Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Missglückte Mini-Module

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Das Studium Generale wird wiederentdeckt! In Forschung & Lehre denkt Harro Müller-Michaels unter dem Titel „College sucht Campus“ laut darüber nach, welche Vorzüge in einer wissenschaftlichen Grundbildung liegen und beginnt seinen lesenswerten Text gleich mit einem College Beispiel: dem University College Roosevelt (UCR) in Middelburg (NL). Dieses Beispiel hat allerdings nur wenig mit dem Studium Generale zu tun, das man bei uns – meist ungeliebt – noch irgendwie zusätzlich in ohnehin schon zu volle Bachelor-Programme quetscht.

Das „Liberal Arts and Science“-Programm am genannten UCR zum Beispiel ist ein vollständiges Bachelorprogramm, dauert drei Jahre und setzt übrigens konsequent auf forschendes Lernen (einen Überblick findet man hier). Das sind freilich andere Ziele und Bedingungen als man sie (bei uns) in einem Studium Generale hat, das in der Regel „als Academic Core, Komplementär-, Ergänzungs- oder Optionalbereich“ angeboten wird, integriert in traditionelle Studiengänge und weitgehend beziehungslos neben dem Hauptfachstudium herlaufend – wie Müller-Michaels in seinem Beitrag richtigerweise feststellt. Der Autor liefert meiner Einschätzung nach einige sehr gute Gründe, warum man sich auch in Deutschland mehr Gedanken über eine wissenschaftliche Grundbildung machen sollte – jenseits missglückter Mini-Module, an die weit überzogene Erwartungen geheftet und dann notwendigerweise enttäuscht werden.

Nun bleibt Müller-Michaels allerdings beim Studium Generale als Begriff in seinem Text, möchte dieses Konzept aber als „aktualisierte Artes Liberales“ verstanden wissen und versieht es mit Eigenschaften und Zielen, die dann doch einen ganzen Studiengang (wie an der UCR) erfordern – ich zitiere ein paar Passagen:

  • „Ein zentrales Ziel des Studiums ist, angemessene Fragen (bis zur Dissertation) stellen zu lernen, nie aufzuhören zu fragen, die Fragen der anderen und der Wissenschaften ernst zu nehmen und zur eigenen Sache zu machen“.
  • „Inhaltlich bewegt sich das Studium Generale […] mit hinreichender Weite und Tiefe der Fragestellungen. Einige der notwendigen Gegenstände (nicht unbedingt sieben) seien angedeutet: Allgemeine Bildung in zwei von drei Fächern aus den weiten Feldern der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften (einschließlich Jura, Ökonomie) mit Grundlegung und exemplarischen Forschungsthemen.“
  • Wissenschaftspropädeutisch heiße das dann: „Denken in Modellen, Methoden des Erklärens und Verstehens, eine Typologie der Diskurse: explikativ, deskriptiv, normativ, Tatsachenerhebung vs. Wertentscheidung. Rhetorik des wissenschaftlichen Schreibens und Redens mit Bauformen mündlicher und schriftlicher Äußerungen, Schreibprozesse, Argumentationsmuster, Wissenskonstruktion und Ergebnisdiskussion“.

In seiner letzten Vorlesung zum „Umriss einer Allgemeinen Wissenschaftsdidaktik“ (siehe meinen letzten Blogpost dazu hier) hat auch Dietrich Benner eine wissenschaftliche Grundbildung gefordert. Auch wenn ich selber Bedenken (bzw. viele offene Fragen) habe, wie man als Novize konsequent interdisziplinär in die Wissenschaft einsteigen kann (ohne eine Disziplin in der Tiefe exemplarisch kennenzulernen), stimme ich zu, dass es an der Zeit ist, sich (wieder) darüber Gedanken zu machen, wie sich wissenschaftliche Grundbildung erreichen lässt: Vermutlich wird es nie ein College à la UCR für alle geben (schade eigentlich), aber als Modell sollte es einen inspirieren können – jenseits der als Studium Generale getarnten Mini-Module, die Studierende nach Zeitersparnis-Potenzialen wählen.

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