hier).

Ich meine, eine der Kernbotschaften des Textes kommt in folgendem Zitat gut zum Ausdruck: „Während die Einzelwissenschaften positives Wissen über die Beschaffenheit der Welt hervorbringen wollen, hat die Philosophie unserer Auffassung nach u. a. die Aufgabe, das von den Einzelwissenschaften hervorgebrachte Wissen kritisch zu reflektieren. Eine solche Tätigkeit kann für die Einzelwissenschaften zwei verschiedene Arten von Ergebnissen haben. Zum einen kann die kritische Reflexion von positivem wissenschaftlichem Wissen zur Klärung der darin gebrauchten Begriffe oder der darin beschriebenen Sachverhalte führen, so dass man ein tieferes Verständnis dieser Begriffe oder Sachverhalte gewinnt. In diesem Modus kann die Philosophie als eine Fortführung der Arbeit der Einzelwissenschaften verstanden werden, indem sie zur Vertiefung und Interpretation des einzelwissenschaftlichen Wissens beitragen kann. Zum anderen kann eine solche Tätigkeit auch zu einer Destruktion der involvierten Begriffe oder Sachverhalte führen, weil sich bei der genaueren Nachfrage die entsprechende Sache als unhaltbar herausstellt. Hier kann die Philosophie als Kritik der Wissenschaften verstanden werden, indem sie Probleme im einzelwissenschaftlichen Wissen aufzeigt und damit die Wissenschaften herausfordert, bestimmte Fragestellungen erneut zu untersuchen“ (S. 127).

Im Verlauf des Textes werden drei verschiedene Verhältnisse der Philosophie zu den Einzelwissenschaften diskutiert: (1) Die Philosophie agiert normativ im Sinne einer normativen Wissenschaftsphilosophie und erforscht, wie Wissenschaft funktioniert, um die Einzelwissenschaften auf diesem Wege zu unterstützen. (2) Die Philosophie kooperiert im Sinne einer partizipativen Wissenschaftsphilosophie mit den Einzelwissenschaften und nimmt an deren Theorieentwicklung teil (sie arbeitet also mit ihnen und nicht über sie). (3) Die Philosophie generiert primär nicht wie die Einzelwissenschaften „positives Wissen“, sondern stellt als „fragende Wissenschaft“ primär Dinge in Frage – vor allem solche, die als selbstverständlich gelten (S. 140 f.) Die Autoren selbst vertreten die dritte Auffassung.

Reydon und Hoyningen-Huene liefern also mögliche Wege einer Integration der Philosophie in andere Disziplinen – so auch in die Hochschuldidaktik. Außerdem explizieren sie bis zu einem gewissen Grad das, was Philosophen machen – auch wenn das in der Tat auf einem anderen Abstraktionsniveau liegen dürfte als das, was man z.B. an „Anleitungen“ und Standards etwa für die Experimentalforschung kennt. In meinem Artikel von 2015 zur Rolle der Forschung in der Hochschuldidaktik (hier) hatte ich den philosophischen Ansatz ebenfalls mit aufgenommen (die beiden hier genannten Texte kannte ich beim Schreiben des Textes leider noch nicht). Aber das reicht freilich nicht: Die Frage ist, wie man die Philosophie denn nun konkret auch an der Hochschuldidaktik beteiligen kann. Beide Texte liefern zumindest ein paar Impulse. Falls jemand noch mehr davon hat: Bitte gerne hier kundtun! 🙂

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