Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

„teaching, teaching, teaching“

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„Ein Schub für die Lehre! Aber in welche Richtung? Wie Corona die Hochschullehre verändert“ – unter diesem Motto stand der 7. German U15 Dialog zur Zukunft der universitären Lehre am Spätnachmittag des 1. Dezember 2020 – digital natürlich. Dr. Cornelia Raue, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Innovation in der Hochschullehre, Carlotta Kühnemann, Mitglied des Vorstands des fzs – Zusammenschluss von Student*innenschaften, Prof. Stephan Jolie, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Prof. Hauke Heekeren, Vizepräsident der Freien Universität Berlin, diskutierten eine Stunde lang unter der Moderation von Dr. Jan Wöpking, Geschäftsführer der German U15 e.V. zu diesem aktuellen Thema.

Angekündigt war die Diskussion inhaltlich so: „Universitäre Lehre durchläuft gerade eine echte Sprunginnovation. Die Hochschulen sind mitten im zweiten Semester Corona-Lehre. Was zuvor nur ein Nischenphänomen war, ist heute neue Normalität: Vorlesungen und Seminare finden digital statt, der Begegnungsraum Universität ist nahezu vollständig ins Virtuelle verlagert. Die Erfahrung universitärer Lehre ist aktuell fundamental anders als in den Semestern vor der Pandemie. Und während wir uns an Zoom und Big Blue Button gewöhnen, ahnen wir: Lehre wird auch nach der Pandemie mittel- und langfristig anders aussehen. Sie wird sich verändern, nur: In welche Richtung? […]“

Vorweg: Die Diskussion war durchaus kurzweilig, auch dank der aus meiner Sicht sachlichen und sehr kompetenten Moderation durch Jan Wöpking, was man ja leider nicht von allen solcher Runden behaupten kann. Wer derzeit selber in Forschungen zu den „Corona-Semestern“ eingebunden ist oder diese mit verfolgt (hier der Link zu einer aktuellen Studie, auf die einer der Zuhörenden aufmerksam gemacht hat), in der Qualifizierung oder Unterstützung von Lehrenden tätig oder in Gremien unterwegs ist oder sich schlichtweg selbst als Lehrender engagiert und mit anderen den Austausch sucht, wird in der Runde vermutlich Vieles wiedererkannt haben. Gänzlich neue Einsichten sind da jetzt nicht produziert worden, was die Diskussionsteilnehmenden am Ende selbst thematisiert haben. Doch der sichtbar werdende Konsens in zumindest grundlegenden Dingen ist ja durchaus auch ein Vorteil für die Gestaltung der Zukunft:

Relativ einmütig – so kam es bei mir an – wird diese Zukunft der Hochschullehre als Kombination aus Präsenzlehre und virtuellen Lehrangeboten gesehen – ein bloßes Zurück zum Zustand der Lehre vor der Pandemie scheint keine ernst zu nehmende Option (mehr) zu sein. Flexibilität für die Studierenden und damit ein verbesserter Umgang mit der heterogenen Studierendenschaft wurden mehrfach angeführt; hier sehe ich auch eine Verbindung zu den Themen unseres letzten Forschungskolloquiums (hier). Gleichzeitig aber haben vor allem die beiden Vizepräsidenten aus Mainz und Berlin hervorgehoben: Bildung in und durch die Wissenschaft sei essenziell für eine hohe Lehrqualität und auch die Voraussetzung oder ein Bestandteil von Arbeitsmarktvorbereitung und Persönlichkeitsentwicklung. Wie das mit einem Höchstmaß an Flexibilität genau zusammengeht, ob dieser hohe Anspruch beispielsweise auch mit HyFlex-Lehre einzulösen ist, ist sicher keine Detailfrage, sondern aus didaktischer Sicht, so meine ich, essenziell – darüber wurde aber leider nicht gesprochen.

Natürlich wurde auch nach dem Innovationsbegriff gefragt: Hier war aus meiner Sicht in den Redebeiträgen von Cornelia Raue (nachvollziehbarerweise) die aktuelle Ausschreibung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre wiederzuerkennen: Von der Idee bis zur Implementation und Verstetigung ist da alles dabei. Kritische Kommentare und Fragen aus dem Chat, wie „Schön wäre es gewesen, den QPL zu verstetigen … Da wurde schon ganz schön viel hochqualitative (digitale) Lehre aufgebaut“ oder „Wie sollen mit einer dreijährigen Projektförderung Maßnahmen in der Lehre implementiert, also verstetigt werden? Das gilt natürlich generell für Projektförderung für die Lehre…“ wurden leider nicht aufgegriffen, hätten die Diskussion aber wohl auch in eine neue Richtung gelenkt. Man sollte darüber wohl eigene Diskussionsrunden machen – dann aber mit Politikerinnen am Tisch. Einen Satz von Cornelia Raue habe ich mir separat notiert: „Lehre muss wieder begeistern“ – da kann man sich nur anschließen. Dass es allerdings nicht eben einfach ist, Studierende zu motivieren, zum Reden zu bringen und zum Mitmachen anzuregen, das thematisierten auch die beiden Vizepräsidenten: Hier bringe die Pandemie wie im Brennglas grundlegende, nach wie vor nicht gut gelöste, Probleme zum Vorschein; aus studentischer Sicht gab es dazu keinen Beitrag.

Ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang war die Studierendenzentrierung: Es sei in den letzten Jahren in dieser Hinsicht schon viel passiert, aber dann, so etwa Stephan Jolie, mache sich doch das schlechte Gewissen wieder breit angesichts von „teaching, teaching, teaching“ … für mich persönlich ein Tiefpunkt der Diskussion, denn: Ich frage mich, warum es so unglaublich schwer zu sein scheint, das Konstrukt des Lehrens nicht als eines zu sehen, das – im besten Fall und damit als IDEAL, dem man sich annähern muss (denn selbstverständlich gibt es hier noch viele Defizite) – alles enthält, was in der Regel mit dem Schlagwort der Studierendenzentrierung so transportiert wird: Lehren, das ist doch keineswegs nur Vortragen und das Vermitteln von Inhalten, das umfasst auch: Aufgaben und Kontexte gestalten mit dem Ziel, dass Studierende sich vertieft mit Inhalten beschäftigen oder an Problemen (auch in Gruppen) arbeiten; dazu gehören das Feedback und das Begleiten etwa von Aktivitäten der Studierenden – seien es Aktivitäten des Sich-Aneignens oder solche, bei denen Studierende selbst auch für Dritte relevantes Wissen generieren (etwa beim forschenden Lernen). All das sind LEHR-Aufgaben, kennzeichnen den Anspruch an HochschulLEHRENDE, machen das aus, wofür wir unser LEHRdeputat verwenden (sollen). Warum also wird das LEHREN nur so klein gemacht, so verkürzt bezogen etwa auf Vorlesungen (die im Übrigen auch gut sein können – siehe hier), über die Verkürzung (was dann sogar logisch ist) mit so viel negativen Assoziationen belegt und schließlich in Stellung gebracht GEGEN die Studierendenzentrierung? Wann wird denn dieser Kategorienfehler endlich beerdigt? Ist mir echt ein Rätsel … Kurz: Wir brauchen ein ein flächendeckendes adäquates Verständnis vom Begriff des Lehrens/der Lehre, oder?

Natürlich war auch die Technik ein Thema: Carlotta Kühnemann machte sich für Open Source stark, Hauke Heekeren brachte aber auch die damit verbundenen Grenzen ein, Stephan Jolie plädierte für ein digital unabhängiges Europa – hier wird ganz klar die Politik gefordert; Hochschulen alleine werden das nicht stemmen können.

Neben Rahmenbedingungen und technischen Tools wurden ebenfalls Inhalte angesprochen – mit der Frage, ob die Pandemie denn auch darauf Einfluss haben werde. Da das freilich von Fach zu Fach zu diskutieren ist, mussten die Antwortversuche darauf abstrakt bleiben. Dass das Bewusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft und der Hochschulen und damit auch aller Hochschulangehörigen gestiegen ist, dem nun auch Taten folgen müssen, scheint Konsens zu sein. In der Folge müsse Hochschullehre, so etwa Jolie, nicht nur IN der digitalen Welt agieren, sondern eben auch FÜR die digitale Welt und dazu gehöre unbedingt die kritische Begleitung. Das ist wichtig, denn das erfordert auch eine eigene Position der Wissenschaft und der Hochschulen zur Digitalisierung!

Am Ende kam sogar Bologna nochmal zur Sprache – gepaart mit der Kritik an der „sehr deutschen Übersetzung von Bologna“. Ob das als Folge der Pandemie nochmal angepackt wird … es wäre schön, aber so recht dran glauben kann ich nicht.

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